Leverkusen und Dortmund - das sind die beiden verbliebenen deutschen Kandidaten, die dieses Jahr um die zweite Garde der europäischen Club-Trophäen mitspielen.

Während in Dortmund schon über den Viertelfinal-Gegner spekuliert werden kann (im Hinspiel kegelte der BVB die Tottenham Hotspurs mit 3:0 aus dem Stadion), rechnet man sich in der Werkstadt bei Weitem nicht so ein gesichertes Weiterkommen aus. Leverkusen verlor die Partie in der Provinz Castellón bei FC Villareal mit 0:2. Von dem Rückspiel in der BayArena wird man bei Sport1 allerdings außer der "Live-Analyse der frühen Abendspiele", wie es Sport1 nennt, nichts mitbekommen. Ein Umstand, der zumindest ärgerlich ist, ob eines Berichterstattungsmarathons, den es so im Sportsegment des deutschen Free-TV noch nicht gegeben hat.

Vorberichterstattung auf Sport1

Mehr ist mehr: Der neue Europa-League-Sender Sport1 stößt mit seiner Berichterstattung rund um ein einziges Livefußballspiel in neue Dimensionen vor. Zumindest zeitlich: Bespielte der bisherige Rechteinhaber ProSiebenSat.1 mit einer 21-Uhr-Begegnung zuletzt eine dreieinhalbstündige Sendefläche im Programm von Kabel eins, so werden es bei Sport1 ab dieser Saison mehr als sechs Stunden sein.

Um den Marathon mit Spielen der deutschen Europa-League-Teilnehmer Augsburg, Schalke, Dortmund und dem aus der Championsleague dazu gestoßenen Werksclub aus Leverkusen möglichst abwechslungsreich zu gestalten, heuerte Sport1 gleich drei ehemalige Nationalspieler als Experten an: Olaf Thon, Fredi Bobic - und Andreas Möller, mit dem wir vor Start der Euroleague über die Chancen der Bundesligavertreter und sein persönliches Sehverhalten gesprochen haben.

TV SPIELFILM: Der letzte Finalsieg einer deutschen Mannschaft stammt noch aus UEFA-Cup-Zeiten, liegt 18 Jahre zurück - welche Gründe würden Sie für die lange Durststrecke anführen?

ANDREAS MÖLLER: Nach Schalkes "Eurofightern" 1997 haben es deutsche Clubs schlicht und einfach nicht mehr geschafft, diesen Wettbewerb, der sportlich auf einem sehr hohen Niveau ausgetragen wird, zu gewinnen. Nicht nur in der Champions League, sondern auch in der Europa League sind ja immer sehr viele große Vereine, Traditionsvereine vertreten. Trotzdem wird es langsam Zeit, dass mal wieder eine deutsche Mannschaft diesen Titel gewinnt.

TV SPIELFILM: Augsburg, Schalke, Dortmund - was darf man von den deutschen Europa-League-Vertretern erwarten, Herr Möller?

ANDREAS MÖLLER: Eine ganze Menge! Die Chancen stehen auf jeden Fall gut, dass wir 2016 mal wieder einen Gewinner haben, der aus Deutschland kommt. Oder wenigstens einen Finalisten.

TV SPIELFILM: Was stimmt Sie so zuversichtlich? Wenn man mal auf die Trainer schaut: Weinzierl, Breitenreiter und Tuchel sind international allesamt unbeschriebene Blätter - das müsste die Chancen auf den ganz großen Coup doch schmälern, oder?

ANDREAS MÖLLER: Für Augsburg wird die Europa League sicher ein großes Experiment sein. Dennoch denke ich, dass man mit Euphorie und Leidenschaft in so einem Wettbewerb eine Menge erreichen kann. Für Schalke und Dortmund spricht die große internationale Erfahrung, beide haben in den vergangenen Jahren in der Champions League eine gute Rolle gespielt. Dass die Trainer auf internationalem Parkett nicht so bewandert sind, spielt da eher eine untergeordnete Rolle.

TV SPIELFILM: Die Gretchenfrage an den Ex-Schalker und Ex-Dortmunder Andi Möller darf an dieser Stelle natürlich nicht fehlen: Welchem Team trauen Sie mehr zu?

ANDREAS MÖLLER: (lacht) Ich freue mich auf beide Ruhrvereine - und, dass dieser Wettbewerb nicht zuletzt durch Dortmund und Schalke in diesem Jahr besonders attraktiv zu werden verspricht.

TV SPIELFILM: Wie halten Sie es persönlich mit Fußballübertragungen im TV: Nehmen Sie Vor- und Nachberichterstattung mit?

ANDREAS MÖLLER: Das kommt natürlich drauf an, wie das Ganze gemacht ist. Sicherlich bin ich da schon wählerisch. Es ist auch wichtig für mich, wer da als Experte mitwirkt. Ich achte sehr darauf, dass das Ganze nicht zu sehr aus der Comedian-Ecke kommt. Aber generell sind mir Vorberichte über den jeweiligen Verein wichtig: Wer sind die jeweiligen Protagonisten? Wer steckt hinter dem Verein? Wie ist die Philosophie des Trainers? Ich habe ja auch 20 Jahre gespielt und das verfolgt. Da ist es auch für mich interessant zu sehen, wie die Vereine heute dastehen. Wie sie sich entwickelt haben.

TV SPIELFILM: Jetzt wollen Sie uns sicher Namen nennen...

ANDREAS MÖLLER: (lacht) Mir persönlich bringt es einfach mehr, wenn da Fachleute sitzen. Natürlich ist Fußball auch Unterhaltung, aber ich denke, dass das Spiel selbst und auch taktische Feinheiten im Vordergrund stehen sollten. Und die können wahrscheinlich die Leute besser beurteilen, die aus dem Metier kommen.

TV SPIELFILM: Hintergrund meiner Frage zu ihren persönlichen Sehgewohnheiten ist natürlich, dass Sport1 inklusive Live-Spiel rund sechs Stunden auf Sendung ist - ab wann, würden Sie sagen: Das zeitliche Limit für ein einziges Live-Spiel ist erreicht?

ANDREAS MÖLLER: Der Fan hat Fußball nie satt! Er wird sich der Sache annehmen, davon bin ich überzeugt. Der freut sich auf die Vorberichte, auf die Einschätzungen, die Analysen. Und natürlich auf das jeweilige Spiel.

TV SPIELFILM: Wie wollen Sie Ihre neue Aufgabe als TV-Experte angehen?

ANDREAS MÖLLER: Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass Sport1 mich angesprochen hat. Dass ich für beide Ruhrvereine gespielt habe, war für den Sender wohl auch sehr attraktiv. Weil ich natürlich auch heute noch gewisse Einblicke habe und, klar: eine gewisse Sympathie für Schalke und Dortmund. Für mich ist es eine Herausforderung, den Zuschauern die Erfahrungen, die ich im Lauf meiner Karriere gesammelt habe, näher zu bringen.

TV SPIELFILM: Wie steht es eigentlich um Ihre beruflichen Ambitionen als Trainer? Zuletzt haben Sie Anfang 2014 unter ihrem ehemaligen Coach Bert Van Marwijk im HSV-Trainingslager in Doha hospitiert...

ANDREAS MÖLLER: Bekanntlich kann man im Fußball nie etwas ausschließen. Aber man muss da realistisch sein, und das bin ich auch: Ich gehe nicht mehr davon aus, dass das noch mal ein großes Thema für mich wird. Bei Bert van Marwijk hatte ich schon mal im Rahmen meiner Trainerausbildung hospitiert, und er hat mich angesprochen: Du, ich bin beim HSV, wie sieht es aus bei dir? Aber letztlich war Bert dann ja auch nicht mehr lange beim HSV und die Sache hatte sich auch für mich erledigt. Jetzt nehme ich die große Herausforderung an, mich als TV-Experte zu positionieren. Vielleicht ist das ja ausbaufähig... (lacht)

Frank Steinberg