TV SPIELFILM: Du hast mal gesagt, dass du dich auf der Bühne fühlst, wie der beste Schauspieler der Welt...
LARS EIDINGER: Nein. Ich habe gesagt, ich BIN dann der beste Schauspieler der Welt. Aber ich spiele mit anderen Schauspielern zusammen für Publikum. Ich mache mich nicht unabhängig von meinen Kollegen.
Manche Schauspieler rasten bei Dreharbeiten aus, wenn etwas ihre Konzentration stört. Kannst du das verstehen?
Ja. Weil es man sehr paradoxe Dinge tun muss. Man muss sich auf der einen Seite öffnen und sensibel werden und andererseits seine Umgebung, alles andere um einen herum, ausblenden. Ich sehe beim Drehen ALLES. Ich versuche immer nicht allzu zickig rüberzukommen. Michael Caine sagt das auch, er sieht, wenn sich in einiger Entfernung einer am Kopf kratzt und bricht dann ab. Einige können sich das erlauben und bei manchen wirkt es einfach nur eitel und dumm. Aber ich kann die Beweggründe nachvollziehen.
Passieren dir auch solche Ausraster?
Nein. Dafür finde ich auf der anderen Seite zu sehr, dass Schauspieler überbewertet sind. Wer bin ich, dass ich sage: Ich kann meiner großen Kunst nicht nachgehen, weil ein anderer auch nur seine Arbeit macht? Es gibt eine Hierarchie beim Film, die ich grundsätzlich in Frage stellen würde: Schauspieler denken, es gehe nur um sie. Mir wäre es lieber, man trifft sich als Team und macht zusammen einen Film.
Ist dein Spiel emotional oder analytisch?
Im Vorfeld ist es analytisch, beim Dreh ist es technisch. Es ist Konzentration. Ich kann mich so konzentrieren, dass ich erlebe, was diese Figur in diesem Moment durchmacht. Dann habe ich tatsächlich keinen Draufblick mehr. Ich kann nicht entscheiden: So, jetzt kullert die Träne. Ich versuche mich einfach nur auf die Situation zu konzentrieren. Ich habe neulich ein Drehbuch angeboten bekommen. Draußen stand drauf, dass das die tatsächliche Geschichte des Autoren sei. Es ging um plötzlichen Kindstod. Da gibt es eine Szene, in der sie das tote Kind entdecken. Und das will ich nicht erleben, auch nicht in einem Film. Da habe ich meine Grenze. Ich kenne sonst wenige Grenzen, aber da habe ich gemerkt, dass Schluss ist.
Seit du Vater bist?
Wahrscheinlich. Aber auch aus der Erfahrung heraus, dass ich weiß, wie ich als Schauspieler funktioniere. Weil ich die Dinge, die ich spiele, tatsächlich erlebe. Über welche Methode auch immer.
Du hast geträumt, dass du dein Kind umgebracht hast. Macht dir das keine Angst? Es gibt Menschen, die tun so etwas wirklich.
Aber die träumen es nicht. Die träumen ganz andere Sachen. Ich bin jedenfalls weit davon entfernt, meine Tochter umzubringen. Ich empfinde es eher als heilsam, sich diesen Ängsten zu stellen. Ich glaube sogar, dass es zu vielen Problemen führt, wenn man das nicht tut. Ich bin auch wirklich glücklich darüber, so aggressiv und expressiv spielen zu können, wie ich es tue. Weil ich merke, wie mich das als Mensch ausgeglichen macht. Ich frage mich, wo die andern Leute ihre Aggressionen lassen. Es gehört zum Mensch sein dazu, dass man auch mal rumschreit.
Wie hast du die tolle Figur der transsexuellen Almandine Winter in "Polizeiruf 110: Der Tod macht Engel aus uns allen" entwickelt?
Ich habe ein transsexuelles Paar mit Kind angesprochen, das ich auf der Straße gesehen habe: Ob ich die mal besuchen und beobachten darf? Aber eigentlich war das bescheuert von mir. Ich habe das dann nicht gemacht. Ich habe mir einige Dokumentationen angesehen und festgestellt: Die Transsexuellen sind sehr unterschiedlich und individuell.
Sie eint nur der Wunsch ein anderes Geschlecht annehmen zu wollen?
Meine wichtigste Erkenntnis war, dass es ihnen gar nicht so sehr darum geht, eine Frau zu sein. Die stehen nicht einfach auf Frauenkleider, sie wollen einfach sie selbst werden. Ihr Körper deckt sich nicht mit ihrem inneren Gefühl. Und aus diesem Grund wollen sie eine Frau werden.
Schön, dass die Figur nicht so eine bunte, gut gelaunte Dragqueen geworden ist.
Es wäre einfacher gewesen, hätte mir jemand gesagt, spiel mal die Transe und gib Vollgas. Das wäre simpel. Das wäre dann aber nur eine Art Parodie auf einen Transsexuellen. Ich wollte die Figur aber changierend spielen. Es gibt Momente, in denen sie mehr Mann ist, es sollte nicht eindeutig in eine Richtung gehen. Sie sollte schwer greifbar sein.
Die Pinkelszene, in der sich Almandine hinter eine Hecke hockt, um zu urinieren, das war deine Idee?
Ja, das war einfach spontan. Ich musste gerade sowieso pinkeln und habe dem Regisseur vorgeschlagen, das mitzufilmen. Was er erfreulicherweise getan hat.
Auch wenn es spontan war - wie kommt man auf solche Ideen?
Es gibt so einen alten Spruch der Schauspielerin Helene Weigl: Hast du eine Idee, vergiss sie! Den verstehe ich und finde ihn nachvollziehbar. In dem Moment, in dem man nur originell sein möchte, kommt man auf solche Sachen nicht, aber wenn man immer in der Logik der Figur denkt, dann ist es eigentlich total zwingend, so etwas zu machen. Man denkt aber in dem Moment nicht darüber nach, dass das vielleicht ein tolles Bild ist, das es so noch nicht gegeben hat.
Aber bist du nicht manchmal mehr und manchmal weniger in der Konzentration?
Ich kenne mittlerweile viele Schauspieler um mich rum, die sind wie kleine Mädchen, denen zu früh oder zu oft gesagt wurde, dass sie süß sind. Und sich dann auf ihre Wirkung noch mal drauf setzen. Und das wird dann schnell unangenehm. Das löst sich irgendwann von der eigentlichen Idee des Schauspielens. Man sollte sich auf seine Rolle konzentrieren und nicht auf die eigene Wirkung. Das schafft eine ungute Distanz. Die wissen, dass gewisse Gesichter gut funktionieren, die können wahrscheinlich vorher eine mimische Choreografie aufzeichnen. So würde mir mein Beruf keinen Spaß machen. Auch diese Geschichte mit dem Tränenstift. Für mich schließt sich das aus...
Ein Tränenstift reizt die Augen und lässt den Schauspieler weinen.
Im Ablaufplan steht dann unter Spezialeffekte: Tränen. Das heißt, an diesem Drehtag muss jemand da sein, der dem Schauspieler hilft, zu weinen. Mir geht es aber darum, die Emotion zu erleben. Das ist für mich der Genuss. Wenn ich erlebe, wie diese Figur verzweifelt und traurig ist, dann profitiere ich davon als Mensch, weil ich das durchlebe und erfahre. Aber ich profitiere Null Komma Null davon, wenn mir einer vorher was in die Augen tut.
Die Bilder kommen aus der Situation und aus dem Bauch?
Ich habe beim Drehen einfach Spaß daran, auszureizen, was man zeigen kann. Bei "Du bist dran" putze ich in einer Szene die Toilette und meine Filmfrau kommt rein und wir reden. Das wollte ich gern. Weil ich im Film noch nie gesehen habe, wie einer ein Klo schrubbt. Das fand ich interessant. Das war sogar ein kleines Politikum. Ging bis in die Redaktion: Ist das ok, wenn er die Toilette putzt? Oder zu provokant? Wurde dann aber für gut gefunden.
Dass du mit dem Ausreizen durchaus provozierst, nimmt du aber gern in Kauf.
Auf der Schauspielschule haben sie immer gesagt, in dem Moment, in dem ein Kind oder ein Tier auf der Bühne ist, hat man als Schauspieler keine Chance. Die werden immer uninszeniert wirken. Und werden so immer eine höhere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Weil sie unberechenbar sind. Bei Schauspielern fühlt man sich sicherer als Zuschauer. Dadurch wird es aber auch unaufregend. Ich habe eigentlich schon immer den Ehrgeiz gehabt, so zu spielen wie ein Kind. So, dass man sich als Zuschauer nicht sicher fühlt.
LARS EIDINGER: Nein. Ich habe gesagt, ich BIN dann der beste Schauspieler der Welt. Aber ich spiele mit anderen Schauspielern zusammen für Publikum. Ich mache mich nicht unabhängig von meinen Kollegen.
Manche Schauspieler rasten bei Dreharbeiten aus, wenn etwas ihre Konzentration stört. Kannst du das verstehen?
Ja. Weil es man sehr paradoxe Dinge tun muss. Man muss sich auf der einen Seite öffnen und sensibel werden und andererseits seine Umgebung, alles andere um einen herum, ausblenden. Ich sehe beim Drehen ALLES. Ich versuche immer nicht allzu zickig rüberzukommen. Michael Caine sagt das auch, er sieht, wenn sich in einiger Entfernung einer am Kopf kratzt und bricht dann ab. Einige können sich das erlauben und bei manchen wirkt es einfach nur eitel und dumm. Aber ich kann die Beweggründe nachvollziehen.
Passieren dir auch solche Ausraster?
Nein. Dafür finde ich auf der anderen Seite zu sehr, dass Schauspieler überbewertet sind. Wer bin ich, dass ich sage: Ich kann meiner großen Kunst nicht nachgehen, weil ein anderer auch nur seine Arbeit macht? Es gibt eine Hierarchie beim Film, die ich grundsätzlich in Frage stellen würde: Schauspieler denken, es gehe nur um sie. Mir wäre es lieber, man trifft sich als Team und macht zusammen einen Film.
Ist dein Spiel emotional oder analytisch?
Im Vorfeld ist es analytisch, beim Dreh ist es technisch. Es ist Konzentration. Ich kann mich so konzentrieren, dass ich erlebe, was diese Figur in diesem Moment durchmacht. Dann habe ich tatsächlich keinen Draufblick mehr. Ich kann nicht entscheiden: So, jetzt kullert die Träne. Ich versuche mich einfach nur auf die Situation zu konzentrieren. Ich habe neulich ein Drehbuch angeboten bekommen. Draußen stand drauf, dass das die tatsächliche Geschichte des Autoren sei. Es ging um plötzlichen Kindstod. Da gibt es eine Szene, in der sie das tote Kind entdecken. Und das will ich nicht erleben, auch nicht in einem Film. Da habe ich meine Grenze. Ich kenne sonst wenige Grenzen, aber da habe ich gemerkt, dass Schluss ist.
Seit du Vater bist?
Wahrscheinlich. Aber auch aus der Erfahrung heraus, dass ich weiß, wie ich als Schauspieler funktioniere. Weil ich die Dinge, die ich spiele, tatsächlich erlebe. Über welche Methode auch immer.
Du hast geträumt, dass du dein Kind umgebracht hast. Macht dir das keine Angst? Es gibt Menschen, die tun so etwas wirklich.
Aber die träumen es nicht. Die träumen ganz andere Sachen. Ich bin jedenfalls weit davon entfernt, meine Tochter umzubringen. Ich empfinde es eher als heilsam, sich diesen Ängsten zu stellen. Ich glaube sogar, dass es zu vielen Problemen führt, wenn man das nicht tut. Ich bin auch wirklich glücklich darüber, so aggressiv und expressiv spielen zu können, wie ich es tue. Weil ich merke, wie mich das als Mensch ausgeglichen macht. Ich frage mich, wo die andern Leute ihre Aggressionen lassen. Es gehört zum Mensch sein dazu, dass man auch mal rumschreit.
Wie hast du die tolle Figur der transsexuellen Almandine Winter in "Polizeiruf 110: Der Tod macht Engel aus uns allen" entwickelt?
Ich habe ein transsexuelles Paar mit Kind angesprochen, das ich auf der Straße gesehen habe: Ob ich die mal besuchen und beobachten darf? Aber eigentlich war das bescheuert von mir. Ich habe das dann nicht gemacht. Ich habe mir einige Dokumentationen angesehen und festgestellt: Die Transsexuellen sind sehr unterschiedlich und individuell.
Sie eint nur der Wunsch ein anderes Geschlecht annehmen zu wollen?
Meine wichtigste Erkenntnis war, dass es ihnen gar nicht so sehr darum geht, eine Frau zu sein. Die stehen nicht einfach auf Frauenkleider, sie wollen einfach sie selbst werden. Ihr Körper deckt sich nicht mit ihrem inneren Gefühl. Und aus diesem Grund wollen sie eine Frau werden.
Schön, dass die Figur nicht so eine bunte, gut gelaunte Dragqueen geworden ist.
Es wäre einfacher gewesen, hätte mir jemand gesagt, spiel mal die Transe und gib Vollgas. Das wäre simpel. Das wäre dann aber nur eine Art Parodie auf einen Transsexuellen. Ich wollte die Figur aber changierend spielen. Es gibt Momente, in denen sie mehr Mann ist, es sollte nicht eindeutig in eine Richtung gehen. Sie sollte schwer greifbar sein.
Die Pinkelszene, in der sich Almandine hinter eine Hecke hockt, um zu urinieren, das war deine Idee?
Ja, das war einfach spontan. Ich musste gerade sowieso pinkeln und habe dem Regisseur vorgeschlagen, das mitzufilmen. Was er erfreulicherweise getan hat.
Auch wenn es spontan war - wie kommt man auf solche Ideen?
Es gibt so einen alten Spruch der Schauspielerin Helene Weigl: Hast du eine Idee, vergiss sie! Den verstehe ich und finde ihn nachvollziehbar. In dem Moment, in dem man nur originell sein möchte, kommt man auf solche Sachen nicht, aber wenn man immer in der Logik der Figur denkt, dann ist es eigentlich total zwingend, so etwas zu machen. Man denkt aber in dem Moment nicht darüber nach, dass das vielleicht ein tolles Bild ist, das es so noch nicht gegeben hat.
Aber bist du nicht manchmal mehr und manchmal weniger in der Konzentration?
Ich kenne mittlerweile viele Schauspieler um mich rum, die sind wie kleine Mädchen, denen zu früh oder zu oft gesagt wurde, dass sie süß sind. Und sich dann auf ihre Wirkung noch mal drauf setzen. Und das wird dann schnell unangenehm. Das löst sich irgendwann von der eigentlichen Idee des Schauspielens. Man sollte sich auf seine Rolle konzentrieren und nicht auf die eigene Wirkung. Das schafft eine ungute Distanz. Die wissen, dass gewisse Gesichter gut funktionieren, die können wahrscheinlich vorher eine mimische Choreografie aufzeichnen. So würde mir mein Beruf keinen Spaß machen. Auch diese Geschichte mit dem Tränenstift. Für mich schließt sich das aus...
Ein Tränenstift reizt die Augen und lässt den Schauspieler weinen.
Im Ablaufplan steht dann unter Spezialeffekte: Tränen. Das heißt, an diesem Drehtag muss jemand da sein, der dem Schauspieler hilft, zu weinen. Mir geht es aber darum, die Emotion zu erleben. Das ist für mich der Genuss. Wenn ich erlebe, wie diese Figur verzweifelt und traurig ist, dann profitiere ich davon als Mensch, weil ich das durchlebe und erfahre. Aber ich profitiere Null Komma Null davon, wenn mir einer vorher was in die Augen tut.
Die Bilder kommen aus der Situation und aus dem Bauch?
Ich habe beim Drehen einfach Spaß daran, auszureizen, was man zeigen kann. Bei "Du bist dran" putze ich in einer Szene die Toilette und meine Filmfrau kommt rein und wir reden. Das wollte ich gern. Weil ich im Film noch nie gesehen habe, wie einer ein Klo schrubbt. Das fand ich interessant. Das war sogar ein kleines Politikum. Ging bis in die Redaktion: Ist das ok, wenn er die Toilette putzt? Oder zu provokant? Wurde dann aber für gut gefunden.
Dass du mit dem Ausreizen durchaus provozierst, nimmt du aber gern in Kauf.
Auf der Schauspielschule haben sie immer gesagt, in dem Moment, in dem ein Kind oder ein Tier auf der Bühne ist, hat man als Schauspieler keine Chance. Die werden immer uninszeniert wirken. Und werden so immer eine höhere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Weil sie unberechenbar sind. Bei Schauspielern fühlt man sich sicherer als Zuschauer. Dadurch wird es aber auch unaufregend. Ich habe eigentlich schon immer den Ehrgeiz gehabt, so zu spielen wie ein Kind. So, dass man sich als Zuschauer nicht sicher fühlt.