"Lerchenberg" hätte man dem ZDF nicht zugetraut. Die Satire über den Alltag in der Zentrale des Zweiten, die sich der Sender zum 50. Geburtstag gönnte, strotzte vor schwarzem Humor und Selbstironie. Begriffe, die einem zum Programm des Senders früher selten einfielen. Früher.

Mittlerweile laufen auch kantigste ZDFneo-Formate wie Böhmermanns "Neo Magazin" oder die Polit-Sitcom "Eichwald, MdB" ganz selbstverständlich im großen ZDF, und die "Lanz"-Sommerpause wird fast komplett mit schlauem Spaß gefüllt. ZDF-Comedychef Stephan Denzer will die Humorschiene weiter ausbauen. Unter anderem mit einer Sitcom über Wutbürger.
TV SPIELFILM: Stecken Sie hinter der Spaß-Offensive des ZDF?

STEPHAN DENZER Ich bin Teamleiter für Kabarett und Comedyformate, der Onkel Lustig vom ZDF. Und als solcher sicher daran beteiligt, der Urheber bin ich nicht. Das ist eine unternehmenspolitische Entscheidung.

Ging die Spaßwende 2009 mit der "heute-show" los?

STEPHAN DENZER Davor war schon die "Anstalt" zwei Jahre sehr erfolgreich. Dann kam "Pelzig" ins ZDF, "Vier sind das Volk"... Wir haben uns immer wieder Innovationen in der Comedy erlaubt.

Die Widerstände im Sender gegen Innovationen sollen immens sein. Wie verteidigen Sie Ihre neuen Projekte?

STEPHAN DENZER Es ist so, dass ich für meine Ideen sehr brenne, ich kann da nicht immer ganz objektiv sein. Da ist es auch gut, wenn mal einer mit einem gewissen Widerstand sagt: Du verrennst dich. Zusammen ist das zielführend.

Wie arbeiten Sie? Lassen Sie Ihren Teams freie Hand?

STEPHAN DENZER Die neuen Projekte betreue ich intensiv. Und wenn sie nach einem halben Jahr laufen gelernt haben, ziehe ich mich raus.

Der Humor der neuen ZDF-Formate ist oft erstaunlich spitz. Wollen Sie Grenzen austesten?

STEPHAN DENZER Klar. Wenn man Satire machen will, die nicht nur harmlos ist, muss man wissen, wo die Grenzen sind und da auch hingehen. Dazu gehört eine gewisse Schärfe und auch ein Stück Frechheit. Aber vor allem Haltung.

Formate wie die "heute-show" oder "Die Anstalt" nehmen Politiker und Institutionen oft hart ran. Wie sind die Reaktionen?

STEPHAN DENZER Die Reaktionen halten sich zum Glück im Rahmen, und/oder sie landen nicht immer bei uns. Wir nehmen begründete Kritik durchaus ernst, können aber keine Satire machen, die keinem wehtut.

Haben Sie sich über das Drehverbot für die "heute-show" im Bundestag gefreut?

STEPHAN DENZER Solche Dinge passieren. Ich freue mich vor allem über erfolgreiche Sendungen. Aber wir wollen die Leute klug zum Lachen bringen. Ich kann für einen öffentlich-rechtlichen Sender nicht einfach Comedy um der Comedy willen machen. Wir müssen Humor mit Public Value bieten.

Und das machen Sie nun mit Sitcoms. Erst "... und dann noch Paula" und nun "Ellerbeck".

STEPHAN DENZER "Ellerbeck" greift ein politisches Phänomen auf, das der Wutbürger. Die Leute, die sich gegen Stuttgart 21 oder den Ausbau des Frankfurter Flughafens engagieren. Wir zeigen realitätsnah ein Stück Lokalpolitik.

Trifft nach langen Comedyjahren die Satire wieder den Zeitgeist?

STEPHAN DENZER Ich denke ja. In den 90ern hatten wir die große Spaßgesellschaft, man wollte das Leben leicht nehmen. Aber irgendwann hat man gemerkt, dass es auch so etwas wie Werte gibt, Dinge, die man wichtig nehmen muss. 9/11 hat die Welt verändert. Reines Amüsement ist nicht mehr zeitgemäß.

Hilft es bei der Arbeit, dass Sie früher selbst Kabarettist waren?

STEPHAN DENZER Das hilft sehr. Ich war kein besonders guter Kabarettist. Was ich da gemacht habe, lief immer nebenbei als Hobby und hat nie die Qualität erreicht, die ich jetzt von meinen Künstlern erwarte.

Sind Sitcoms schwieriger als andere Comedyformate?

STEPHAN DENZER Sitcom ist die Königsdisziplin, meine persönliche Leidenschaft. Es ist unfassbar schwer, die richtige Tonalität zu finden. Die meisten großen Sitcoms haben daher oft einige Anlaufzeit gebraucht.

So wie die "heute-show".

STEPHAN DENZER In den ersten Jahren waren wir jeden Samstagmorgen aufs Tiefste deprimiert. Es war bitter festzustellen, dass der Zuschauer so eine Sendung nicht beim ZDF erwartet und gefunden hat.

Aber jetzt behaupten wir uns auch gegen "Tatort"-Wiederholungen und RTL-Shows. Und die Quoten sind genial. Aber ich weiß, wie wichtig gute Rahmenbedingungen sind und ich weiß, wie lange man manchmal eine Nummer überarbeiten muss, bis sie richtig gut ist.

Läuft die "heute-show" jetzt allein?

STEPHAN DENZER Ich bin nur noch in die inhaltliche Abnahme involviert und stelle die großen Weichen mit.

Frank I. Aures

Die Lars Reichow-Show
DI 21.7. ZDF 23.15 Uhr

Kessler ist...
DO 23.7. ZDF 23.15 Uhr

Ellerbeck
FR 24.7. ZDF 22.30 Uhr