Ein Job wie jeder andere
Es ist kurz nach 13 Uhr. In der Keksfabrik gegenüber strömen die Arbeiter in die Kantine. Ebenso nebenan im Rasierklingenwerk. Und auch in den Berliner UFA-Studios, einer der wichtigsten Soap-Fabriken in Deutschland, ist jetzt Mittagspause. Wird auch Zeit. Seit heute Morgen um sieben steht Marie Zielcke (30) im Zimmermädchenkostüm und viel zu hohen Pumps vor der Kamera. Jetzt zieht sie das Qual-Schuhwerk aus und schlüpft in große graue Filzpuschen. So könnte es Manu Berlett, die Figur, die sie spielt, bei Schichtende auch machen.
"Eine wie keine" heißt die neue Daily Soap, die Sat.1 hier produzieren lässt. Eine Cinderella-Geschichte vor der Kulisse eines Berliner Luxushotels, in dem sich die liebenswert chaotische Manu als Putzkraft verdingen muss - und mit ihrem "Pretty Woman"-Charme nicht nur den Hoteldirektor verzaubert, sondern auch, so hofft man bei Sat.1, das TV-Publikum.
Die Chancen dafür stehen nicht einmal schlecht. Denn mit Marie Zielcke hat der Sender eine Hauptdarstellerin unter Vertrag, die an Ausstrahlung und Talent aus der Masse des Soap-Personals herausragt. Was die Frage aufwirft: Warum begibt sich eine preisgekrönte und lobverwöhnte Charakterdarstellerin in die Tretmühle serieller Fließbandproduktion?
"Für mich ist die Rolle wie ein Sechser im Lotto", sagt Marie Zielcke, während sie sich über einen großen Salatteller hermacht. Finanziell stimmt das auf jeden Fall. Zwar ist die Bezahlung in der Seifenopernbranche bei weitem nicht so gut wie bei einem "Tatort"-Dreh. Dafür fließt die Gage regelmäßig und läppert sich für einen populären Hauptdarsteller locker zu einem Jahreseinkommen im sechsstelligen Bereich. Für die überwiegende Mehrheit der Schauspielerzunft sind solche Einkommen so utopisch wie für jeden anderen Normalbürger.
INFO: Schauspielergagen
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• 1600 Euro im Monat verdient ein Jungschauspieler am Theater - bei einer tarifvertraglich vereinbarten 76-Stunden-Woche. |
• 800 Euro Tagessatz bekommt ein Soap-Schauspieler im Durchschnitt. Beliebte Hauptfiguren verdienen mehr, Darsteller am unteren Ende der Einkommensskala dagegen nur 300 Euro. |
• 2000 bis 4000 Euro am Tag erhält ein etablierter Darsteller für eine Nebenrolle in Serien oder TV-Filmen. Je nach Produktion steht er dafür drei bis zehn Tage vor der Kamera. |
• 6000 Euro pro Drehtag oder auch erheblich mehr können die Stars der Branche verlangen. Mit Hauptdarstellern von Serien werden in der Regel Pauschalen ausgehandelt. |
Die Chancen dafür stehen nicht einmal schlecht. Denn mit Marie Zielcke hat der Sender eine Hauptdarstellerin unter Vertrag, die an Ausstrahlung und Talent aus der Masse des Soap-Personals herausragt. Was die Frage aufwirft: Warum begibt sich eine preisgekrönte und lobverwöhnte Charakterdarstellerin in die Tretmühle serieller Fließbandproduktion?
"Für mich ist die Rolle wie ein Sechser im Lotto", sagt Marie Zielcke, während sie sich über einen großen Salatteller hermacht. Finanziell stimmt das auf jeden Fall. Zwar ist die Bezahlung in der Seifenopernbranche bei weitem nicht so gut wie bei einem "Tatort"-Dreh. Dafür fließt die Gage regelmäßig und läppert sich für einen populären Hauptdarsteller locker zu einem Jahreseinkommen im sechsstelligen Bereich. Für die überwiegende Mehrheit der Schauspielerzunft sind solche Einkommen so utopisch wie für jeden anderen Normalbürger.
Drehen im Akkord
Der Geldsegen ist hart erarbeitet, das Pensum enorm. Jeden Tag muss eine komplette Folge abgedreht werden. "Ich stehe morgens um fünf auf und komme oft erst am späten Abend nach Hause", erzählt Marie Zielcke. Seit im September der Dreh losging, hat sie die Welt nur am Wochenende bei Tageslicht gesehen. Noch schwerer wiegt für die alleinerziehende Mutter, dass sie sich jetzt nicht mehr so viel um ihre siebenjährige Tochter kümmern kann. Leicht hat sie sich die Entscheidung nicht gemacht. Zumal viele Freunde und Bekannte sie warnten: "Marie, das ist Wahnsinn, lass die Finger davon!" Nur ein Argument ließ sie nie gelten: Dass es ein künstlerischer Abstieg sei, wenn sie, die Ophüls-Preisträgerin, die mit Regie-Größen wie Oskar Roehler und Mika Kaurismäki gedreht hat, sich in die Niederungen des Fast-Food-Fernsehens begibt. "Wer so was sagt, ist einfach nur borniert. Die Rolle der Manu ist eine große Herausforderung und gibt mir die Möglichkeit, mich mal von einer ganz neuen Seite zu zeigen. Das hat mich sehr gereizt."
Gute Zeiten? Schlechte Zeiten!
Die Jahre, in denen Soap-Darsteller die künstlerischen Parias der Film- und Fernsehbranche waren, sind ohnehin vorbei. Zum Ensemble von "Eine wie keine" gehören top ausgebildete Bühnen-schauspieler wie Anett Heilfort, die beim Fern-sehen ihr kärgliches Theater-Salär aufbessern, bewährte TV-Darsteller wie Christian Kahrmann und vielversprechende Talente wie Sophia Thomalla. Eine Soap-Rolle bietet eben finanzielle Sicherheit in Zeiten, in denen viele Schauspieler am Rande des Existenzminimums leben - wenn nicht sogar darunter. Denn auch bei Film und Fernsehen schlägt die Krise zu. Es wird weniger produziert, und immer schneller. Noch vor ein paar Jahren veranschlagte die ARD für eine "Tatort"-Folge 32 Drehtage. Heute muss sie nach 21 Tagen abgedreht sein. Weniger Drehtage bedeuten für Schauspieler weniger Geld.
Über Geld spricht man in der Branche nicht gern. Offiziell geht es Schauspielern stets um die Kunst und nicht um den schnöden Mammon. Marie Zielcke sieht es nüchterner: "Schauspielerei ist nicht nur meine große Leidenschaft, sondern für mich auch ein Beruf, der mich ernähren soll. Ich habe das große Glück, dass ich nun beides verbinden kann." Dann, nach dem letzten Salathappen, ein eiliger Abschied. Gleich ist ihre Mittagspause um, und vorher will sie sich noch schnell etwas Süßes besorgen - Szenen aus dem Angestelltendasein. Und dann rollt die Produktion in den UFA-Studios wieder an. Genau wie gegenüber bei den Arbeitern in der Keksfabrik und im Rasierklingenwerk.
Christian Holst
Gute Zeiten? Schlechte Zeiten!
Die Jahre, in denen Soap-Darsteller die künstlerischen Parias der Film- und Fernsehbranche waren, sind ohnehin vorbei. Zum Ensemble von "Eine wie keine" gehören top ausgebildete Bühnen-schauspieler wie Anett Heilfort, die beim Fern-sehen ihr kärgliches Theater-Salär aufbessern, bewährte TV-Darsteller wie Christian Kahrmann und vielversprechende Talente wie Sophia Thomalla. Eine Soap-Rolle bietet eben finanzielle Sicherheit in Zeiten, in denen viele Schauspieler am Rande des Existenzminimums leben - wenn nicht sogar darunter. Denn auch bei Film und Fernsehen schlägt die Krise zu. Es wird weniger produziert, und immer schneller. Noch vor ein paar Jahren veranschlagte die ARD für eine "Tatort"-Folge 32 Drehtage. Heute muss sie nach 21 Tagen abgedreht sein. Weniger Drehtage bedeuten für Schauspieler weniger Geld.
Über Geld spricht man in der Branche nicht gern. Offiziell geht es Schauspielern stets um die Kunst und nicht um den schnöden Mammon. Marie Zielcke sieht es nüchterner: "Schauspielerei ist nicht nur meine große Leidenschaft, sondern für mich auch ein Beruf, der mich ernähren soll. Ich habe das große Glück, dass ich nun beides verbinden kann." Dann, nach dem letzten Salathappen, ein eiliger Abschied. Gleich ist ihre Mittagspause um, und vorher will sie sich noch schnell etwas Süßes besorgen - Szenen aus dem Angestelltendasein. Und dann rollt die Produktion in den UFA-Studios wieder an. Genau wie gegenüber bei den Arbeitern in der Keksfabrik und im Rasierklingenwerk.
Christian Holst