Lange sah es so aus, als ob Christopher Nolans Kriegsspektakel "Dunkirk" der klare Favorit für den "Besten Film" wäre. Doch mittlerweile hat "Dunkirk" unter den Oscar-Experten Federn gelassen und gewichtige Konkurrenz bekommen. Da wäre erstens Greta Gerwigs ("Frances Ha") zeitgeistiges Frauenporträt "Lady Bird", frisch gekürt als Beste Komödie bei den Golden Globes. Bei den Globes hat auch das vielschichtige Rachedrama "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri" an Oscar-Boost gewonnen, mit Preisen für das beste Drama, das Drehbuch, Hauptdarstellerin (Frances McDormand) und Nebendarsteller (Sam Rockwell). "Dunkirk" ging übrigens völlig leer aus.
"Lady Bird" hat seinen Favoritenstatus aber auch schon wieder eingebüßt. Neben "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri" sind jetzt "Shape of Water" vom Golden-Globe-gekürten Regisseur Guillermo del Toro und der Überraschungshit "Get Out!" die Favoriten.
Call me by your Name
Die überragend fotografierte Coming-of-Age-Geschichte über einen 17-Jährigen (Timothée Chalamet) der sich im Italien-Urlaub in einen 24-Jährigen Studenten (Armi Hammer) verliebt, war der Hit beim Indie Filmfestival Sundance. Fast jedes Jahr kommt mindestens ein Sundance-Liebling bei den Oscar-Nominierungen durch (z.B. "Boyhood", "Whiplash"), dieses Jahr war es die Romanze von Luca Guadagnino ("A Bigger Splash").
Die dunkelste Stunde
Winston Churchill bringt Großbritannien mit Blut, Schweiß und Tränen durch den Zweiten Weltkrieg. Der Historienfilm von Joe Wright ("Abbitte") punktet vor allem mit Hauptdarsteller Gary Oldman und dem grandiosen Make-Up, das den dürren Waliser überzeugend in Bulldogge Churchill verwandelt. Klassisches Oscar-Material, fast schon zu offensichtliches Oscar-Baiting .
Dunkirk
"Inception"-Regisseur Christopher Nolan lässt die Sci-fi-Gedankenspiele hinter sich und wendet sich der harten Realität zu: Mit großer Akribie rekonstruiert er die Evakuierung britischer Soldaten vom Strand von Dünnkirchen während des Zweiten Weltkrieges. Nolan zeigt uns den Horror des Krieges nicht aus der Distanz des Feldherrenhügels, sondern konsequent von unten, aus der Sicht von einfachen Soldaten und Zivilisten, auf drei eigenwillig ineinander verschlungenen Zeitebenen.
Get Out!
Ein Überraschungshit, der in den in Rassenfragen wie schon lange nicht mehr gespaltenen USA genau zur richtigen Zeit kam einen Nerv traf. Der Komiker und Regisseur Jordan Peele drehte mit seinem Film über einen Afroamerikaner, der bei den reichen Eltern seiner weißen Freundin in die Hölle gerät eine virtuose Mischung zwischen Horrorthriller und Rassismus-Satire.
Lady Bird
Das autobiografisch angehauchte Regiedebüt von Hipster-Queen Greta Gerwig (Frances Ha") über eine junge Schauspielerin (Saoirse Ronan) wird schon als das weibliche "Boyhood" gefeiert, als die definitive Coming-of-Age-Geschichte einer jungen Frau der Gegenwart.
Der seidene Faden
Shape of Water
Stumme Putzfrau (Sally Hawkins) verliebt sich in einen Amphibienmann, der in einem Hochsicherheitslabor der US-Regierung gefangen gehalten wird. Das moderne Märchen von Guillermo del Toro ("Pans Labyrinth") gewann in Venedig den Goldenen Löwen, ungewöhnlich für einen Fantasyfilm. del Toro gewann später u.a. den Golden Globe als bester Regisseur, "Shape of Water" führt mit 13 Nominierungen dieses Jahr das Feld an.
Three Billboards Outside Ebbing, Missouri
Frances McDormand ("Fargo") als Mutter eines ermordeten Mädchens auf einem eigenwilligen, kompromisslosen Rachefeldzug, bei dem die drei titelgebenden Werbetafeln eine zentrale Rolle spielen. Dem Dramatiker und Regisseur Martin McDonough gelang eine virtuose Gradwanderung zwischen einer schrägen, "coenesken", Komödie und einer Tragödie antiken Ausmaßes. Drehbuchpreis in Venedig und bestes Drama bei den Golden Globes.
Die Verlegerin
Steven Spielbergs Rekonstruktion der Veröffentlichung der Pentagon Papers über den Vietnamkrieg durch New York Times und Washington Post. Der Politthriller mit Meryl Streep und Tom Hanks ist eine deutliche Reaktion auf Donald Trumps Attacken auf die Presse. Mit nur zwei Nominierungen - neben dem besten Film noch für Hauptdarstellerin Streep - eine der Enttäuschungen im Oscar-Rennen.
Fazit