.

Interview mit Silke Bodenbender

Die neue Leichtigkeit des Spiels

Silke Bodenbender muss niemandem mehr etwas beweisen - vielleicht wird sie deshalb immer besser. Im Interview mit TV SPIELFILM gibt sie offen Einblicke in ihre Arbeit.

Immer dann, wenn man denkt, die DDR sei auserzählt, kommt jemand mit einem neuen Aspekt um die Ecke. So wie Starautor Rolf Basedow ("Im Angesicht des Verbrechens"), der in "Lotte Jäger und das tote Mädchen" von der orgienhaft­besoffenen Jagdparty-­Welt der Parteioberen erzählt. Das begeisterte auch Silke Bodenbender so, dass sie die Hauptrolle in diesem besonderen Krimi übernahm, der mit einiger Wahrscheinlichkeit in eine Reihe mündet. Die Besetzung ist ideal - der entschleunigte Angang der Kommissarin scheint sich mit dem der Schauspielerin zu decken.
Trophäen der DDR-Obrigkeit
Sie spielen eine Kommissarin, die auch mal im Garten rumliegen kann. Ungewöhnlich.

Silke Bodenbender Lotte Jäger ist aus der aktuellen Mordermittlung ausgestiegen, ihr wurde das alles zu viel. Jetzt kümmert sie sich ausschließlich um ungelöste DDR-Mordfälle. Die haben nicht so eine Dringlichkeit.

Wie sich DDR-Bonzen bei Jagdgesellschaften gehen ließen - war ihnen das bekannt?

Silke Bodenbender Nein. Aber als ich das wunderbare Drehbuch von Rolf Basedow und Ralf Zöller gelesen hatte, wusste ich, das muss so gewesen sein. Ich kannte auch das Jagdschloss Hubertus­stock nicht, in dem wir gedreht haben, ob­ wohl es nur eine Stunde von Berlin entfernt ist. Darin gibt es ein altes Schwimmbecken voller Jagdtrophäen.

Also tatsächlich so wie im Film?

Silke Bodenbender Ja, die liegen da einfach so rum. Ich bin da durchgekrabbelt, man nimmt so ein Geweih, guckt hinten drauf: Oh, geschossen von Franz Josef Strauß. Oh, von Erich Mielke.

In der DDR wurden Morde angeblich zu hundert Prozent aufgeklärt. Glauben Sie das?

Silke Bodenbender Nein. Es gibt wirklich eine Mordkommission, die unserer ähnelt. Sie ermittelt allein in Brandenburg in 19 ungeklärten Fällen. Tatsächlich sind es aber bestimmt noch mehr.

Lotte Jäger geht ihren Job ruhig an. Wie macht Silke Bodenbender das?


Silke Bodenbender Ich bin entspannter geworden. Ich war viel­leicht zu perfektionistisch. Bei den ersten großen Filmen habe ich daher auch so gut wie keine Pressearbeit gemacht, weil ich meinte, noch gar nichts gezeigt zu haben. Ich dachte, dass ich mich erst mal in ganz vielen Rollen beweisen muss.

Und jetzt?

Silke Bodenbender Kann ich auch loslassen. Ich setze mich nicht mehr unter Druck, immer etwas Herausragendes erreichen zu müssen. Ich traue mich jetzt eher, Fehler zu machen und auch mal mit der Rollenauswahl danebenzuliegen.

Warum sind Sie entspannter?
Silke Bodenbender Ich bin natürlich älter geworden. Aber hauptsächlich liegt es an der Familie. Weil ich Mut­ter geworden bin (der Sohn ist sechs, die Tochter zwei). Ich habe jetzt eine andere Erdung. Früher bin ich in den Drehpausen nie nach Hause gefahren, sondern habe mich vor Ort eingeigelt. Das geht jetzt nicht mehr, aber das tut mir wirklich gut. Andere Sachen sind so viel wichtiger geworden.

Machen Sie jetzt tatsächlich mehr Fehler?

Silke Bodenbender Ich suche bei jedem Film, bei jeder Theater­vorstellung meine Fehler. Aber in meinen An­fängerjahren am Theater war gleich die ganze Aufführung für mich gelaufen, wenn ich zu Beginn auch nur das Gefühl hatte, nicht gut zu spielen. Dann habe ich dem Gedanken so lange nachgehangen, dass ich die nächsten Szenen wirklich nicht gut spielen konnte. Irgendwann hat ein Regisseur mich darauf aufmerksam gemacht: Du musst in jede Szene neu reingehen. Du musst im Hier und Jetzt bleiben. Das musste ich begreifen.

Sie haben jetzt das große Ganze im Blick?

Silke Bodenbender Ja. Auch die Projekte, von denen ich denke, dass sie nicht so gelungen sind, haben mir etwas gebracht: Ich habe tolle Menschen ken­nengelernt, Länder gesehen, Lebenserfahrung gesammelt.

Drängt es Sie, ihren Kindern die Filme zu zeigen, für die sie jetzt noch zu jung sind?


Silke Bodenbender Nein, das Gefühl habe ich nicht. Ich bin aber auch nicht so sehr mit Filmen und Fernsehen groß geworden. Ich habe das eher bei Büchern oder Hörspielen.

Was haben Sie in ihrer Kindheit in Königswinter statt fernsehen getan?

Silke Bodenbender Ich habe viel im Wald gespielt. Meine Mutter ist oft mit mir ins Theater gegangen. Das hat mich sehr geprägt. Ich bin auf die Schauspielschule in München gegangen mit dem Willen, ausschließlich Theater zu spielen.

Was am Schauspielern ist ungesund?

Silke Bodenbender Gar nichts. Man muss allerdings ein gesun­des Innenleben haben, um auch brüchige Rollen spielen zu können, ohne sich zu verlieren. Und man hat natürlich auch eine Verantwortung für seinen Körper.

Was meinen Sie? Man sollte Sport treiben?

Silke Bodenbender Früher habe ich immer dafür gekämpft, alle Stunts selbst machen zu dürfen. Ich habe auch am Theater extrem körperlich gespielt. Ich habe jede Verletzung in Kauf genommen. Weil mir das so wichtig war. Und jetzt merke ich eine Verantwortung, mir selbst gegen­über, meiner Familie gegenüber, der Film­crew gegenüber. Ich muss nicht mehr unbe­dingt überall runterspringen.

Können Sie aus ihren Rollen eigentlich etwas fürs Privatleben lernen?

Silke Bodenbender Eher von den Geschichten. Ich suche mir aber auch meistens Rollen aus, die weit von meinem Privatleben entfernt sind. Deswegen spiele ich oft in so schweren Filmen. In leich­ten, fröhlichen Rollen habe ich meistens das Gefühl, ich spiele mich selbst - und das reizt mich nicht.

Frank Aures