(TV Kritik, 12.9.2011) Wie "Hart aber fair" maischbergerte sich die neue Anne Will "Günther Jauch" auf dem alten "Sabine Christiansen"-Sendeplatz, den ihm die ARD-Gremlins eigentlich nicht gönnen wollten? Natürlich sollten die Erwartungen zum Start von Deutschlands allerbeliebtestem TV-Moderator als öffentlich-rechtlicher Polittalker nicht zu hoch sein, das forderte Günther Jauch zumindest selbst vor dem Start der gestrigen Sendung und wurde in der Hinsicht sicherlich nicht enttäuscht. Denn die allgemeinen Erwartungen hinsichtlich Erkenntnisgewinn dürfte bei deutschen Polittalks auf sehr niedrigem Niveau liegen. Das ist wohl ein genre-immanentes Problem.

Günther Jauch wurde von der ARD wohl eher dafür verpflichtet, dass er eine unterhaltsame Sendung mit hohen Marktanteilen produziert und moderiert als für Anspruchstalk. Die Zutaten der ersten Sendung waren dann auch sehr vertraut. In Stern-TV-Manier wurden die Nicht-Promi-Gäste in Einspielern vorgestellt (natürlich mit mächtig emotionaler Musik unterlegt) und befragt, damit sie dann im Studio haargenau die gleichen Fragen vom großen Günther Jauch besonders einfühlsam nochmals gestellt bekommen.

Der Entertainmentfaktor der eigentlichen Diskussion hielt sich in Grenzen, was nicht am Sendungsmotto "Zehn Jahre 11. September - War es richtig, in den Krieg zu ziehen?" gelegen haben kann, denn es gibt wohl Politiker in diesem Land, die zu diesem Thema ihre Meinung pointiert und kontrovers vortragen können. Statt solcher Kaliber wie etwa Hans-Christian Ströbele, Peter Gauweiler oder meinetwegen auch Gregor Gysi saßen US-Nationaltrainer Jürgen Klinsmann (der wo seit 13 Jahren in Kalifornien leben tut), Elke Heidenreich (ist gegen Krieg), Ex-Medienmanager Jürgen Todenhöfer (ist auch gegen Krieg und noch häufiger in Afghanistan), Springer-Boss Mathias Döpfner (ist für Amerika) und Ex-Verteidigungsminister Peter Struck (ließ deutsche Freiheit am Hindukusch verteidigen) in der Diskussionsrunde, was keinen großen Erkenntnisgewinn brachte.

Der emotionalisierende Höhepunkt in Form eines besonders einfühlenden Günther-Jauch-Gesprächs mit der Mutter eines in Afghanistan gefallenen Soldaten zündete zum Ende der Sendung nicht wirklich. Die Frau kam vor der Kamera so gefasst rüber, dass hier nicht die kalkulierte Stern-TV-Rührseligkeit aufkommen wollte.

Der Versuch, öffentlich-rechtlichen Polittalk durch penetrantes Emotionalisieren in Manier der Privatsender aufzupeppen, war abei der Premiere nicht sonderlich unterhaltsam. Vielleicht kann Günther Jauch ja bei einem anderen Thema besser zeigen, was er journalistisch drauf hat.

Kai Rehländer