Im Interview: Yvonne Catterfeld

Die 31-jährige Schauspielerin und Sängerin spielt im TV-Event "Am Ende die Hoffnung" (DI, 18.10.) eine deutsche Widerständlerin am Ende des Zweiten Weltkriegs, die für den britischen Geheimdienst spioniert und ihren Geliebten verrät

TV SPIELFILM: Vor 72 Jahren begann der Zweite Weltkrieg. Sie sind in der DDR aufgewachsen, Wie sind Sie erstmals mit dem Thema konfrontiert wurden?

YVONNE CATTERFELD Wie viele in der Schule, das wurde ja im Geschichtsunterricht reichhaltig behandelt. So reichhaltig, dass man nach der Schule erstmal genug davon hatte. Danach war es dann lange Zeit für mich kein großes Thema mehr, weil in unserer Familie auch nicht darüber gesprochen wurde.

Was interessiert Sie heute an der Kriegsvergangenheit?

YVONNE CATTERFELD Ich habe gerade angefangen, die Bücher von Susanne Bode zu lesen, über Kriegsenkel und Kriegskinder. Das finde ich sehr spannend. Auch der Film behandelt ja die verschiedenen Generationen. Die Generation, die den Krieg erlebt hat, wird bald nicht mehr da sein. Deswegen ist es umso wichtiger, dass die Menschen darüber sprechen.

Haben Sie in der Verwandtschaft oder Bekanntschaft Zeitzeugen, mit denen Sie über Krieg, Schuld, Holocaust gesprochen haben?

YVONNE CATTERFELD Bei mir in der Familie hat man eigentlich nie darüber geredet. Wenn, dann über die Kinder, den Garten, über belanglosere Dinge. Ich bin sehr behütet aufgewachsen und habe erst relativ spät gelernt, Fragen zu stellen.

Wie aktuell das Thema ist, zeigt eine Studie, nach der jeder zweite Über-80-Jährige an einem Weltkriegs-Trauma leidet. Verdrängte Erlebnisse, die im Alter wieder an die Oberfläche kommen...

YVONNE CATTERFELD Das hat mich an der Geschichte am meisten interessiert, die Geschichte dieser alten Frau. Warum ist jemand so, wie er ist? Was hat dazu geführt? Wenn man mit jemandem über seine Vergangenheit gesprochen hat, ist unter Umständen eine Annäherung, eine Versöhnung möglich. Es gibt so viel unverarbeitetes Leid, so viele Traumata der Kriegskinder. Kein Wunder dass viele es ablehnen oder so lange abgelehnt haben, darüber zu sprechen.

Worin liegt die zentrale Botschaft von "Am Ende die Hoffnung"?

YVONNE CATTERFELD Ich denke darin, dass unsere moralische Verantwortung die ist, dass wir nicht vergessen. Und dass man über Generationen hinweg darüber spricht, was war. Wenn man den Menschen gerecht werden will, muss man die Zeit, in der sie aufgewachsen sind und gelebt haben, berücksichtigen. Meine Oma beispielsweise besitzt immer noch einem alten Kochtopf aus Kriegstagen und einen Riesen-Vorratsschrank im Keller. Seitdem ich weiß, was ihr damals widerfahren ist, kann ich sie besser verstehen.

Nicht Ihre erste historische Rolle, wie haben Sie sich darauf eingestellt?

YVONNE CATTERFELD Das ist jetzt der dritte Film, der in dieser Zeit spielt. Für meine Figur war es wichtig, dass ich mir die Umstände präzise mache. Das ist natürlich schwierig, weil man es nicht erlebt hat. Weil man nicht weiß, wie es sich anfühlt. Ich kann da letztendlich nur über meine emotionalen Grenzen gehen und muss auch mit Phantasie arbeiten, mit Vorstellungskraft. Die große Herausforderung für mich bestand darin, die Spannung in diesem Film zu behalten. Ich musste mir präsent halten, dass eigentlich permanent Gefahr im Verzug ist. Da sind immer Hände, die nach mir greifen.

Rosemarie Fendel spielt Ihre Figur als alte Frau. Sie haben keine gemeinsamen Szenen, haben Sie sich trotzdem kennengelernt?

YVONNE CATTERFELD Nicht beim Dreh, erst danach. Sie ist eine ganz tolle Frau, sehr speziell, eine besondere Frau mir einer besonderen inneren Stärke und echt entzückend. Ich war sehr gerührt von ihr.

Das Leben des legendären Unterwasser-Filmpioniers Hans Hass in Wien und seine ersten Expeditionen mit Ehefrau Lotte am Roten Meer 1950 stehen im Mittelpunkt des Fernsehfilms "Das Mädchen auf dem Meeresgrund". Sie spielen Lotte Hass, wann kommt der Film ins Fernsehen?

YVONNE CATTERFELD Der kommt nach Weihnachten. Das war der vorletzte Film, den ich gedreht habe.

Sind die großen TV-Events ihr Terrain?

YVONNE CATTERFELD Ich mag das Historische. Ich hatte Glück, dass beide Filme historisch waren. Es ist einfach toll sich in vergangene Zeiten hinein zu versetzen, auch jetzt die 50er mit Lotte Hass. Das bedingt immer, daß man sich mit der Zeit auch intensiv auseinandersetzen muss. Das macht mir schon großen Spaß, aber ich möchte jetzt nicht sagen, ich mache nur noch Historisches. Ich suche mir Herausforderungen, wo ich weiß, ich muss über Grenzen gehen und an mir arbeiten.

Nennen Sie mir ein, zwei Filme in Ihrer Karriere, die Sie in irgendeiner Weise, sei es künstlerisch, charakterlich oder sonst wie, weitergebracht haben.

YVONNE CATTERFELD Ich sehe eigentlich jede Rolle als ein Geschenk an. Seien es Eigenschaften, die ich an der Figur bewundere, wo ich weiß, dass ich diese Eigenschaften nicht habe oder mir erst erarbeiten muss. Es geht darum, Gewohnheiten abzulegen und Grenzen zu durchbrechen. In dieser Hinsicht waren die letzten beiden Rollen, Ellen und auch Lotte Hass, vorbildlich. Besonders Lotte Hass ist mir während der Arbeit ein Vorbild geworden. Ich kannte sie ja vorher gar nicht.

Was kommt Neues? Was macht die Musik?

YVONNE CATTERFELDIch habe eine Pause gemacht. Mein letztes Album ist jetzt eineinhalb Jahre her.

Blau in blau?

YVONNE CATTERFELD Genau. Ich habe die Plattenfirma gewechselt, nach zehn Jahren ein großer Schritt. Aber auch ein guter Schritt, glaube ich. Das hat in jedem Fall wieder neue Energie in mir aufgewirbelt.

Sie hatten einen Durchhänger?

YVONNE CATTERFELD Es passiert schon mal im Musikbusiness, dass man irgendwann mal die Lust verliert. Für mich hatte ich das immer ausgeschlossen, aber das war bevor ich mit der Filmerei anfing. Wenn ich Filme drehe, dann fokussiere ich mich ausschließlich darauf und bin mit Leib und Seele dabei. Das heißt aber nicht, dass ich keine Musik höre.

Sie wirken sehr glücklich, wenn Sie singen. Ein Zustand, in dem Sie sich offensichtlich ausgesprochen wohl fühlen.

YVONNE CATTERFELD Ja, ich benutze das jetzt seit einiger Zeit auch beim Drehen. Bei emotionalen Vorbereitungen auf einzelne Szene arbeite ich zusätzlich auch gern mit Musik. Weil mich das irgendwie noch einmal mehr öffnet. Da suche ich mir bestimmte Sachen, die zu der Szene oder zu diesem Moment passen. Angefangen habe ich damit, beim Dreh von "Das Mädchen auf dem Meeresgrund" auf einem Schiff. Andreas Schmidt hat in Drehpausen Gitarre gespielt, dann sind wir runter in die Kajüte und haben zusammen gesungen, Glen Hansard ("Once") zum Beispiel. Auf einmal dachte ich: Ja! Da habe ich wieder angefangen, Gitarre zu spielen, mich zu begleiten. Das ist schließlich auch ein Geschenk, das muss ich nutzen. Ich komme jetzt gerade nicht dazu, aber ich habe wieder richtig Lust. Und ich habe Lust, etwas Neues auszuprobieren, auch stimmlich. Da bin ich gerade richtig guter Dinge.

Heiko Schulze