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So unrealistisch sind Flugzeugabstürze im Film

Denzel Washington, Flight (2012)
Denzel Washington, "Flight" (2012)

Flugzeugkatastrophen werden oft fern jeder Realität dargestellt - Diese Filme halten dem Realitätscheck einer Pilotin nicht stand.

Du machst gerne Urlaub, aber der Weg zum fernen Zielort bereitet dir Schweißausbrüche? Wenn's im Flugzeug wackelt, rechnest du jederzeit mit einem abbrechenden Flügel oder einer fetten Explosion? Du glaubst, der Copilot könnte den Flieger ohne "den Piloten" nicht landen? Weil du das in einem Film gesehen hast? Keine (übertriebene) Angst: In den meisten Filmen werden Flugzeugabstürze völlig unrealistisch dargestellt.

Zunächst ein paar Hard Facts:

1. In der Fliegerei gilt die Reihenfolge "aviate, navigate, communicate".
Aviate: Dies bedeutet, dass das Wichtigste die Kontrolle über das Fluggerät ist. Tritt ein Notfall auf, soll das Fliegen als solches im Vordergrund stehen. Alles weitere wird hinten angestellt, bis sich die Zeit dafür findet.
Navigate: Ist die Kontrolle über das Flugzeug gewährleistet, orientiert man sich im Raum. Denn nur wer selbst ein klares Bild von der Situation hat, kann es auch weitergeben.
Communicate: Erst jetzt wird der Kontakt mit den Lotsen aufgenommen. Lage und Vorhaben werden geschildert. Ein Pilot, der als erste Aktion "Mayday" ruft, so wie im letzten Film der Liste, handelt also unprofessionell.

2. In den Medien heißt es oft "der Pilot landete das Flugzeug sicher" oder "der Pilot entschied sich für eine Notlandung" etc. Tatsächlich gibt es auf Linienflügen jedoch stets mindestens zwei Piloten, von denen beide vollwertig ausgebildet sind und fliegen können. Auch ein Copilot (ein anderes Wort für den Ersten Offizier) ist ein ganz normaler Pilot. Was die beiden unterscheidet, ist, dass der Kapitän, der links sitzt, die finalen Entscheidungen an Bord trifft und für diese auch verantwortlich ist. Der Prozess bis dorthin findet jedoch im Team statt. Wenn einer der beiden Flugzeugführern ausfällt, gibt es also noch lange keinen Grund zur Panik.

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Im Filmausschnitt ist zu sehen, wie "die Bösen" offenbar die Kontrolle über den Funkverkehr gewonnen haben, ohne dass die betroffenen Piloten etwas gemerkt haben. Der Anführer weist seine Komplizen an, ein Flugzeug mit möglichst wenig Restkraftstoff herauszusuchen, das Landesystem "ILS" zu aktivieren und auf -200 Fuß zu "rekalibrieren". Allein in dieser Szene scheitert der Realitätscheck an zwei Dingen:

Erstens werden aktuelle Daten über den Sprit an Bord nicht an die Fluglotsen am Boden übertragen. Das bedeutet: wenn man nicht die Piloten anfunkt und nachfragt, wieviel Sprit noch an Bord ist, wird es schwierig, den passenden Flug herauszusuchen. Zwar gibt es für jeden Linienflug einen Flugplan, der die jeweils geplante Kerosinmenge beinhaltet, jedoch kann man damit lediglich Prognosen berechnen.
Zweitens wird das ILS-Signal von einer am Boden angebrachten Installation kegelförmig abgestrahlt und von den Bordinstrumenten in eine Anzeige transformiert. Um das Signal 200 Fuß (61 Meter) nach unten zu verschieben, müsste man ein Loch graben und die Station dorthin verlegen. Vielleicht etwas sehr aufwendig.

Im Anflug wird es dann noch unrealistischer: Der Erste Offizier ruft "1000 Fuß", obwohl das Flugzeug laut eines externen Beobachters bereits auf 800 Fuß gesunken ist. Selbst wenn man einem falschen Gleitpfad folgt, funktionieren die An-Bord-Instrumente hier tadellos. Die Höhenanzeige müsste also bei 800 Fuß stehen. An festgelegten Checkpunkten wird die tatsächliche Höhe mit der Sollhöhe verglichen - stimmt hier etwas nicht, fällt das auf.

Da wäre Wilson aber traurig: "Cast Away" (2000)

Hätte sich Chuck Noland die ganze Tortur als Einsiedler auf einer verlassenen Insel ersparen können? Vermutlich - hätte er etwas besser ausgebildete Piloten gehabt.

In dieser Szene ist zu sehen, wie er als Passagier auf einem Frachtflugzeug mitfliegt. Man kann auf dem Wetterradar die geplante Flugroute erkennen und auch die farblich dargestellte Wetterlage. Die rot gefärbten Flächen deuten auf eine stärkere Ansammlung von Wassertropfen in den Wolken hin, welches ein Indiz für ein Gewitter ist. Mit einer vorübergehenden Kursabweichung von 30 Grad nach links könnte die Wolkenformationen einfach umgangen werden.
Die Piloten versuchen "Tahiti Control" zu erreichen, doch es meldet sich niemand. Für diese Situation gibt es ein Verfahren mit der Merkregel: "Ich höre nix? Seven Six!". Es gibt einen vierstelligen Code namens Squawk, welcher auf den Radarschirmen der Lotsen dargstellt wird und u.a. bei der Identifikation eines Flugzeuges hilft. Im Falle eines Funkausfalls sind die Piloten angehalten, 7600 einzudrehen. Die Lotsen am Boden würden auf das Flugzeug aufmerksam und könnten Maßnahmen treffen.

Weitere Fragen zum Sinkflug bleiben offen: Was ist der Grund für den Druckverlust, der die Benutzung der Sauerstoffmasken (offenbar nur für kurze Zeit) notwendig macht? Und wie hält das Flugzeug die Belastung eines derartigen Absturzes stand? In 2 Minuten 41 Sekunden sinkt der Flieger von Flugfläche 350 (10,6 Kilometer) auf 0 Fuß (Meereshöhe), was eine Sinkrate von über 13.000 Fuß pro Minute bedeuten würde. Da würde auch "brace for impact" dem guten Chuck nicht mehr helfen...

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Man kann es kurz machen: Space-Shuttle-Transporte werden nicht mit Passagieren an Bord durchgeführt.

Und auch wenn der Mann mit dem Umhang Superkräfte hat: Die Nase eines Flugzeugs ist weitestgehend hohl und dünn, da sich dahinter das Wetterradar versteckt. Der Flieger hätte in der Stadionszene folglich mehr als eine kleine Delle abbekommen...

Sein Vorgänger (Superman 1978) war aber auch nicht glaubwürdiger:

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Wer vier Triebwerke hat, kann den Ausfall eines davon ganz ohne Absturz verkraften. Solange wenigstens ein Motor läuft, kann man sich als Passagier wieder entspannt zurücklehnen, während die Piloten das Flugzeug sicher und kontrolliert landen.

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Mal abgesehen davon, dass Linienflugzeuge dieser Art nicht für einen Upside-Down-Flug ausgelegt sind und ein derartiges Manöver aerodynamisch höchst fragwürdig ist; was hat den abrupten Sinkflug von 90 Grad gen Boden verursacht (der künstliche Horizont zeigt übrigens nur relativ vertretbare 10 bis 20 Grad minus an)? Äußerlich sind keine Schäden zu erkennen und zum Schluss lässt sich das Flugzeug offenbar wieder lenken - hat die spontane Fassrolle das Problem behoben? Wohl eher kaum...

Aber mal davon abgesehen, dass es diesen Sinkflug ohne äußere Einwirkung wohl nie in echt geben würde: Nach einem Hydraulikverlust ließen sich Fahrwerk und Landeklappen nicht mehr bedienen. Spätestens nach dem inversen Flug würden sich diese Systeme gemeinsam mit den Triebwerken verabschieden.
Ein Fuel-Dumping (das Ablassen von Kerosin während des Flugs) ist bei Maschinen dieser Größe übrigens auch nicht möglich.

Alles in allem ist es also nicht vermessen, zu behaupten, dass diese Filmszene nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat.

O2 can do?: World War Z (2013)

Ein Emergency Descent (dt. Notabstieg) wegen Kabinendruckverlust muss nur eingeleitet werden, wenn man sich zum Zeitpunkt des Druckverlustes über 10.000 Fuß befindet. In diesem Fall ist die Maschine schon sehr niedrig und die Luft reicht zum Atmen. Weder Sauerstoffmasken noch ein Descent wären notwendig. Natürlich ist der Schaden durch die Explosion ein Grund für eine Notlandung, aber wenn das Flugzeug bei diesem strukturellen Schaden noch nicht von selbst auseinander geflogen ist, sollte man ein bisschen mehr Zeit haben (es funktioniert auch noch ein Triebwerk).

Übrigens wäre der Sog aus dem Flugzeug vermutlich auch nicht so groß, da der Druckunterschied auf dieser Höhe nicht mehr so gravierend ist.

Über die Autorin

Jana Stawarz ist ausgebildete Verkehrsflugzeugführerin und verabschiedet sich mit diesem Artikel von ihrem Team bei TV Spielfilm, um ihrer Berufung nachzugehen.