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Die über Leichen gehen

Horror-Serie: The Walking Dead

Untote erobern den Mainstream. Mit "The Walking Dead" gibt es jetzt eine Zombieserie. Doch die Comicadaption will kein Horror sein

Zombiefilme haben eine besondere Spezies von Kinogängern hervorgebracht. Sie johlen, wenn Gehirn spritzt. Sie applaudieren, wenn Köpfe rollen. Sie kreischen vor Vergnügen, wenn die Gedärme freiliegen. Und sie sollten um "The Walking Dead" einen großen Bogen machen.

Denn die Adaption einer Comicreihe von Robert Kirkman ist nur auf den ersten Blick ein handelsüblicher Zombiestreifen. Das macht bereits der Titel klar, schließlich sind mit den Walking Dead keinesfalls die Untoten gemeint, sondern die überlebenden Menschen, die sich in ihrer Mitte bewegen.

Allen voran Sheriff Rick Grimes (Andrew Lincoln). Im Dienst angeschossen, fällt er ins Koma. Als er nach Wochen im Krankenhaus wieder erwacht, findet er neben sich vertrocknete Blumen - und nirgends eine Schwester, die auf sein Läuten reagiert. Die Flure sind verwüstet, aus der verbarrikadierten Kantine dringen unheimliche Laute, und auf dem Hof türmen sich Leichen. Was passiert ist, erfährt Rick erst, als er vor seinem leerstehenden Haus von einem Jungen mit der Schaufel niedergestreckt wird.
Duane und sein Vater Lennie erklären ihm, dass ein unbekannter Virus, der durch Beißen oder Kratzen übertragen wird, die Menschen zu lebenden Leichen werden lässt, die durch die Straßen schlurfen und nach Fleisch dürsten. Anders gesagt: die Filmfantasien von George A. Romero sind Wirklichkeit geworden.

Dass die Untoten den Old-School-Zombies aus "Night of the Living Dead" nachempfunden sind, hat seinen Grund: Frank Darabont ist bekennender Fan. Denn der Regisseur von anspruchsvollen Stoffen wie "The Green Mile" hat seit Jugendtagen ein Faible für das Genre. Oder wie er es in Interviews gern formuliert: "Ich trage das Zombie-Gen in mir".
Und dieses Gen ließ ihn hellhörig werden, als er Robert Kirkmans "Walking Dead" in einem kalifornischen Comicbuchladen entdeckte. Sofort erkannte Darabont das Potential für eine TV-Serie und sicherte sich die Rechte. Bis er sie realisieren konnte, zogen allerdings fünf Jahre ins Land. Kein Sender wollte sie haben - bis AMC kam.

Der Kabelkanal hatte sich mit "Mad Men" und "Breaking Bad" zur ersten Adresse für ungewöhnliche Serienkonzepte gemausert - und schnappte zu. Schließlich waren Zombies wieder in, und Darabont und Kirkman hatten einen interessanten Dreh. "Die besten Zombiefilme sind für mich nicht die Splatterorgien voller Blut und Gewalt", schreibt Robert Kirkman im Vorwort seines Comics. "Gute Zombiefilme lassen uns unseren Platz in der Gesellschaft hinterfragen."

Und genau das ist der Grund, warum der Stoff als Serie funktioniert. Weder geht es darum, die Ursache der Zombieinvasion zu erklären, noch darum, einem Zombie nach dem anderen den Kopf abzureißen. "Ich konzentriere mich auf die menschlichen und psychologischen Aspekte der Geschichte", sagt Frank Darabont. Entsprechend reduziert ist das Erzähltempo.

In der Anfangsphase wirkt die Serie außerdem fast still wie ein Stummfilm, im weiteren Verlauf geht es mehr um die seelischen Konflikte der Überlebenden als um die Konfrontation mit den Untoten. Wie man in einer Zeit des völligen Chaos ziviles Verhalten bewahrt, wird eine der zentralen Fragen sein, der sich die Protagonisten stellen müssen.

Aber auch der Zuschauer wird zum Denken herausgefordert. Menschheitsprobleme wie Ressourcenverknappung und globale Erwärmung lassen sich problemlos auf die Serie projizieren. Und so hat man in den USA auch viel Vertrauen in "The Walking Dead". Bevor auch nur eine Folge gelaufen ist (sie startet dort an Halloween) wurde bereits eine zweite Staffel bestellt.

Spätestens danach wird sich zeigen, ob Zombies auch in elegischer Inszenierung attraktiv sind, oder ob man aufgrund von Quotendruck am Blut- und Gewaltrad drehen muss. Schließlich hat Kirkman im Comic ein ehrgeiziges Ziel formuliert: "'The Walking Dead' wird der Zombie-Film werden, der nie zu Ende geht."

R. Meyer