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Guter Whiskey, schöne Frauen

Die 60er-Show

TV News - Mad Men
Endlich im deutschen Free TV: "Mad Men" Universal Pictures Germany

Zigaretten, Drinks, Spitzen-BHs. Die Serie "Mad Men" über den Alltag von Werbern im New York der 60er ist großes TV. Und so unkorrekt-cool, dass sie auf ZDF neo läuft (Mad Men, MI, 6.10., 2neo, 22.30 Uhr)

Gesucht: Gewitzte Werbetexter mit Talent zur Kundenmanipulation. Leistungen: Eckbüro, limitierte Cocktails und Vorrecht auf alle Sekretärinnen. Raucher willkommen. Moral zweitrangig. Gesunder Sexualtrieb ein Muss."

Mit dieser Anzeige für die fiktive
Werbeagentur Sterling Cooper ging der US-Sender AMC auf Zuschauerfang für seine Serie "Mad Men". So wurden seit den 20er-Jahren die Reklamemacher aus der New Yorker Madison Avenue, damals das Herz der Werbebranche, bezeichnet: durchgeknallte Typen, mad men. Mit dem Siegeszug des Fernsehens begann für sie das Goldene Zeitalter. Von 1950 bis 1963 verdoppelte sich der Umsatz der Industrie auf 13 Milliarden Dollar.

In dieser Hochphase hat Matthew Weiner seine Serie angesiedelt, die sich nicht nur als Chronik einer Branche versteht, sondern als Sittenbild der Gesellschaft. Und die definierte sich durch feste Rollen: Schwarze waren Menschen zweiter Klasse, Juden wurden gemie­den, und Frauen gehörten an den Herd. Ansichten, die Kreativdirektor Don Draper (Jon Hamm), Nachwuchskraft Pete Campbell (Vincent Kartheiser) und Firmenchef Roger Sterling (Lee Slattery) schockierend unverblümt an den Tag legen.

Rockstars ihrer Zeit

Dabei galt die Werbeindustrie der 60er als Fortschrittsmotor in der Arbeitswelt. Hier bekamen Frauen Jobs, die übers Stenografieren hinaus-gingen. Eine Entwicklung, die an der "Mad Men"-Firma allerdings spurlos vorübergeht.

"Sterling Cooper sind Dinosaurier",
erklärt Autor Weiner. Werber im Rohzustand sozusagen, politisch ganz und gar unkorrekt, aber ideal fürs Fernsehen. So wird ein kreativer Geistesblitz von Sekretärin Peggy (Elisabeth Moss) etwa mit dem Satz quittiert: "Es war, als würde man einem Hund beim Klavierspielen zusehen."

Doch schnell wird klar, dass der alltägliche Sexismus und Rassismus auch als Schutz dient, um eigene Unzulänglichkeiten vor anderen - und sich selbst - zu verbergen. Einer der Werber ist schwul, ein anderer wird von seiner Familie verachtet, ein dritter hat seine Vita frei erfunden. Und so kommt es in der Serie schnell zu Konfrontationen und Enthüllungen, die eines Douglas-Sirk-Melodrams würdig wären. Dass die Zeitreise so perfekt gelingt, ist Serien-erfinder Weiner zu verdanken - einem detailverliebten Kontrollfreak, der von den Kleidern bis zum Schriftsatz der Dokumente alles auf historische Genauigkeit überprüft und auch mal Darstellerinnen ablehnt, weil es damals keine aufgespritz­ten Lippen gab.

Vor allem aber sorgt er dafür, dass sein Personal Kette raucht, komasäuft und cholesterinhaltig frisst. "Die Werber waren die Rockstars ihrer Zeit: kreativ, arrogant und antiautoritär. Sie machten viel Geld und lebten, als gäbe es kein Morgen", weiß Weiner. Die Statistik gibt ihm recht. Wurde im Jahr 196o der Durchschnittsamerikaner noch 67,2 Jahre alt, starb der typische Werbeagentur-Angestellte mit 60. Nur Gebrauchtwagenhändler lebten kürzer.

Ein Szenario, das leicht zur Karikatur verkommt. Doch Weiner und die Schauspieler nehmen die Figuren zu ernst, als dass ein Abziehbild der Zeit entstehen könnte. Nicht ohne Grund gilt "Mad Men" als das Beste, was das US-TV zurzeit zu bieten hat, wurde dreimal in Folge mit dem Golden Globe und dem Emmy als beste dramatische Serie prämiert - und führte in den USA zu einem Revival der Sixties.

Allerdings sind nicht alle begeistert. Einige Werber der Ära fühlen sich durch die Serie auf den Schlips getreten und beteuern, das Rumgehure und Gesaufe hätten nie existiert. Aber das dürfte den Selbstbetrug der "Mad Men" nur bestätigen. Zumindest einer von ihnen, der spätere Buchautor Jerry Della Femina, gibt zu: ",Mad Men‘ zeigt genau das, was damals abging: das Rauchen, die Vorurteile, die Scheinheiligkeit."

Rüdiger Meyer