Kommen sechs Superhelden ins Kino... Was wie der Auftakt zu einem schlechten Witz klingt, hat in Wirklichkeit eine beeindruckende Pointe. Eine 1,5 Milliarden Dollar schwere Pointe, um genau zu sein, denn so viel Geld hat das fulminante Superhelden-Action-abenteuer "Marvel's The Avengers" seit dem Start im Mai 2012 weltweit an den Kino-kassen eingespielt - und ist damit der erste Film der inzwischen zum Disney-Konzern gehörenden Marvel-Studios, der die magische Milliardenschranke überschreiten konnte.Gelungen ist das mit jahrelanger Vorarbeit und einer ganzen Menge Vertrauen, einem Mann ein Budget von über 220 Mio. Dollar in die Hände zu geben, der vorher überhaupt erst einen Kinofilm gedreht hatte - und keinen erfolgreichen, nebenbei bemerkt.

Joss Whedon, zu Beginn der "Avengers"-Dreharbeiten im April 2011 46 Jahre alt, plant gerne lang im Voraus. Das kennt der kreative Kopf hinter erfolgreichen US-Serien wie "Buffy" und "Angel" von seiner Arbeit fürs Fernsehen. Da laufen Handlungen gerne mal über eine ganze Staffel hinweg, Figuren entwickeln sich weiter, alles arbeitet auf ein bestimmtes Ziel hin. Doch die generalstabsmäßigen Planungen, die zu "Marvel's The Avengers" führten, stellen all das weit in den Schatten.
Casting für die Avengers

Im Jahr 2008 wurde die Actionverfilmung des Marvel-Comics "Iron Man" weltweit zu einem überraschenden Blockbustererfolg und verhalf Hauptdarsteller Robert Downey jr. zu einem ordentlichen Karriereboost. Einige Kinozuschauer werden sich vielleicht über eine kleine Szene ganz am Ende des Films gewundert haben, in der Downey jr. als Tony Stark/Iron Man von einem mysteriösen Mann namens Nick Fury, gespielt von Samuel L. Jackson, für eine Geheimorganisation rekrutiert werden sollte. Alles etwas kryptisch - nicht natürlich für Comicfans, die längst wissen, dass jener Fury Chef des Geheimdienstes S.H.I.E.L.D. ist, unter dem sich in den Marvel-Comicbüchern eben nicht nur Iron Man, sondern auch Captain America, Thor, Black Widow, Hawkey und der unglaubliche Hulk versammeln, als "Avengers", die Rächer.
Im Grunde begann damit so etwas wie die Castingphase für die Avengers. In "Iron Man 2" taucht erstmals Scarlett Johansson als Natasha Romanoff alias Black Widow auf, zudem findet S.H.I.E.L.D. in der Arktis einen Hammer, der natürlich Heldengott Thor gehört, wem sonst?

Am Ende von "Thor", der 2011 ins Kino kam, holt Nick Fury den Wissenschaftler Selvig ins Boot, der in "Marvel's The Avengers" eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Der Kinofilm "Captain America", ebenfalls 2011 gestartet, trägt schließlich nicht nur den Zusatztitel "The First Avenger", am Ende des Films landet der eigentlich im 2. Weltkrieg agierende Superheld im New York der Gegenwart, um ihn problemlos in das Universum der Superheldenkollegen zu integriren. Und am Ende beider Filme heißt es nach dem Abspann: "Thor/Captain America will return in The Avengers". Das gab es bislang nur bei James Bond.
"Die Tatsache, dass wir alle Superhelden zusammenbringen können, ist an sich schon ziemlich beeindruckend", meint Samuel L. Jackson dazu, der sich mit der Rolle des Nick Fury auch ein bisschen die Zukunft gesichert hat. Damit der Marvel-Plan funktionierte, mussten nämlich von vornherein alle Schauspieler über langfristige Verträge verpflichtet werden, teilweise für bis zu sechs Filme. Mit den Avengers wird es natürlich weiter gehen, und auch die anderen Superhelden treten wieder in eigenen Filmen gegen das Böse im Universum an. Selbst über Soloauftritte für die bislang noch nicht mit eigenen Filmreihen versehenen Hawkeye und Black Widow denkt man bei Marvel nach.

Zurück zum Fernsehen

Joss Whedon, geboren 1964 in New York, ist Fernsehmann in der dritten Generation. Schon sein Vater und Großvater schrieben für legendäre US-Serien wie "Leave it to Beaver" und die "Dick Cavett Show". Er selbst begann als Autor für die Sitcom "Roseanne", erfand später die Kultserien "Buffy - Im Bann der Dämonen", "Angel" und "Firefly". Irgendwann schrieb er auch für Hollywood, überarbeitete zum Beispiel das Drehbuch für den Actionhit "Speed", allerdings ungenannt. 1996 wurde Whedon als einer von sieben Drehbuchautoren für den Pixarfilm "Toy Story" für einen Oscar nominiert.

Und jetzt bringt ihn der Erfolg von "Marvel's The Avengers" tatsächlich auch noch zum Fernsehen zurück. Neben der von Whedon geschriebenen Kinofortsetzung im Jahr 2015 konzipiert er eine "S.H.I.E.L.D."-TV-Serie, die das US-Network ABC im nächsten Jahr ausstrahlt. Ob Iron Man wohl vorbeikommt?

Volker Bleeck