Die Strippe ist inzwischen unsichtbar, dennoch fungiert das Telefon auch im Handyzeitalter als emotionale Nabelschnur. Mehr denn je sogar: Laut einer Studie der Uni Bonn zückt der Durchschnittsdeutsche 88-mal am Tag sein Smartphone.

Was wäre, wenn unser nacktes Leben von einer sicheren Verbindung abhinge? Oder wenn Gevatter Tod unsere Nummer erfahren würde? Es wäre der Auftakt eines Telefonthrillers. Ein altes Genre, das aber erst jetzt, in der Ära des Dauerquasselns, sein Potenzial entfaltet.

"The Call" von 2013 ist ein Paradebeispiel: In der Notrufzentrale von L. A. geht Polizistin Halle Berry ran, und am anderen Ende wimmert eine junge Frau, die per Handy aus dem Kofferraum eines Irren anruft. Der Reißer erinnert an "Nicht auflegen!" von 2002, in dem ein Scharfschütze Colin Farrell nicht mehr aus einer Telefonzelle lässt, und an "Final Call" (2004) mit Kim Basinger, die über ein demoliertes Telefon Hilfe ruft.
Die Story für beide Hits lieferte B-Film-Veteran Larry Cohen - der seine "Telefontrilogie" 2009 leider mit dem wirren Skript zu "Messages Deleted" abschloss (Matthew Lillard erhält Anrufe von Mordopfern).

Aufregender sind "Connected", das Hongkong-Remake von "Final Call", oder die Noir-Perle "Du lebst noch 105 Minuten" von 1948: Barbara Stanwyck hört mit, wie zwei Männer einen Mord planen - an ihr. In Hitchcocks "Bei Anruf Mord" ist das Telefon 1954 Nebensache, in "Die Rückkehr des Dr. Phibes" (72) und "Tod aus dem Telefon" (80) dafür selbst Mordwaffe.

Im Charles-Bronson-Krimi "Telefon" (77) werden hypnotisierte Killer per Anruf aktiviert, und in "Nightmare on Elm Street" (84) kommt Kultgespenst Freddy Krueger durch die Leitung. Gruselig. Vielleicht sollte man einfach wieder mehr Briefe schreiben?

R. Kruse

The Call
MO 2.11. ZDF 22.15 Uhr