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Neue Rolle

Yvonne Catterfeld: Allein gegen alle

Yvonne Catterfeld will nicht mehr nur das niedliche Engelchen sein. Mit ihren Rollen in "Schatten der Gerechtigkeit" und "Der Vulkan" spielt sie gegen das alte Image an

Die Rebellion gegen ihr Hübsch-aber-nichtsdahinter-Image beginnt beim Händedruck. Da streckt sich einem kein zaghaftes Händchen entgegen. Yvonne Catterfeld drückt zu. Es ist wie ein Statement, so als wolle sie sagen, passt auf, ich bin ganz anders, als ihr denkt.
Und sie zeigt es auch: Im Sat.1-Thriller "Schatten der Gerechtigkeit" kann sie eine Seite ausleben, die keiner von ihr kennt. Sie spielt die toughe Polizistin Maria Teiss, die korrupte Bullen über die Klinge springen lässt und deshalb nicht sehr fein "Judas mit Titten" genannt wird.

Ihr Vorgesetzter macht ihr unmissverständlich klar, dass sie niemanden finden wird, der noch mit ihr arbeiten will. Derart zurechtgewiesen, guckt Yvonne Catterfeld zu Boden - nur im Film, versteht sich.

Die Typ-Korrektur funktioniert

Konfrontationen kennt die Sängerin und Schauspielerin. Über ihre erstes Treffen mit Hans-Günther Bücking, dem Regisseur des Sat.1-Films, sagt sie: "Er provozierte mich mit der Begrüßung: Bei dem Film ist Schluss mit Hübschsein." Aber genau das habe sie ja gesucht. Vor zwei Jahren beim Dreh von "U-900" wollte ihr Kollege Oliver Wnuk, der auch jetzt an ihrer Seite spielt, sogar aussteigen, als er von der Zusammenarbeit mit ihr erfuhr.

Anschließend habe er sein Vorurteil revidiert, wie Catterfeld ein bisschen stolz sagt. Übrigens: Wnuk und sie sind heute ein Paar. In "Schatten der Gerechtigkeit" funktioniert die Typ-Korrektur. Ohne schöne Kleider oder herausstechende Optik überzeugt Catterfeld als junge Gerechtigkeitsfanatikerin, der Regeln über alles gehen, macht dabei auch neben Filmpartner Richy Müller eine gute Figur und zeigt vor allem eins: Schauspieltalent.

Sie kann auch anders sein: radikal, kühl

Die zierliche Brünette, die nicht gerne über ihr Privatleben spricht, nahm die Rolle als Herausforderung. Sie wollte einen Frauentyp spielen, den keiner von ihr erwartet. "Ich kann kühl und radikal sein", überrascht Yvonne Catterfeld bei der Antwort auf die Frage, wie viel Maria Teiss in ihr steckt, und klingt damit so gar nicht nach dem lieben, blonden Mädchen, das der Zuschauer aus der Vorabendserie "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" kennt.

Auch überraschend: ihr Hang zum Understatement. Die Perfektionistin hat ihre Probleme damit, sich selbst auf die Schulter zu klopfen, und kommt über ein "Is okay" meist nicht hinaus. Vielleicht glaubt sie deshalb, dass man sie noch nicht als ernsthafte Schauspielerin akzeptiert.

"Ich weiß, was ich kann"

Ein Blick in ihre Vergangenheit zeigt, wie turbulent es in der Karriere der gebürtigen Erfurterin zuging. Weil sie abgearbeitet war und kaum noch Freizeit hatte, zog die Wahlberlinerin vor vier Jahren die Konsequenzen: Sie stieg bei "GZSZ" aus, trennte sich von ihrer Managerin - was sie nach jahrelangen Streitereien angeblich 450 000 Euro kostete - und wagte den Neubeginn.

Schiebt die blonde Yvonne 2003 in "Für Dich" noch devot die Regenwolken weiter, damit ihr Adressat den Sternenhimmel sehen kann, klingt die brünette Catterfeld 2007 energisch. "Ich nehm die Welt in meine Hand ... Ich weiß, was ich kann", singt sie auf ihrem Album "Aura" aus jenem Jahr. "Aura" lief nicht gut, und schon machte die Klatschpresse aus ihr einen gefallenen Pop-Engel.

Die Rolle als Romy - ein geplatzter Traum

Doch Yvonne Catterfeld ist kein Engel, sondern ein Stehaufmännchen. Sechs Monate stand sie im Studio und bringt noch dieses Jahr ein neues Album in die Läden. Auch schauspielerisch schreitet die Karriere der ehemaligen Vorabendserienschönheit voran. Seit der Telenovela "Sophie - Braut wider Willen" (2005) spielt sie nicht mehr in Seifenopern, ist bei den großen Privatsendern in Hauptrollen zu sehen und enterte auch schon die Kinoleinwand.

Der ganz große Fang schien gemacht, als ihr das Angebot ins Haus flattert, Romy Schneider im Kinofilm "Eine Frau wie Romy" zu spielen. Die Rolle wäre die Erfüllung eines Traumes, ihr Weg ins Charakterfach. Als sie den Zuschlag für den Part der Leinwandikone bekommt, rollen die Tränen. Tagelang hütet sie die Zusage wie einen geheimen Schatz, erzählt niemandem davon. Ende Juli diesen Jahres dann Yvonnes Absage des Kinoprojekts.

Die Finanzierung nicht gesichert, Co-Produzent Raymond Danon (drehte acht Filme mit der Filmdiva) abgesprungen, eine Konkurrenz-Romy fürs Fernsehen mit Jessica Schwarz in der Titelrolle (11. November in der ARD) - gute Gründe für die Schauspielerin, Abstand von ihrer Traumrolle zu nehmen. Dabei wollte Romy-Produzent Douglas Welbat unbedingt sie besetzen, weil er bei ihr nicht nur eine äußere Ähnlichkeit, sondern auch innere Parallelen zu der Sissi-Mimin Schneider erkennen will. Selbstzweifel nämlich.

Catterfeld im RTL-Eventmovie des Jahres: "Vulkan"

Es wäre eine Chance gewesen, zu zeigen, dass sie mehr kann, eine gute Gelegenheit, Zweifler zu überzeugen und ihr altes Image abzustreifen. Trösten mag sich die knapp 30-Jährige damit, dass sie im Oktober in einer Hauptrolle an der Seite von Größen wie Katja Riemann, Heiner Lauterbach und Armin Rohde zu sehen ist - im aufwendigsten RTL-Eventmovie des Jahres: "Vulkan". Ein solcher bricht in der Eifel aus, und die junge Wissenschaftlerin Catterfeld berät den Krisenstab in dieser Katastrophe. Um es vorsichtig zu sagen: Es ist nicht ihre Paraderolle, als Expertin geologische Fachfragen zu erörtern.

Im Winter zeigt Sat.1 die Romantikkomödie "Engel sucht Liebe", in der sich Max von Thun als Engel Uriel in Yvonne Catterfeld verliebt. Sie spielt die fast blinde Laura. Ob da schauspielerisch der Knoten platzt? Es braucht ein Weilchen, einen Imagewandel zu vollziehen.

Der Thriller "Schatten der Gerechtigkeit" ist ein guter Beweis dafür, dass es funktionieren kann. "Ich wollte die Rolle unbedingt spielen, weil ich an meine Wut und Aggression ranwollte", sagt Yvonne Catterfeld über die Figur der Polizistin Maria Teiss. Dann lächelt sie. Wieder so ein Zitat, das nicht zu einer Soap-Tussi passt, sondern zu einer Schauspielerin mit starkem Willen. Und festem Händedruck.

J. Minkus