Dunkle Wolken am Horizont: Ein Unwetter zieht auf über dem Hamburger Museumshafen und der "Hoop op Welvaart", einem 126 Jahre alten Gaffelsegler. Doch Michael Bully Herbig und Günther Kaufmann sind Schlimmeres gewöhnt. Schon beim Dreh von "Wickie und die starken Männer", Herbigs Kinofilm zur legendären Zeichentrickserie, standen sie oft auf glitschigen Planken.

Kaufmann, früher Fassbinder-Schauspieler ("Berlin Alexanderplatz"), zog Anfang des Jahres ins RTL-Dschungelcamp. Unter Bullys Regie spielt er den Schrecklichen Sven, einen Piraten, der nicht davor zurückschreckt, Kinder zu entführen. Seine Markenzeichen: nackter Oberkörper und eine Stimme, dröhnend wie ein Schiffshorn.

Herr Kaufmann, stimmt es, dass Sie Bully richtiggehend nachgestellt haben, um an eine Rolle in "Wickie" zu kommen?

GÜNTHER KAUFMANN Das ist richtig. Ich wollte an Bully ran, wollte unbedingt was mit ihm machen, weil er genial ist auf seine Art. Das sieht man an seinen Filmen, und das wusste ich wie ein Hund, der einen fetten Knochen riecht. Als man mich anrief, zum "Wickie"-Casting nach Berlin zu kommen, hab ich zwar erst gefragt: Was soll ich da? Ich bin dunkelblond und nicht hellblond wie ein Wikinger. Aber natürlich bin ich hingefahren.

MICHAEL BULLY HERBIG Er hatte ein Gedicht vorbereitet. Fand ich eher ungewöhnlich, machte mich aber auch neugierig. Kennen Sie sein bayerisches Knödelgedicht?

Klingt recht unpassend für ein Wikinger-Casting.

HERBIG (grinst) Stimmt.
KAUFMANN "Ich will den Faxe spielen", sag ich. Er: "Kennst du die Figur?" Ich hab keine einzige "Wickie"-Folge gesehen und kannte den natürlich nicht. Ich wusste nur, dass er dick ist, vollgefressen und langsam im Denken. Doof, aber lieb. Da hat Bully gefragt: "Meinst du, dass man dir diese Naivität abkauft?"

HERBIG Günthers Auftritt war eine One-Man-Show. Über zwei, drei Minuten hat er dieses Ding ohne Punkt und Komma vorgetragen. Er spielte fantastisch, aber er passte überhaupt nicht als gutmütiger Faxe.

KAUFMANN Ich bin schon in der Tür, da höre ich Bully rufen: "Sag mal, kannst du richtig fies und böse sein?" "Ich denke schon", sag ich. Er: "Kennst du den Schrecklichen Sven?" Kannte ich natürlich auch nicht. Aber als sie mir ein Bild gezeigt haben, war auch mir sofort klar (brüllt): Das passt wie Arsch auf Eimer!

Günther Kaufmann hat, sagen wir's mal möglichst neutral, ein ausgesprochen lautes Organ. Wie haben Sie die Kinder auf diese Urgewalt vorbereitet?

HERBIG Wir haben sie sehr langsam und sensibel an den Schrecklichen Sven herangeführt. Von 600 Kindern, die sich beworben haben, blieben vier heiße Kandidaten übrig, die wollte ich mit dem Schrecklichen Sven konfrontieren. Ich habe die Jungs also vorgewarnt: Das ist der Günther, und jetzt wird's etwas laut.

KAUFMANN (brüllt begeistert) Die haben gezuckt!

HERBIG Wir hatten die Szene ausgesucht, in der sie das erste Mal aufeinandertreffen. Günther sollte Wickie packen und schütteln. Also natürlich nicht wild durchschütteln, aber schon mal näher rangehen, um zu sehen, wie die Kinder damit umgehen.

KAUFMANN Hab ich gemacht. (laut) Ich war furchteinflößend!

HERBIG Die anderen drei haben sich mächtig erschrocken, aber Jonas, unser Wickie, hat die Sache professionell durchgespielt, und als es vorbei war, hat er sich weggeschmissen vor Lachen. Da war klar, der Junge hat nicht nur Talent, er ist auch physisch und psychisch komplett in der Lage, das Ding durchzuziehen. Auch über 40 Drehtage hinweg.

Eine alte Regel besagt: Arbeite nie mit Kindern oder Tieren. Haben Sie bereut, dass Sie sich nicht dran gehalten haben?
HERBIG Für mich war das komplettes Neuland. Ich habe zwar keine eigenen, aber ich mag Kinder ...

KAUFMANN (lacht dröhnend) Am liebsten gekocht ...

HERBIG ... aber während des Drehs
habe ich mir schon zwischendurch mal gedacht, dass es schön ist, sie abends wieder abgeben zu können.

Wie oft haben Sie abends verzweifelt in Ihr Kissen gebissen?

HERBIG Jeden Abend. Ich will nicht jammern, aber der ganze Drehplan war wie ein riesiges Stratego-Spiel. Es gab Szenen, da habe ich die eine Richtung auf dem Schiff am Walchensee gedreht und die andere vier Wochen später auf Malta. Wir haben ständig gestückelt und gepuzzelt und das nicht nur, weil die Kinder nur fünf Stunden pro Tag arbeiten durften. Das Verrückteste war, dass eines Abends der Regieassistent kam und tatsächlich den Satz sagte: "Der Ochse hat morgen einen Sperrtermin."

KAUFMANN (grinst) Der meinte aber diesmal nicht mich, sondern unseren echten Ochsen.

HERBIG Es war ein Filmochse, und der war eben genau für diesen Tag schon bei einer anderen Produktion gebucht.

Wie autoritär ist der Perfektionist Bully am Set?

KAUFMANN Sehr autoritär! Er ist freundlich. Ein sehr lieber Mensch. Aber nicht ungefährlich. Wenn jemand schlecht vorbereitet ist und deshalb den Dreh verzögert, gefriert ihm sein freundliches Lächeln. Er beißt sich fest wie ein Terrier, und dann haben Sie ein echtes Problem.

Es steckt also eine Menge Dieter Wedel in Bully?

KAUFMANN (lacht) Der Wedel ist sadistisch veranlagt. Bully nicht. Aber er ist von gnadenloser Härte. Weil ich alt genug bin und erfahren genug, wusste ich das vorher. Ich hatte ja schon einen, der mindestens so schwierig war - ich rede übrigens von Rainer Werner Fassbinder.

HERBIG (grinst) Schöner Vergleich.

Bully, wie begeistert waren Sie, als Sie hörten, dass Günther Kaufmann für RTL ins Dschungelcamp einzieht?

HERBIG Er hat es mir erst am letzten Drehtag zugeflüstert. Hätten Sie sich vorher nicht getraut?

KAUFMANN Nein.

HERBIG Letztendlich ist es seine Entscheidung, aber es ist sicher nachzuvollziehen, dass ich erst mal gefragt habe: Bist du dir sicher?

KAUFMANN Ich habe ihm erklärt: Ich habe Schulden, ich muss zahlen. Zahlst du meine Schulden? Und Bully sagte: "Günther, wenn ich gewusst hätte, dass du auf diesem Niveau arbeitest, dann hätte ich dich wahrscheinlich nicht besetzt."

HERBIG Du musst doch nicht immer alles ausplaudern.

KAUFMANN Ich will aber ehrlich sein.

Susanne Sturm