Naziwitze sind so alt wie die Nazis selbst. Charlie Chaplin hat seine Hitler-Parodie "Der große Diktator" 1940 gedreht. Trotzdem galt es noch bis ins 21. Jahrhundert als Tabubruch, Hitler und Nazis als Witzfiguren zu betrachten. Verharmlosung von Terror und Gewalt? Man schaut jedenfalls genauer hin, ob bei Helge Schneiders Performance in "Mein Führer", Dietrich Brüggemanns Neonazi­komödie "Heil" oder dem letztjährigen Kinohit "Er ist wieder da".

Welch humoristisches Potenzial das "böse" Thema birgt, zeigt jetzt die ZDF-Serie "Familie Braun", die gleich zu Beginn mit Hitlergruß und Hakenkreuz auftrumpft, um im wei­teren Verlauf eine höchst eigenständige Tonalität zwischen Humor und Ernsthaftigkeit anzunehmen.
Im Mittelpunkt der acht Folgen à sechs Minuten stehen Thomas und Kai, zwei Neonazis, gespielt von Edin Hasanovic und Vincent Krüger, die sich eine Wohnung teilen - bis eines Tages ein Mädchen bei ihnen einzieht. Nein, keine Beate Zschäpe, sondern Lara, sechs Jahre alt und schwarz.

Was wie ein schlechter Scherz klingt, ist für Nazi Thomas bittere Wahrheit, denn Lara ist seine Tochter, von deren Existenz er bis dahin nichts wusste. Wie das kleine Mädchen von da an die krude Weltanschauung ihres Vaters mit entwaffnender Arglosigkeit entlarvt, findet seinen Höhepunkt im Kostümfest der Schule, das Lara mit angeklebtem weißen Pflasterbärtchen besuchen will.

"Familie Braun" ist eine spritzige Satire auf Rechtsextremismus und Hitler-Kult, die sich mitunter ungeniert diverser Vorurteile bedient. Für die zuständige ZDF-Redakteurin Lucia Haslauer eine zulässige dramaturgische Zuspitzung. Dass der Neonazi von heute nicht unbedingt in Springerstiefeln daherkommt, ist den Machern jedenfalls bewusst. "Es gibt auf YouTube vegane Kochshows mit ­Nazis, die ausschauen wie Hipster. Erst wer genau hinsieht, kann ein paar Insignien entdecken - und sei es die deutsche Kartoffel", lacht Haslauer.

Entwickelt wurde die Serie von Manuel Meimberg (Buch), Uwe Urbas (Producer) und Maurice Hübner (Regie) in Zusammenarbeit mit dem ZDF-Versuchslabor Quantum, laut Haslauer ein "redaktioneller Schutzraum, wo man Ideen entwickeln kann, die an die Schmerzgrenze gehen". Letzter Quantum-Coup: die Comedyserie "Götter wie wir" (lief auf ZDF kultur), die 2013 die Schöpfungsgeschichte aufs Korn nahm. "Es gab Petitio­nen dagegen - und den Deutschen Fernsehpreis."

Mit der als Webserie angelegten "Familie Braun" will man jetzt über die In­tegration bekannter You­Tuber wie LeFloid und Frodo sowie die Präsentation auf verschiedenen Plattformen eine Zielgruppe erreichen, die den Öffentlich-Rechtlichen weggelaufen ist.

Im TV wird die Serie frei­tags in Doppelfolgen aus­gestrahlt, erster Sendetermin: nach der "heute-show". "Das adelt uns, hat aber auch eine große Fallhöhe, was den Zuschauerschnitt betrifft", sagt Haslauer.

Vielleicht gelingt Oliver Welke ja eine unterstützende Überleitung, ein Witz mit Bart.

Heiko Schulze

Familie Braun
ab FR 12.2. ZDF 23.00 Uhr