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Lieber im Pyjama als auf Party

Teil 2: "Ich wollte immer das blonde Beachgirl sein!"

NICOLE KIDMAN Golden Globes 2013
Nominiert gleich für zwei Golden Globes 2013, als Beste Nebendarstellerin/Drama für ihre Rolle in "The Paperboy" (es gewann Anne Hathaway für "Les Miserables") und als Beste Darstellerin in einer Miniserie für "Hemingway & Gellhorn" (es gewann Julianne Moore): Nicole Kidman, mit Ehemann Keith Urban) 2013 Hollywood Foreign Press Association
TV SPIELFILM: Wie sehen Sie diese Evelyn?

NICOLE KIDMAN
Sie will als Frau geliebt werden, was zu Beginn des Filmes schon ganz schön lange her ist. Das fand ich spannend, gerade in einem Thriller mit dieser ziemlich verstimmten Mutter-Tochter-Beziehung zu beginnen und einer Frau ohne echte Liebe.

Ist es das Unkonventionelle, das Sie immer wieder reizt?

NICOLE KIDMAN
Ich suche immer nach Dingen, die ungewöhnlich sind, ja. Als Kind habe ich sehr viel gelesen, hatte viel Fantasie, und dieser Teil meines Lebens war nicht immer ganz, nun ja, wohlerzogen. (lacht) Etwas, das fürs Filmemachen sehr wichtig ist, finde ich.

Weil das Leben auch nicht immer den Regeln guter Erziehung folgt?

NICOLE KIDMAN
Weil man sich nicht immer nur die Sachen aussuchen kann, die mit einer Zuckerschicht überzogen sind. Das Leben ist nun mal kein Zuckerschlecken.

Evelyns Tochter India hatte eine ziemlich einsame Kindheit. Wie war im Vergleich dazu Ihre?

NICOLE KIDMAN
Meine Mutter behauptet zwar immer, ich würde meine Kindheit durch eine rosa Brille sehen, aber ich habe mich als Kind nicht wirklich wohlgefühlt mit mir selbst. Ich war sehr groß, sehr blass, ich sah überhaupt nicht aus wie das typisch australische Mädchen von nebenan. Dabei wollte ich immer dieses blonde Beachgirl sein! (lacht) Aber meine Mutter hat mich tagsüber nie rausgelassen.
Warum nicht?

NICOLE KIDMAN
Wegen meiner hellen Haut. Ich blieb zu Hause und entdeckte dadurch das Lesen. Ich hab mich hingesetzt und alles gelesen, die ganzen Klassiker, "Madame Bovary", "Krieg und Frieden", "Schuld und Sühne". Im Alter von 11 bis 14 Jahren hab ich alle Großen gelesen, und das hauptsächlich, weil mir nicht erlaubt wurde, zum Strand zu gehen.

Sind Sie heute auch lieber daheim als unterwegs?

NICOLE KIDMAN
Ja, aber ich verrate Ihnen etwas: Ich bin gerade dabei, das zu ändern. Ich habe eine Tendenz dazu, lieber zu Hause zu bleiben und mich mit meiner Familie einzukapseln. Im Zweifel geh ich nämlich eher im Pyjama ins Bett als zu einem Dinner. Aber jetzt versuche ich tatsächlich gerade, mehr auszugehen, etwas zu unternehmen, Teil der Welt da draußen zu sein. Das war tatsächlich mein guter Vorsatz für dieses Jahr! (lacht)
Haben Sie mütterliche Gefühle für Mia Wasikowska entwickelt, die hier Ihre Tochter spielt?

NICOLE KIDMAN
Nein, aber ich unterstütze sie, wo es nur geht, weil sie so talentiert ist. Ich bin ihr größter Fan. Was mich schwer beeindruckt hat: Sie saß in einer Drehpause am Set und las Tschechow. Kein iPhone, kein Computer, wie bei ihren Altersgenossen, nur ein Theaterstück. In den nächsten Jahren werden wir erleben - da können Sie mich gern zitieren -, wie Mia ihren ersten Golden Globe oder Oscar gewinnt, denn ich glaube, sie ist eine der ganz, ganz großen Schauspielerinnen unserer Zeit.

Gutes Stichwort: Sie haben zuletzt Grace Kelly bzw. Fürstin Gracia Patricia gespielt. Haben Sie dabei mehr Druck gespürt als bei rein fiktiven Charakteren?

NICOLE KIDMAN
Ich habe mich bemüht, ihr und ihrem Ansehen gerecht zu werden, und dafür sehr viel recherchiert. Aber im Endeffekt ist es so, wie Regisseur Olivier Dahan schon mehrfach betont hat: Dies ist kein Dokumentarfilm, sondern Fiktion. Es ist auch nur ein kleiner Ausschnitt. Wir zeigen sie in einem Zeitraum von etwa sechs Monaten, als sie Caroline und Albert schon hatte, aber Stéphanie noch nicht auf der Welt war. Ich hoffe sehr, ihre Kinder sind zufrieden mit meiner Arbeit. Ich habe versucht, ihren Herzschlag zu spüren. Scott Orlin