Zum Beispiel Devid Striesow (Jahrgang 1973). Der jungenhafte Mittdreißiger, der an der Ernst-Busch-Schauspielschule im selben Jahrgang war wie Nina Hoss, ist nicht nur für die "Bella Block"-Reihe längst so unverzichtbar wie Hannelore Hoger. Auch als sozialer Absteiger im ARD-Movie "Verhältnisse" von Regie-Newcomer Stefan Kornatz beeindruckt seine Intensität, mit der er sich (und uns) dem Geschehen ausliefert.

Katharina Wackernagel, Anneke Kim Sarnau, Nadja Uhl und Johanna Wokalek gehören ebenfalls zu der Schauspielergeneration, die sich mit geradezu waghalsiger Offenheit und Vorbehaltlosigkeit in ihre Rollen stürzt. Nicht zu vergessen die längst arrivierten Axel Prahl und Ulrich Tukur, zu denen man inzwischen auch die ewigen "Jungstars" Matthias Schweighöfer und Karoline Herfurth zählen darf.

Verstehen ihr Handwerk: Deutsche Mimen

Ein tatsächlich neues, junges Gesicht ist Alicia von Rittberg ("Romy"). Um die Zukunft braucht man sich hier keine Sorgen zu machen. "Die jungen Schauspieler, mit denen ich zu tun habe, sind hochmotiviert und oft auch hoch begabt", sagt Castingveteranin Sabine Schroth, die für große Fernsehfilme wie "Der Seewolf" und "Gier" die Darsteller besorgt.

Inzwischen hat sich auch im Ausland herumgesprochen, dass nicht nur deutsche Regisseure wie Wolfgang Petersen, Roland Emmerich und Florian Henckel von Donnersmarck ihr Handwerk verstehen, sondern auch Mimen aus der Bundesrepublik. Dutschke-Darsteller Christoph Bach hat gerade mit dem französischen Regisseur Olivier Assayas einen Kinofilm über den Terroristen Carlos abgedreht. Christian Berkel, bekannt als Kommissar Schumann aus der ZDF-Serie "Der Kriminalist", spielte in der Hollywood-Produktion "Operation Walküre - Das Stauffenberg Attentat" auf Augenhöhe mit Tom Cruise. Und in Tarantinos "Inglourious Basterds" wirkten außer Christoph Waltz eine ganze Reihe bekannter deutscher TV-Köpfe mit, darunter Martin Wuttke, sonst "Tatort"-Kommissar, diesmal Adolf Hitler.

Fernsehkonsum steigt

"Die Leute haben die Chance, jeden Abend anspruchsvolles Fernsehen zu schauen", sagt Nico Hofmann, Deutschlands wichtigster Film- und Fernsehproduzent, der auch das Dokudrama "Dutschke" realisierte. Trotzdem wächst die Unzufriedenheit. Im Februar 2009 fragte das Institut Allensbach bei 1802 Personen ab 16 Jahren nach: 51 Prozent stimmten der These zu, dass das Fernsehprogramm in den vergangenen ein bis zwei Jahren schlechter geworden sei.

Gleichzeitig wird mehr ferngesehen. Die Deutschen liegen beim Fernsehkonsum mit täglich drei Stunden und 32 Minuten europaweit an der Spitze, ermittelte im März das Institut Eurodata TV Worldwide (Paris). Wie passt das zusammen?

US-Serien als Vorbild

Die Kritik am Niveauverfall, zu der auch die inzwischen dementierte Äußerung unseres EU-Kommissars Günther Oettinger vom "Scheiß-Privatfernsehen" gehört, entzündet sich stets an den gleichen Themen. Besonders Bohlens derbe Sprüche bei "DSDS" polarisieren und erzeugen eine Medienresonanz, die darüber hinwegtäuscht, dass solche Sendungen nur einen winzigen Bruchteil des Fernsehprogramms ausmachen. Auch wird leicht übersehen, dass ein anspruchsvoller Fernsehfilm wie "Bis nichts mehr bleibt" (ARD) mit mehr als achteinhalb Millionen Zuschauern ein größeres Publikum findet als eine "DSDS"-Folge.

Zur Nostalgie besteht kein Anlass. Früher war nicht alles besser. "Wir haben uns die Vergangenheit mittlerweile nur schön gesoffen", sagt Oliver Kalkofe. US-Serien wie "24" oder "CSI" spornten auch hierzulande Filmemacher an, über eine neue Bildsprache nachzudenken und Dialoge kunstvoll zu verknappen. Heutige Regisseure und Schauspieler verstehen das Medium Fernsehen oft besser als ihre Vorläufer in den Siebzigerjahren, die noch in Kategorien des Kinos oder Theaters dachten.

Hohes Niveau: Deutsche Filmstudenten frech & wagemutig

Dies gilt in noch stärkerem Maße für den Nachwuchs. "Wir haben in Ludwigsburg Bewerber, die mit 19 Jahren bereits vier, fünf Jahre Erfahrung mit Schnittprogrammen auf ihrem Computer zu Hause gesammelt haben", sagt Produzent Nico Hofmann, der als Professor an der Filmakademie Baden-Württemberg unterrichtet. "Das Niveau, das Bewerber bei den Aufnahmeprüfungen vorlegen, ist hoch. Studenten sind frech und sehr wagemutig, was die erzählerische Haltung angeht."

Auch Ulrich Spies vom Grimme-Institut diagnostiziert einen Quantensprung im Fernsehen, was die Technik betrifft. Schnitt, Sounddesign und Bildqualität hätten sich gegenüber den Zeiten der Edgar-Wallace-Filme extrem verbessert. Für den Experten liegt das Problem eher darin, dass die Perlen im Programm auf entlegenen Sendeplätzen versteckt und immer schwieriger zu finden seien.

Aber genau dafür gibt es ja Zeitschriften wie TV SPIELFILM.

Frank Aures/Rainer Unruh