Kiepenheuer & Witsch

Die Buchvorlage: "Die letzte Flucht" von Wolfgang Schorlau

Sieben Kriminalromane in zehn Jahren hat Wolfgang Schorlau geschrieben; dazu eine Biografie über den Jazzpianisten Wolfgang Dauner, einen Roman über Freundschaft und ein Sachbuch zum Thema Stuttgart 21 herausgegeben, das Argumente gegen die Tieferlegung des Bahnhofs versammelt.

Alle Werke, vor allem aber die Krimireihe um den Privatdetektiv und ehemaligen Zielfahnder Georg Dengler, zeichnet aus, dass Schorlau, Jahrgang 1951, akri­bisch recherchiert und gesellschaftlich brisante Themen anfasst, vom Oktoberfest-Attentat über das undurchsichtige Geschäft mit dem Trinkwasser bis hin zu den Machenschaften der Pharma-Industrie im Krimi "Die letzte Flucht", den das ZDF nun als Auftakt einer potenziellen Thriller­reihe von Lars Kraume ("KDD") mit Ronald Zehrfeld in der Titelrolle verfilmen ließ.

Im achten Dengler-Roman, der im Oktober erscheint, wird es um den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) gehen, dazu wurde der Schriftsteller im Februar sogar als Zeuge vor den NSU-Untersuchungsausschuss geladen. Weil keiner sich mit einer Materie so auskennt wie Schorlau, wenn er sich erst einmal hineingefuchst hat.

TV SPIELFILM Zwölf Jahre nach Start der Dengler-Buchreihe nun die erste Verfilmung. Warum erst jetzt?

WOLFGANG SCHORLAU
Das frage ich mich auch, eigentlich skandalös. (lacht) Schon seit dem ersten Buch waren viele Fernsehproduzenten bei mir vorstellig, aber alle haben immer irgendwann gesagt: Ui, dafür finden wir nie einen Sender.

Warum nicht?

WOLFGANG SCHORLAU
Zu politisch, ganz einfach. Ich hatte mich schon fast damit abgefunden, dass nichts draus wird.

Warum geht''s nun mit dem sechsten Krimi los?

WOLFGANG SCHORLAU
Das war der Wunsch des Produzenten und des ZDF, die meinten, das sei ein Thema, was jeden einzelnen Zuschauer unmittelbar betrifft. Beim Gesundheitswesen sind wir alle darauf angewiesen, dass es funktioniert, das geht uns ja alle an, von unserem ersten bis zum letzten Atemzug.

Im Buch heißt es: "Ich schrieb diesen Roman, um zu verstehen, wie das Gesundheitswesen funktioniert. Nun weiß ich es. Ich stehe immer noch unter Schock." Wie viel Realität ent­halten Ihre Geschichten?

WOLFGANG SCHORLAU
Man kann sich immer darauf verlassen, dass das, was Dengler ermittelt, auch stimmt. Aber ich habe keine Hemmungen, die Lücken mit Fiktion zu schließen.

Inwieweit waren Sie in die Verfilmung involviert?

WOLFGANG SCHORLAU
Bei Lars Kraumes Drehbuch habe ich schon mitgesprochen, wir haben uns beraten. Aber meine Funktion ist eher, dass ich die Integrität meiner Figuren schütze.

Wann wäre die bedroht?

WOLFGANG SCHORLAU
Wenn die Filme nicht mehr der Art der Dengler-Krimis entsprechen, dass nämlich der Stoff selber eine eigene und kritische Geschichte erzählt. Sobald das verloren ginge, würde ich sofort das Interesse verlieren.
Sie schreiben auch im Buch: "Für mich ist jeder Georg-Dengler-Roman eine aufregende Reise in ein unbekanntes Land." Was ist dann die Verfilmung für Sie?

WOLFGANG SCHORLAU
Das Spannende ist: Wie erzählt jemand aus diesem Land, das ich kenne, mit einem anderen Blickwinkel? Man musste Änderungen vornehmen, zum Beispiel bei der Exposition der Figuren, die ja schon im ersten Roman "Die blaue Liste" eingeführt wurden. Aber damit bin ich sehr zufrieden, da hatte Lars Kraume ein gutes Händchen.

Bei Birgit Minichmayr als Hackerin Olga, muss man ein bisschen an Stieg Larssons Antiheldin Lisbeth Salander denken...

WOLFGANG SCHORLAU
(schmunzelt) Da muss ich mit Verlaub sagen, dass meine Olga älter ist. Salander ist eine tolle Figur, aber Olga gab''s schon vorher.

ZDF

Dengler lässt sich von Hackerin Olga (Birgit Minichmayr) helfen

Ihren Helden Dengler kennen Sie am besten. Aber meinen Sie nicht auch, dass Ronald Zehrfeld mit 37 Jahren im Vergleich zur Romanfigur etwas zu jung ist?

WOLFGANG SCHORLAU
Ja, wobei der Dengler im Film vielleicht ungefähr so alt ist wie der im ersten Roman, das ist ja über zehn Jahre her. Ich finde das auch gut, weil wir mit dem Schauspieler ja noch eine Strecke gehen wollen, wenn alles klappt. Und mir gefällt, dass Zehrfeld ihn so körperlich spielt.

Kommt er denn Ihrer eigenen Vorstellung von Dengler nahe?

WOLFGANG SCHORLAU
Ich habe Dengler explizit nie beschrieben, allenfalls das, was er trägt, aber nie, wie er aussieht. Deshalb hat auch jeder Leser einen anderen Dengler vor Augen. Tatsächlich habe ich absichtlich vermieden, ihn zu beschreiben.

Und das wurde auch nie verlangt, von Verlag oder Lektorat?

WOLFGANG SCHORLAU
(grinst) Erstaunlicherweise nicht, nein.

Wissen Sie schon, welches Buch als nächstes verfilmt wird?

WOLFGANG SCHORLAU
Ja, "Der zwölfte Tag".

...der siebte Dengler-Krimi, mit dem Thema Massentierhaltung. Was muss ein Thema haben, damit es als Romanstoff trägt?

WOLFGANG SCHORLAU
Es muss zwei Jahre später noch so aktuell sein, dass jemand ein Buch darüber lesen will. Und es muss mich selbst auch zwei Jahre lang interessieren.

Und wenn es doch nicht weiter gehen sollte mit den TV-Filmen?

WOLFGANG SCHORLAU
Je mehr ich übers Fernsehen lerne, desto klarer wird mir, dass ich von diesem Geschäft keine Ahnung habe. Was ich weiß: Der Film ist gut geworden. Und wenn das ZDF die Reihe absetzen sollte, kann ich sagen, schade, und weiter meine Bücher schreiben.

Im nächsten Dengler-Kriminalroman geht es um den NSU?

WOLFGANG SCHORLAU
Ja. Das ist der größte Kriminalfall in der Geschichte Deutschlands, der hat alle Zutaten für einen großen Stoff.

Volker Bleeck

Dengler - Die letzte Flucht
MO, 20.4., ZDF, 20:15 Uhr