Diesen Schauspieler habe ich vorher noch nie gesehen, und diesen sehr bekannten noch nie so. Das denkt man bei Dominik-Graf-Filmen öfter - und hat als Zuschauer seinen Spaß dabei. So wie in Grafs neuem wunderbaren Starnberg-Krimi "Die reichen Leichen", in dem Hannes Jaenicke eine tragende Rolle spielt.

Grafs Kalkül: Durch Jaenicke, der schauspielerisch eher als Leichtmatrose gilt, ist der Zuschauer voreingestellt. Wenn so jemand dann völlig aus der Rolle fällt - wie, wollen wir nicht verraten -, dann folgen wir der Handlung mit größerem Interesse.

Graf liebt dieses Spiel mit der Erwartungshaltung.
Ein Schauspieler mit einer Vita voller anspruchsloser "Broterwerb"-Filme hat oft Schwierigkeiten, für anspruchsvollere Filme besetzt zu werden. Graf hat kein Problem damit: "Es beeindruckt mich überhaupt nicht, wie ein Schauspieler öffentlich gesehen wird oder welche Richtung seine Karriere genommen hat, wenn ich weiß, was er kann."
Bei ihm bekommt auch eine Soapdarstellerin wie Karolina Lodyga die Gelegenheit zu zeigen, wie eindrucksvoll sie eine Gangsterbraut spielen kann, so zu sehen in "Im Angesicht des Verbrechens".

Einen freundlichen Publikumsliebling wie Ulrich Noethen ("Das Sams") erlebt man so auf einmal als dämonisches Arschloch (in "Das unsichtbare Mädchen") - und wundert sich, dass der das so gut kann.

Neue Gesichter besetzen

"Ich finde es wichtig, dass in unserer Branche neue Gesichter eine Chance bekommen", sagt Graf. "Dass man nicht immer dieselben Leute sieht im Programm, denn das trocknet den ganzen Betrieb zu sehr aus."
In den "Leichen" spielt daher die weitestgehend unbekannte Annina Hellenthal die Hauptrolle - und ist mitreißend, die geringe Fernseherfahrung lässt sie nicht unsicher, sondern nur besonders frisch wirken.

Wie kommt man an solche Talente? "Annina Hellenthal stand schon zwei Jahre vorher unter Beobachtung", sagt Graf, dem sie bereits als Schauspielschülerin nahegebracht worden war. In diesem Fall vom "Leichen"- Autor Sathyan Ramesh, aber natürlich greift auch Dominik Graf auf die Szenekenntnisse einer Castingagentur zurück.

Dabei setzt er auf Kontinuität. Mit Casterin Ann Dorthe Braker, längst auch eine Freundin, arbeitet der Regisseur schon seit zwanzig Jahren zusammen. "Das ist so ein alchemistischer Prozess. Da wirft man in stundenlangen Dialogen Namen in den Raum, und die müssen sich irgendwie verbinden. Es reicht ja nicht, dass ein Schauspieler zur Rolle passt, die Figuren müssen auch zueinander richtig und stimmig sein."

Hat er keine Probleme mit den Besetzungsvorgaben der Sender, unter denen viele Regisseure leiden? "Ja, das höre ich ehrlich gesagt auch oft. Ich habe das allerdings noch nicht erlebt. Man sollte seinen Besetzungsplan früh auf den Tisch legen, damit man noch genügend Zeit hat, sich darüber auseinanderzusetzen. Und wenn ein Redakteur Zweifel an einem Schauspieler hat, muss man die Zeit und die Geduld aufbringen, das zu klären."

F. I. Aures

Die reichen Leichen
SA 18.10. BR 20.15 Uhr

Polizeiruf 110: Smoke on the Water
SO 19.10. ARD 20.15 Uhr