An Til Schweiger scheiden sich die Geister. Das Publikum liebt seine Filme, machte das Drama "Knockin' on Heaven's Door" (3,5 Millionen Zuschauer), das poetische Roadmovie "barfuss" (1,5 Millionen) und Komödien wie "Keinohrhasen", (6,3 Millionen), "Zweiohrküken" (4 Millionen) oder "Kokowääh" (4,3 Millionen) zu Blockbustern.

Das Feuilleton dagegen mäkelt. Zu flach seien Dialoge und Witze, und auch die Figuren hätten wenig Tiefgang. Sie nennen Schweiger, der in seinen Filmen stets eine Hauptrolle übernimmt, einen mittelmäßigen Schauspieler und als Regisseur einen Möchtegern-Tarantino. Dass selbst Gegner den Vergleich nicht im eigenen Land suchen, sondern in Hollywood, könnte Schweiger eigentlich als Kompliment sehen. Denn er orientiert sich in Erzählform und Machart an US-Erfolgen.

Mit seinem aktuellen Kinofilm "Schutzengel" wagt er den Ausflug ins Actiongenre, das klar von Hollywood dominiert wird. Wir sprachen mit ihm über den Film, seinen spontanen "Afghanistan-Einsatz" sowie Freunde und Feinde.

TV SPIELFILM: "Schutzengel" ist ein Actionfilm. Dieses Genre überlassen wir sonst gern Hollywood. Warum wolltest du ihn machen?

TIL SCHWEIGER Ich bin zur Filmförderung gegangen und habe denen gesagt: Wie "Knockin' on Heaven's Door" für die 90er-Jahre etwas Bahnbrechendes war, soll "Schutzengel" für dieses Jahrzehnt etwas Neues sein. Jedes andere Land hat diese Vielfalt an Filmen, nur wir Deutschen nicht. Das will ich ändern.
Der Film hat "nur" 7,4 Millionen Euro
gekostet, er sieht viel teurer aus...


TIL SCHWEIGER Greg Silverman, der Produktionschef von Warner Bros. USA, hat, nachdem er den Film gesehen hat, gesagt: "Sieht für mich wie ein 90-Millionen-Dollar-Film aus."

Stimmt es, dass du "Schutzengel" ursprünglich auf Englisch drehen wolltest?

TIL SCHWEIGER Das war von Anfang an der Plan, aber dann hätte ich weder die Hauptrolle spielen noch mit Luna arbeiten können. Und das wollte ich beides unbedingt. Also haben wir ihn erst mal für Deutschland gedreht. Im nächsten Jahr drehen wir "Keinohrhasen 3" und 2014 dann die internationale Fassung von "Schutzengel". Luna, deren Muttersprache Englisch ist, soll wieder dabei sein.

Wer in Hollywood darf denn Til Schweiger spielen?

TIL SCHWEIGER (lacht) Die Frage ist falsch gestellt, sie müsste heißen: Wen könnt ihr denn für diese Rolle bekommen? Leute wie Ben Affleck oder Leonardo DiCaprio stehen auf der Wunschliste jedes Produzenten auf der ganzen Welt und sind auf Jahre hinweg ausgebucht, da müssen schon tausend Glücksfälle zusammenkommen, damit man einen solchen Star kriegt.
Wie kam es dazu, dass du den Truppen in Afghanistan "Schutzengel" gezeigt hast?

TIL SCHWEIGERIch habe bei Dreharbeiten in Kanada einen Ex-Elitesoldaten kennengelernt, der früher beim britischen SAS war; dem habe ich 25 Minuten mitgegeben, als er mal wieder in London im Krankenhaus lag, um einen Knochensplitter fixieren zu lassen, der in seiner Lunge wandert. Diese 25 Minuten hat er im Militärkrankenhaus gezeigt, mich angerufen und gesagt: "Hier sind alle begeistert, Til, das musst du auch den Kameraden an der Front zeigen."

Nun kann man ja nicht mal so eben nach Afghanistan fliegen.

TIL SCHWEIGER Nee, das muss vorbereitet sein, und das Zeitfenster, das ich frei hatte, umfasste genau die nächsten zehn Tage. Aber wir hatten ziemlich schnell grünes Licht vom Verteidigungsministerium, das den Film natürlich vorab gesehen hatte, und drei Tage später ging's los.

Wie war's bei den Soldaten?

TIL SCHWEIGER Eine wahnsinnig intensive Erfahrung. Die vier Tage kann man nicht mit ein paar Worten beschreiben. Da sind junge Menschen an einem Ort, an dem sie täglich ihr Leben riskieren, was wir zu Hause aber kaum wahrnehmen und noch weniger wertschätzen. Völlig absurd war, dass ich am Abend nach der Rückkehr bei der Diva-Verleihung, wo ich einen Preis bekam, über den roten Teppich gehen und Fragen beantworten musste, die teilweise so nichtig und doof waren, dass ich mir wie im falschen Film vorkam. Wie muss es da erst einem Soldaten gehen, der nach vier Monaten Einsatz auf Urlaub nach Hause kommt?

Dein Mentor und Feund war Bernd Eichinger, der 2011 überraschend gestorben ist. Was hat dich mit ihm verbunden?

TIL SCHWEIGER Bernie fehlt mir eigentlich fast jeden Tag. Ihm hat man in Deutschland sein Leben lang die Anerkennung verweigert, aber er ist seinen Weg gegangen, unbeirrt und konsequent und auf eine Weise, wie es keiner von uns mehr hinkriegen wird. Vielleicht irgendwann der Matthias Schweighöfer. Aber was der Bernd abgezogen hat, schaffe ich nicht mehr. Trotzdem hat man ihm hierzulande den Respekt verweigert, das hat mich immer sehr wütend gemacht. Aber am meisten habe ich abgekotzt über die schwelgenden Nachrufe, von Leuten geschrieben, die ihn immer runtergemacht haben. Wie schauen die bloß in den Spiegel?

Was werden die Kritiker, die dir Oberflächlichkeit vorwerfen, zu "Schutzengel" sagen?

TIL SCHWEIGER Draufhauen, bis der Arzt kommt.

Wie gehst du damit um?

TIL SCHWEIGER Ich weiß ja, dass es kommt.Verhindern könnte ich's nur, wenn ich den Film nicht mache. (grinst) Das ist aber keine Option für mich.

Roland Emmerich nennen sie"Spielbergle", dich einen"Möchtegern-Tarantino". Das kann doch nicht an dir abprallen.

TIL SCHWEIGER Den Emmerich nennt keiner mehr so. Heute wollen diese Leute alle mit ihm aufs Foto. Als wir mit Quentin Tarantino in Berlin "Inglourious Basterds" drehten, hat er uns jeden Donnerstag zu Bier, Wein und Sandwiches eingeladen und einen seiner Lieblingsfilme gezeigt. Quentin sieht alles. Deutsche Filme, dänische, koreanische, alles. Er wollte unbedingt "Knockin'" zeigen, brauchte aber dazu eine Kinokopie mit englischen Untertiteln, damit Brad Pitt und all die anderen aus dem Team ihn auch verstehen konnten.

Hattet ihr eine?

TIL SCHWEIGER Wir haben eine Kopie in Taiwan aufgetrieben, bei der immer wieder mal ein paar Bilder fehlten, was ziemlich doof ruckelte. Egal. Quentin hat sich vor uns hingestellt und gesagt: "Von all den Filmen, in denen ich meinen Einfluss erkenne, ist das der Film, den ich am meisten liebe." Mal ehrlich. Was soll's mich kratzen, wenn mich einer "Möchtegern-Tarantino" nennt, wenn der Original-Tarantino meinen Film liebt?

Susanne Sturm