Under the Dome" war die Sensation der vergangenen TV-Saison. Sowohl in den USA als auch in Deutschland sorgte die Serienadaption des Stephen-King-Romans "Die Arena" für Rekordquoten - und stellte die Verantwortlichen damit vor ein Dilemma. Denn eigentlich sollte das Geheimnis um die gigantische Energiekuppel, die sich über Chester's Mill legt und dort Anarchie ausbrechen lässt, nach 13 Folgen gelüftet werden.

Doch als der Pilotfilm in den USA zum erfolgreichsten Sommer-Serienstart seit mehr als 20 Jahren avancierte, musste die Käseglocke bleiben, wo sie war: CBS orderte eine zweite Staffel mit 13 Folgen. Sehr zur Freude von Pro Sieben - im Schnitt verkuppelte die Serie zwei Millionen junge Zuschauer (14- bis 49-Jährige) mit dem Sender.

Damit wartete auf Stephen King, der mit rund 350 Millionen verkauften Büchern zu den erfolgreichsten (und reichsten) Autoren der Gegenwart zählt, eine völlig neue Herausforderung. Bisher hatten seine Romane nur als Vorlage für Miniserien gedient - diesmal bekam es der 66-Jährige erstmals mit einem Hit über mehrere Staffeln zu tun. Entsprechend erpicht war der Schriftsteller darauf, der Produktion seinen Stempel aufzudrücken: Schließlich hatte die erste Staffel lediglich die Grundidee seines Romans aufgegriffen und weiter interpretiert.

Also setzte sich King mit den Produzenten Neal Baer und Brian Vaughan zusammen, um seine weitere Mitarbeit an der Serie zu klären. Man einigte sich darauf, dass er das Drehbuch zur Auftaktfolge der 2. Staffel schreibt. Hier verrät der "König des Horrors", warum ihm dies so wichtig war, welche Akzente er mit seiner Episode setzen wollte und warum er aus seinem 2002 verkündeten Ruhestand doch noch einmal zurückgekehrt ist.
Warum war es Ihnen wichtig, an der zweiten Staffel von "Under the Dome" zu arbeiten?

STEPHEN KING: Ehrlich gesagt war ich ein wenig eifersüchtig auf George R.R. Martin. Er ist als Autor der Vorlage eng in "Game of Thrones" involviert - genau wie Robert Kirkman bei "The Walking Dead". Das erschien mir als eine sehr reizvolle Aufgabe.

Warum haben Sie ausgerechnet die erste Folge ausgewählt?

STEPHEN KING: Ich wollte der Serie mein Gütesiegel geben. Und ich hatte die Hoffnung, wenn sie mich die erste Folge schreiben lassen, könnte ich die grobe Richtung der Staf-fel beeinflussen und darin Themen wie Überbevölkerung, Nahrungsknappheit oder Umweltzerstörung unterbringen, die mir besonders am Herzen liegen.

War das auch die Ausgangsidee für Ihr Buch? Weltbewegende Themen zu verarbeiten?

STEPHEN KING: Als ich in den 70er-Jahren als Lehrer gearbeitet habe, dachte ich mir, wenn man eine Kuppel über diese Gemeinde legen würde, könnte man sie zu einem Mikrokosmos unseres Planeten machen. Aber weil die Recherche neben meinem Job zu aufwendig war, schob ich es auf. Auf einem langen Flug nach Australien erinnerte ich mich wieder daran.

Die Idee ist aber nicht Ihre. Die Österreicherin Marlen Haushofer hatte sie bereits in den 60ern...

STEPHEN KING: Ich erzähle Ihnen mal eine lustige Geschichte. Vor etwa drei ­Monaten habe ich im iTunes-Katalog gestöbert und einen Film gefunden über eine Frau, die durch ein mysteriöses Kraftfeld von ihrer Umwelt abgeschnitten wird. Ich dachte mir: "Wow, das ist ja genau wie ,Under the Dome‘" und fragte mich, ob unsere Produzenten wohl dieses dreiste Plagiat gesehen haben. Also recherchierte ich im Internet nach dem Film und fand heraus, dass er auf dem Buch "Die Wand" aus dem Jahr 1963 basiert. Damals war ich 16 Jahre alt, und ich hatte bis heute keine Ahnung, dass es überhaupt existiert.

Gehen Sie die Arbeit an einem Drehbuch eigentlich anders an als bei einem Roman?

STEPHEN KING: Eigentlich ist beides gleich - und bevor sie fragen: Ich habe ehrlich gesagt nicht die geringste Ahnung, wie es funktioniert, darum ist es schwierig für mich, das zu beschreiben. Im Grunde genommen visualisiert man nur, wo sich die Menschen befinden, was sie tun werden und wo sie enden.

Was wird in der zweiten Staffel der Serie anders sein?

STEPHEN KING: Wir haben einige neue Figuren entwickelt und lassen einige beliebte Charaktere ihr vorzeitiges Ende finden. Außerdem haben wir ein Mystery-Element hinzugefügt. In der ersten Folge geschieht ein Mord, und der Täter läuft noch irgendwo da draußen rum. Insgesamt wird alles etwas gruseliger - also vielleicht so, wie man es erwartet, wenn man meinen Namen liest.

In Ihren Arbeiten dreht sich ohnehin sehr viel um Furcht. Waren Sie ein sehr ängstliches Kind?

STEPHEN KING: Immer wenn ich nach meiner Kindheit gefragt werde, kommt es mir so vor, als wäre es eine getarnte Psychoanalyse: "Was hat Sie so verkorkst, dass Sie derartige wilde Geschichten schreiben?" (lacht) Ich muss Sie allerdings enttäuschen. Tatsächlich hatte ich eine völlig normale Kindheit. Aber weil ich so eine überbordende Vorstellungskraft habe, hatte ich viele Ängste und Albträume. Das Schöne an meiner Arbeit ist, dass sie wie eine umgekehrte Psychoanalyse funktioniert. Statt 120 Dollar pro Stunde an einen Psychiater zu zahlen, bringe ich meine Ängste zu ­Papier und lasse die Leute mich dafür bezahlen.

Wie oft haben Sie solche Albträume denn heute noch?

STEPHEN KING: Immer wenn ich schreibe, schlafe ich sehr gut. Der Schreibprozess befreit mich vollkommen von meinen Albträumen. Nur in den Schreibpausen tendiere ich zum Träumen, und einiges davon ist sehr unangenehm.

Ist das der Grund, warum Sie doch noch einmal aus Ihrem 2002 verkündeten Ruhestand
zurückgekehrt sind?


STEPHEN KING: Ich hatte 1999 einen schlimmen Unfall. Ein Kleinbus hat mich ­angefahren, und ich wäre fast ­gestorben. 2002 hatte ich noch immer so starke Schmerzen, dass es ein Problem für mich war, kreative Gedanken zu fassen, ganz zu schweigen vom Schreiben. Ich dachte mir, das Beste sei es aufzuhören, solange ich noch ein gutes Ansehen in der Öffentlichkeit habe. Eigentlich hatte ich vor, ganz leise die Bühne zu verlassen, aber dann erlebte ich eine wundersame Heilung. Ich bekam wieder Lust auf meine Arbeit, die Ideen flossen, und hier bin ich nun.

Der Buchmarkt hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Sind ähnliche Erfolge wie früher bei Ihren Büchern heutzutage überhaupt noch möglich?

STEPHEN KING: Natürlich. Es gibt ja gerade so ein Bestseller-Phänomen, allerdings in einem anderen Genre. Es hat mit Sex zu tun. Der Unterschied ist, dass die "Fifty Shades of Grey"-Bücher zuerst ein Internet-Phänomen waren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Verlag sie ansonsten gedruckt hätte. Nicht, weil sie zu versaut wären, sondern weil sie echt schlecht geschrieben sind. (lacht)

Scott Orlin/Rüdiger Meyer

>>> Under the Dome
MI, 10.9., Pro 7, 20:15 Uhr