Ist das prächtiges Overacting oder kann das weg? Kein anderer Schauspieler polarisiert mit seinem Darstellungsstil so wie Nicolas Cage. Die einen machen sich in lustigen Memes über seine Gummivisage lustig, andere verehren ihn als einzig wahren Gott.

Der amerikanische Kritikerpapst Roger Ebert sagte über Cage, dass er in schlechten Filmen schlecht spielt und in guten Filmen gut. Er kann sich zurücknehmen ("Adaptation") aber auch auf die Kacke hauen (fast alle anderen seiner Filme). Oder ist er nur, wie böse Zungen behaupten würden, in leisen Rollen fade und in lauten viiiiieeel zu aufgedreht? Beherrscht er überhaupt sein Handwerk wie es z.B. Al Pacino oder Jack Nicholson tun, die sowohl subtil als auch majestätisch sein können?

Jedenfalls wurde sein Spiel nicht nur Vorlage für Memes und Gifs, sondern trieb auch seine Regisseure in den Wahnsinn. Norman Jewison wollte Cage während "Mondsüchtig" feuern, weil er mit seinem furiosen Überdrehen aus dem subtilen, humorigen Spiel seiner um Co-Stars Cher und Olympia Dukakis (beide Oscar!) zu sehr hervorstach. Und sein Onkel Francis Ford Coppola verzweifelte am Set von "Peggy Sue hat geheiratet fast an seinem Neffen, der darauf bestand, seine Figur mit einer extrem hochgepichten Fistelstimme zu sprechen.

via me.me

Schamanen und Kabuki: Nicolas Cages Vorbilder

Aber Nicolas Cage hat auch seine prominenten Fürsprecher. David Lynch, der mit ""Wild at Heart" einen der besten Cage-Filme drehte, bezeichnete den Star als den Jazzmusiker unter den Schauspielern. Und Kollege Ethan Hawke nobilitierte Cage als den einflussreichsten Schauspieler seit Marlon Brando. Der zweifache Oscar-Preisträger ("Die Faust im Nacken", "Der Pate") prägte ab Anfang der 1950er-Jahren mit den Kollegen James Dean und Montgomery Clift einen ganz neuen Stil der Filmschauspielerei. Anders als die strahlenden Leinwandhelden wie Clark Gable, die mit rausgestrecker Brust ihre Texte deklamierten, setzten Brando und seine Mitstreiter vom Actors Studio auf einen vernuschelten, gekrümmten Naturalismus voller Ähhs und Ähhms. Laut Hawke brach erst Cages exaltiertes Spiel mit dem Realismus-Paradigma. Hawke verglich Cage mit den mittelalterlichen Troubadours, die ihre Lieder sangen und dabei nie wie moderne Schauspieler hinter ihren Rollen verschwanden.

Am Anfang seiner Karriere war auch Cage vom realistischen Method Acting geprägt, das Marlon Brando berühmt machte. Doch dann brach er zu neuen Ufern auf. Nicolas Cage gehört zu den Hollywood-Schauspielern, die sich permanent Gedanken um ihre Schauspieltechnik machen, in Interviews spricht er gerne und offen über seine Einflüsse: Da wäre der deutsche Stummfilm-Expressionismus, bei dem die Schauspieler alles mit Gestik und Mimik ausdrücken mussten. Besonders beeindruckte ihn Max Schrecks Vampir "Nosferatu", der ihn für "Vampires Kiss" inspirierte, den berüchtigtsten unter den notorischen Cage-Rage-Filmen.

Der Schauspieler bezeichnet seinen Stil als "westliches Kabuki" – nach dem traditionellen japanischen Theater, das stark von Tanz und Pantomime geprägt ist – oder als "neuen Schamanismus". Wie die Geisterbeschwörer in archaischen Kulturen zieht er sich eine Maske über und "kanalisiert Energien" wie es Cage selbst nennt.

Auch aus der Fauna lässt sich der Tierfreund gerne inspirieren. Für die Bewegungen des "Ghost Rider" studierte er eine Cobra. Cage hielt auch einmal einen Oktopus als Haustier, erklärtermaßen um durch das wirbellose Tier als Schauspieler weiterzukommen.

Kurz gesagt: Nicolas Cage ist kein Darsteller im heute gebräuchlichen Sinn, sondern ein Performer vor dem Herrn. Das Problem ist nur, dass er als einziger Schamane unter lauter realistischen Mimen seinen eigenen Film schiebt. Das liebt man oder hasst man. Langweilig wird es nie.