Ein Hauch von Hollywood weht über Cannes. Auf der Terrasse des imposanten Belle-Époque-Hotels Majestic stehen die Tische dicht an dicht. Der Geräuschpegel ist enorm, das Sprachengewirr babylonisch. Mitten im Getümmel, die Nickelbrille auf der Charakternase, sitzt Jean Reno lässig mit dem Rücken zum malerischen Sonnenuntergang über der Côte d'Azur, nippt an einem Glas Rotwein und sieht sehr, sehr zufrieden aus.

Frankreichs größter Star neben Gérard Depardieu und Oscar-Gewinner Jean Dujardin hat heute ein Projekt vorgestellt, das die Branche entzückt. Als Elitepolizist Joachim "Jo" Legrand, von allen nur "Le Grand" genannt, wird er erstmals in seiner Karriere für eine TV-Serie vor der Kamera stehen.

"Fernsehen ist in den letzten Jahren ein echter Konkurrent fürs Kino geworden", sagt Reno. "Es hat Geld, um gute Bücher schreiben zu lassen, es kann ausführlich spannende Geschichten erzählen, und es ist international."

Recht hat er. Die achtteilige Krimiserie "Le Grand" wird von dem Kanadier Rene Balcer verantwortet, der schon die US-Serie "Law & Order - Criminal Intent" zum Erfolg führte, vom französischen Branchenriesen Lagardère produziert und von SevenOneMedia, Hauptsitz München-Unterföhring, international vermarktet.

Keiner schafft's allein

Damit ist "Le Grand" typisch für die Entwicklung eines Marktes, in dem Großprojekte inzwischen meist länderübergreifend produziert werden. Einer der wenigen Kanäle, der millionenschwere Programme noch allein finanzieren kann, ist der US-Sender HBO. Weltweit rund 85 Millionen Abonnenten in über 50 Ländern und Eigenproduktionen, die in mehr als 150 Ländern lizenziert werden, machen die Produzenten unabhängig.

Alle anderen müssen kooperieren, wenn sie so aufwendige Serien von internationalem Format auf den Schirm bringen wollen wie die zehnteilige Serie "Copper", die in Cannes präsentiert wurde. Im Mittelpunkt der in düsteren Bildern gehaltenen Geschichte steht Kriegsheimkehrer Kevin Corcoran (Tom Weston-Jones), der 1863 ins New Yorker Viertel Five Points zurückkommt.

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Franka Potente dreht viel in den USA

In Zeiten des ausgehenden Bürgerkriegs eskalieren im Brennpunktviertel die sozialen Spannungen zwischen Einwanderergruppen und Großbürgertum. Genau dort begegnet Corcoran der raffinierten Bordellbesitzerin Eva Heissen (Franka Potente).

Spiel(en) ohne Grenzen

Der in München lebende Jan Mojto ("Borgia") ist einer der Co-Produzenten und hält die "Copper"-Rechte für Zentraleuropa (ohne Skandinavien, Großbritannien), durch deren Verkauf er seinen Anteil an der 30-Millionen-Dollar-Produktion refinanzieren will. In Deutschland ist sein Wunschpartner das ZDF, mit dem er schon für die zweite Staffel "Borgia" im Wort ist, die derzeit in Prag gedreht wird.

Doch nicht nur die Finanzierung solcher Serienprojekte ist international, auch der Cast ist bunt gemischt. "Die Globalisierung spiegelt sich auch in unserer Branche wider", sagt Franka Potente. "Klar gehen die typisch amerikanischen Rollen eher an die Einheimischen, aber es wäre eben auch wenig sinnvoll, eine deutsche Einwanderin von einer Schauspielerin aus den USA oder Kanada spielen zu lassen."

Und so finden immer mehr Deutsche Rollen in internationalen TV-Produktionen. Überraschend: Es sind nicht die Stars wie Veronica Ferres oder Maria Furtwängler, die in Italien, Frankreich oder den USA angesagt sind, sondern Schauspieler, die schlicht durch ihre Arbeit überzeugen.

Susanne Sturm