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TV-Kritik

Das Supertalent mit der Mundharmonika

Hurra, wir haben endlich wieder ein neues Supertalent.

DAS SUPERTALENT (RTL, Samstag, 20.15 Uhr)
Hurra, wir haben endlich wieder ein neues Supertalent. Danke, Dieter Bohlen! Danke Bruce Darnell! Danke Sylvie van der Vaart! Endlich ist ein Nachfolger für Ricardo Marinello gefunden, der im vergangenen Jahr als der deutsche Paul Potts vermarktet werden sollte. Paul Potts ist der dicke ehemalige Handy-Drücker mit den schlechten Zähnen, der in der TV-Werbung italienische Opernschnulzen schmettert. Nun ja, der Name Ricardo Marinello wäre wohl auch nie wieder im deutschen Fernsehen gefallen, wenn nicht RTL "Das Supertalent" in die zweite Runde geschickt und dafür den letztjährigen Sieger aus der Versenkung befreit hätte.


Trapezkünstler, Jongleure und magische Tänzer findet man gemeinhin in solchen Etablissements, auch in der bei RTL gezeigten Qualität. Bruce Darnell war in dieser Show bestenfalls eine Karikatur seiner selbst und bei den Fußballergattinnen geht eh nichts über Claudia Struuuunnzzz-Effenberg, obwohl so etwas sicherlich auch eine hübsche Betätigung für Bruce wäre.

Kai Rehländer
Die Befürchtung, dass man in einem Jahr nicht mehr weiß, wer denn der Mundharmonika-Mann, wer dieser Michael Hirte ist, halte ich in diesem Fall allerdings für unbegründet. Denn die Medienallianz aus Bohlen, Bild und RTL hat dieses Mal die Human-Touch-Geschichten dermaßen in den Vordergrund gerückt, dass man teilweise nicht mehr wusste, ob man eine Castingshow oder "Vera hilft" oder so sieht. Diese kitschige Inszenierung, dieses Herumspinnen von schwer menschelnden Geschichten machte dieses als Show annoncierte Fernsehevent zuweilen schmalztriefend und zäh.

Michael Hirte bietet nicht nur eine super Geschichte als ehemaliger Lastwagenfahrer, der nach einen Unfall monatelang im Koma lag, alles verloren hat und nun außer seiner Mundharmonika nur noch Hartz 4 hat. Seine missgünstige oder misshandelte Ex-Frau meldete sich natürlich auch im Vierbuchstabenblatt. So ist perfekte Crosspromotion. Zudem ist jemand, der Franz Schuberts schnulziges bis wehleidiges "Ave Maria" in die Mundharmonika bläst, auch musikalisch einer, der einem Juror wie Dieter Bohlen die Tränen in die Augen treibt. Der Ex-Modern-Talking-Kopf, musikalisch selbst stark limitiert, konnte indes wenig mit dem furiosen Geigenspiels des zwölfjährigen Lucas Wecker anfangen, der im übrigen in seiner Altersklasse schon fast alles an klassischen Wettbewerben gewonnen hat und dem es in spätestens zwei Jahren hoffentlich peinlich ist, in so einem TV-Varieté-Programn vorgeführt worden zu sein.