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Slalom-Weltcup: Neureuther vs. Hirscher

Ziemlich wilde Freunde

Exweltmeister Frank Wörndl über die besondere Beziehung der derzeit herausragenden Slalomläufer Marcel Hirscher und Felix Neureuther - und den Weltcup-Showdown im Januar mit fünf Rennen in nur 21 Tagen (SO, 26.1.)

Alles wie gehabt, hätte man nach dem ersten Lauf der Slalomsaison 2013/14 in Levi denken können. Da lag Österreichs Marcel Hirscher knapp vor seinem deutschen Dauerrivalen Felix Neureuther. Am Ende gewann der "Jahrhundertfahrer" (so Felix' Einschätzung, die ich teile) sein 19. Weltcup-Rennen, und Felix landete wegen eines spektakulären Fahrfehlers inklusive Überschlag auf Platz 27.

Mich hat das nicht weiter überrascht, weil unser bester Slalomläufer im Sommer wegen einer Verletzung nur wenig trainieren konnte - und nach eigenem Bekunden an jedem Tag die Wut im Bauch hat, an dem er außer Gefecht gesetzt ist. Entsprechend geladen ist er die Sache angegangen. Dass Marcel Hirscher dann einen Monat später in Val d'Isère nach einem groben Fehler erstmals seit März 2012 ein Slalomfinale verpasste und Felix wegen schmerzhafter Blessuren infolge eines Trainingssturzes nur Zehnter wurde, wirbelt die Hierarchie im Männerslalom zwar nicht nachhaltig durcheinander, aber aktuell liegt Hirschers Teamkol­lege Mario Matt (34) auf Platz eins der Disziplinwertung.
Allerdings hat die Saison gerade erst begonnen, und es spricht einiges dafür, dass der bevorstehende Slalom-Showdown im Januar mit seinen fünf Weltcup-Rennen innerhalb von nur drei Wochen dann doch eher im Zeichen von Marcel Hirscher und Felix Neureuther stehen wird. Wie übrigens schon in der vergangenen Saison (siehe unten).

Die Väter machen sie stark
Unglaublich wichtig für die sportliche und persönliche Entwicklung des 24-jährigen Österreichers und seines fünf Jahre älteren Herausforderers war und ist das familiäre Umfeld. Ferdinand Hirscher, Leiter der Skischule Annaberg, überlässt nichts dem Zufall. Er ist ruhig, akribisch und fraglos der wichtigste Bezugspunkt für Marcel. Nur als sein Sohn 13, 14 Jahre alt war, gab es mal eine Phase, in der die Trainer größeren Einfluss auf ihn hatten als der Vater. Aber das war Teil eines Abnabelungsprozesses, den es auch bei Felix gegeben hat. Heute wissen die beiden, was die hundertprozentige Unterstützung durch ihre Familien wert ist.

Als Felix 2011 bei der Heim-WM in Garmisch-Partenkirchen dem Erfolgsdruck nicht standhalten konnte, hat Vater Christian ihn sich danach geschnappt und ist mit ihm zum Tiefschneefahren. So hat er Felix geholfen, den Kopf wieder frei zu kriegen. Nur eine Woche später verpasste der Junior im bulgarischen Bansko seinen dritten Weltcup-Sieg in der Kombi (Super-G und Slalom) nur um eine Hundertstelsekunde. Christian Neureuther ist einfach enorm erfahren und kann sich sehr gut in Felix hineinversetzen.

In enger Absprache mit seinem Sohn war er auch für den Ausrüsterwechsel vor der Saison 2011/12 verantwortlich. Die Frage ist immer: Welche Firma passt am besten zu meinem Fahrstil? Christian Neureuther war schon als Aktiver ein begnadeter Tüftler. Als es im Weltcup mal nicht so gut lief, hat er seine Fritzmeier-Skier heimlich gegen die eines anderen Herstellers getauscht und umlackiert, um seinen Ausrüster nicht zu verärgern. Heute natürlich undenkbar, aber die Anekdote zeigt: Christian ist wirklich mit allen Wassern gewaschen!

Zwei, die sich mögen
Trotz aller Konkurrenz zwischen Marcel Hirscher und Felix Neureuther sind die beiden befreundet. Was in der Formel 1 - etwa zwischen Sebastian Vettel und Fernando Alonso - undenkbar wäre, hat in der Ski-alpin-Szene Tradition. Felix und Marcel fahren eben nicht direkt gegeneinander, sondern "nur" gegen die Uhr. Dass sich die beiden Slalom­stars privat schätzen, mag auch an ähnlichen Wertvorstellungen liegen: Sie sind bodenständig,
offen und frei von Allüren.

Eine weitere Gemeinsamkeit teilen sie mit allen, die in diesem Sport etwas erreichen wollen: Draufgängertum. Nur hatte bei der richtigen Dosierung dieser alpinen Tugend zuletzt Mario Matt die Nase vorn. 

Frank Wörndl