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TV-Verträge von Scholl und Kahn

Ist das wirklich ungerecht?

Oliver Kahn
Oliver Kahn kommentiert für das ZDF die EM 2016 ZDF/Sascha Baumann

In der neuesten "kress pro"-Ausgabe wettert Chefredakteur Markus Wiegand: "Solange Scholl und Kahn aber durch Gebührengelder honoriert werden, ist es ein Skandal." Angeblich sollen sie für ihr ARD- und ZDF-Engagement jährlich siebenstellige Beträge einstreichen. ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky dementiert. Wir ordnen ein.

Foto: ZDF/Sascha Baumann, Oliver Kahn kommentiert für das ZDF die EM 2016
Es ist keine Weltneuheit, dass im Sport Millionen fließen. Millardenschwere Scheichs kaufen sich Fußballclubs in England, Russland oder Frankreich, Offensiv-Spieler werden für 100-Millionen-Euro von Verein zu Verein transferiert und der englische Fußball-Verband schließt einen Wahnsinns-Deal in Höhe von 6,9 Milliarden Euro für drei Jahre ab, um seine TV-Rechte zu vermarkten. Klar, dass auch das Fernsehen hierzulande versucht, da Schritt zu halten.

So hat die DFL die nationalen TV-Rechte für den Zyklus von 2017/18 bis 2020/21 für die Rekordsumme von 4,64 Milliarden Euro (pro Saison: 1,159 Milliarden Euro) verkauft. Neben Sky, Eurosport und Sport1 sind auch die ARD mit der Sportschau und das ZDF mit dem Aktuellen Sportstudio beteiligt.

Der Vorwurf des "kress"-Berichts und vieler Gebühren-Gegner zielt nun grundsätzlich darauf, dass "doppelt so viel Geld für Sportsendungen (2011 bis 2014: durchschnittlich 233 Mio. Euro pro Jahr) ausgegeben werden wie für tägliche Nachrichten und Informationsmagazine (rund 104 Millionen Euro)". Doch da diese Zahlen-Jongliererei für einen öffentlichkeitswirksamen Treffer nicht massentauglich genug ist, hat sich "kress" auf zwei prominente Gesichter eingeschossen. Mehmet Scholl und Oliver Kahn als Projektionsflächen des GEZ-Geschachers.
Das duale Rundfunksystem soll schuld sein?
In Deutschland wird der TV-Markt mit dem dualen Rundfunksystem organisiert. Durch den Rundfunkstaatsvertrag ist beispielsweise geregelt, dass Länderspiele der deutschen Nationalmannschaft sowie Eröffnungsspiel und Finale zur Grundversorgung gehören. Sportübertragungen wie die EM 2016 genießen damit auch eine politische Legitimation. Unter diesen Gesichtspunkten werde es den Öffentlich-Rechtlichen, so der Vorwurf der Gegner, leichtgemacht, mit den Gebührengeldern Konkurrenten um die TV-Rechte auszustechen.

Laut dem "kress"-Bericht würden die öffentlich-rechtlichen Sender 178 Millionen Euro für die Rechte an der Euro 2016 an die UEFA überweisen. Private Free-TV-Sender wären hingegen gerade mal in der Lage, die Hälfte der Summe über Werbeeinnahmen zu refinanzieren.

Andererseits ist die Nachfrage nach Sport-Events immens. So sahen 28,11 Millionen Menschen das Achtelfinale zwischen Deutschland und der Slowakei. Public-Viewing gar nicht mit eingerechnet. Die Frage bleibt also: Legitimiert die Nachfrage das Angebot oder sollten sich die gebührenfinanzierten Angebote von ARD und ZDF von solchen markttheoretischen Ansätzen freimachen, um ihrem politischen Auftrag zur Sicherung der Meinungsvielfalt gerecht zu werden?

Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Klar ist es diskutabel, ob solche (unbestätigten) astronomischen Summen angebracht sind. So wie auch die Qualität einiger privater TV-Sendungen diskutabel ist. Was allerdings nicht geht, sind öffentlich publizierte Übertreibungen, die die Klick-Zahl in die Höhe treiben, nur um Aufmerksamkeit für einen altbekannten Vorwurf zu ergattern.
Das Dementi von ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky

Natürlich reagiert die Öffentlichkeit allergisch, wenn von den Gebühren unverhältnismäßig hohe Summen gezahlt werden. Doch die Zahlen aus dem "kress"-Report werden durchgehend im Konjunktiv vorgetragen und es kann nie auf eine bestätigte Quelle verwiesen werden. Ein riesiges Mutmaßen, Schätzen und Spekulieren mit der tendenziösen Überschrift "Mein teurer Scholli". ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky wollte das nicht stehen lassen:

"Es gleicht beinahe schon vorsätzlicher Bösartigkeit, welche Zahlen auch hier im Zusammenhang mit dem Expertenvertrag von Mehmet Scholl geschrieben und vervielfältigt werden. Generell werden wir uns zu vertraglichen Inhalten unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht äußern. Nur so viel: Auch diese derzeit im Raum stehenden Summen entsprechen nicht annähernd der Realität und entbehren jedweder
Grundlage."


Die Zahlen, Mehmet Scholl würde jährlich 1,6 Millionen Euro verdienen und beide Experten, sowohl Kahn als auch Scholl müssten "pro Auftritt bis zu 50.000 Euro an Gebührengeldern kassieren", erstaunen schon arg. TV SPIELFILM hat sich vor einiger Zeit auch mit Honoraren und Geldern aus der TV-Branche beschäftigt und wir sind zu gänzlich anderen Dimensionen vorgedrungen.
Konstruierte Feindbilder
Sprecher wie Jan Hofer oder Judith Rakers sind on Air in der prestigeträchtigsten deutschen Nachrichtensendung, der Tagesschau, vor Millionenpublikum zu sehen. Sie erhalten laut NDR derzeit 231,08 Euro pro Auftritt. Summasumarum kommen sie damit auf ein Monatseinkommen von 8000 bis 10 000 Euro, weil sie pro Tag mehrere Sendungen moderieren.

Und selbst wenn man den Fußball-Vergleich bedienen möchte, erscheinen die von "kress" erhobenen Summen utopisch. Sollten die Zahlen nämlich stimmen, bekommen Scholl und Kahn so viel Knete, wie einige der hochtalentierten Fußballer über die sie den ganzen Tag leidenschaftlich schwadronieren. So verdiente der Nationalspieler Andre Schürrle zu Zeiten seines Bayer-Leverkusen-Engagements um die 1,2 Millionen Euro im Jahr, wie aus Berechnungen des "Kicker" und der Online-Publikation "transfermarkt.de" hervorgeht.

Auch wenn der Edel-Joker von Nationaltrainer Jogi Löw mittlerweile mehr einstreichen dürfte, wäre es schon mehr als erstaunlich, wenn Mehmet Scholl ihm mit einem TV-Vertrag der ARD auf den Fersen ist. Fußball ist ein Milliardengeschäft, klar. Aber Oliver Kahn und Mehmet Scholl, respektive der öffentlich-rechtliche Rundfunk, sollten da noch am allerwenigsten als Feindbilder herhalten müssen.

Steven Sowa