Eine Großstadtsilhouette, von schwarzen Gerüstbalken durchstoßen, blitzende Lightshow und Sirenengeheul wie aus einem US-Actionkracher - hier soll klar sein: Das ist keine Kleinkunst, was jetzt kommt, ist großes Kino! "Blackout" heißt das zweistündige Programm - am 1. November bei RTL -, das Michael Mittermeier bei seinem Tourneegastspiel im Deutschen Theater in München aufzeichnete.
Ein bewusster Schritt für den komödiantischen Entertainer, der nach den großen Arenashows nun die Musicaltheater zu schätzen weiß, die er während seiner Engagements in Amerika, England und Südafrika kennengelernt hat. "Die haben eine gute Energie", sagt er und vergleicht seine Show mit einer Broadway-Produktion, "nur ein bisschen schmutziger und toller."

Die Rückkehr nach München muss für den Oberbayern ein Heimspiel gewesen sein. "So ist es nun auch nicht", sagt der globalisierte Komödiant. "Aber klar, wenn du schon einmal auf dem englischen oder amerikanischen Markt gespielt hast, dann ist das hier ein bisschen wie im Comedy-Sozialhilfeland. Da draußen, auf freier Wildbahn, geht es jedenfalls anders zu."

Die Showerfahrung in Übersee hat ihn selbstbewusster gemacht. Als bajuwarischer Dark Knight teilt er in "Blackout" jedenfalls ordentlich aus: Es geht um alkoholische und politische Filmrisse, um Sexmessen, betrunkene Engländer, peinliche Ausfälle auf der Betriebsfeier, den Kollektivblackout Oktoberfest - und man lernt einiges über die Herstellung von Leberkäse. Das ist meist witzig, manchmal schlüpfrig und zuweilen geschmacklos. Mittermeier lotet in seinem Mix aus Stand-up und Kabarett aus, wo beim deutschen Publikum die Grenze zwischen Amüsiertheit und Empörung verläuft.

Ist der liebe Michl böser geworden? "Ach, in Deutschland wird wahnsinnig viel nachgedacht und hinterfragt, ist da Sex drin und Politik? Hey, das ist der Normal­zustand der weltweiten Stand-up-Comedy, die hier leider noch nicht angekommen ist."

Seine Programme seien nur ein Abbild dessen, was wirklich passiere, sagt der mittlerweile 48-Jährige, der auf der Bühne immer noch wie ein Teenager rüberkommt, der Eltern provoziert. "Wenn einer damit ein Problem hat, soll er zu einem anderen Kollegen gehen, der ihm die Tageszeitung vorliest. Dann kann er sich da langweilen."

Kollegialität unter Comedians hört sich anders an. Man könnte meinen, Michael Mittermeier benutzt das Klischee des kontrollierten, humorlosen Deutschen nicht nur für seine Gags, sondern hat es selbst verinnerlicht - und widerlegt es zugleich, wenn er sagt: "Für die Engländer ist ein deutscher Comedian an sich schon ein Paradoxon - und ein lustiger deutscher Comedian wie ein russischer Menschenrechtsausschuss."

Waffen für die Kurden - lustige Geschichte

Mittermeier, der einst im Vorprogramm von U2 erstmals Comedy als Rock 'n' Roll auf die große Bühne brachte, ist stolz auf sein Schaffen. Zu Recht: Mit Programmen wie "Paranoid" gelangt ihm in den 1990er-Jahren vor Zehntausenden der Spagat zwischen dunklem Politkabarett und derben Späßen.

Und wie bringt man heute die Leute zum Lachen, wo Schreckensmeldungen von IS-Terror und Ebola-Epidemie die Nachrichten bestimmen? Nur noch mit Trivialem? "Ich mache eine Nummer, da geht es um Waffen für die Kurden und Ministerin von der Leyen. Eine absolut lustige Geschichte, die zugleich die Absurdität von Kriegen zeigt."

Der Michl akzeptiert keine Sperrzone für seinen verbalen Sprengstoff. "Allerdings, wenn es ein diffiziles Thema ist, bitte nichts Billiges." Die hierzulande ebenso allgegenwärtige wie spaßhemmende Political Correctness fordert ihn dagegen nur noch mehr heraus. "Ich werde viel beschimpft für Dinge, die für mich gute Satire und gerechtfertigt sind", sagt der bekennende Grünen-Wähler. Unlängst hat er die Partei Alternative für Deutschland (AfD) in einer TV-Talkshow öffentlichkeitswirksam umbenannt: "Ich finde, der beste Name für die AfD ist Arschlochkinder für Deutschland."

Äußerungen wie "substanzloser Krawall" und die Frage nach "Wie weit darf Satire gehen?" zählten noch zu den schmeichelhaftesten Reaktionen der Empörung. Den Comedian ficht das nicht an. "Ich brauche einfach keine Leute, die Angst verbreiten, die keine Einwanderung wollen und die meinen, Europa und die EU seien das Übel."

Mittermeier will Grenzen überwinden, macht auf Veranstaltungen unter dem Titel "Comedy ohne Grenzen" gemeinsame Sache mit Kollegen aus Russland, Frankreich, Irland und Italien. Humor ist für ihn universal. Eine Nummer aus "Blackout", wo er in bayerischen Lederhosen auf sein erstes Punkkonzert mit den Toten Hosen geht, war in Schottland ein Riesenerfolg.

Dass Witzbolde heute zu Tausenden auf YouTube die ganze Welt bespaßen, ist für die Rampensau Mittermeier allerdings ein zwiespältiges Phänomen der Globalisierung. Er will den Onlinekanal nicht verteufeln, aber "einer, der nicht lustig ist, wird mit YouTube nicht lustiger; sondern du siehst nur einen Unlustigen, der sich wichtig macht. Aber das ist im Fern­sehen genauso".

Heiko Schulze

Michael Mittermeier live! Blackout
SA 1.11. RTL 22.15 Uhr