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"Make Love"

Auf die Laken, fertig, SEX!

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Gefühlsecht: Ann-Marlene Henning (r.) und ein Tantralehrer-Paar in "Make Love" SENDER

Das Internet hat Erotikformate aus dem Fernsehen verdrängt. Jetzt wagen sich gleich zwei Sender an das Thema Nummer eins - ohne jede falsche Scham

Nackt und in Missionarsstellung verknotet liegt das Paar auf weißen Laken. Nach wenigen Bewegungen sieht der Kenner: Da wird nichts simuliert, da geht es richtig echt zur Sache - kurz nach 22 Uhr im öffentlich-rechtlichen Fernsehen!

Aber natürlich treiben es die zwei nicht nur aus purem Spaß an der Freud vor der Kamera. Sondern leisten wacker Dienst im Namen der sexuellen Aufklärung.
"Make Love - Liebe machen kann man lernen" heißt die Reihe, die der MDR und der SWR produziert haben und nun in ihren Dritten Programmen ausstrahlen. In fünf Teilen erklärt die Sexualtherapeutin und Autorin des gleichnamigen Aufklärungsbestsellers Ann-Marlene Henning nicht nur, wie Sex funktioniert, sondern vor allem, wie man die Lust daran mehrt und Frust vermeidet. Und das in einer Direktheit, wie man sie im deutschen Fernsehen noch nicht gesehen hat.

Auch beim Frauensender Sixx fallen die letzten Hüllen. In "Paula kommt" plaudert Sexkolumnistin Paula Lambert über "Sex und Gute Nacktgeschichten", wie der Untertitel der Reihe etwas unbeholfen kalauert. An sechs Abenden erzählen Frauen in sendertypischer Mädelsabend-Atmosphäre aus ihrem privatesten Nähkästlein. Besonderer Clou: Während die Damen verbal blankziehen, muss sich pro Folge ein Mann physisch nackig machen. Dessen Primärausstattung wird sodann fachfrauisch taxiert: "Die Länge ist okay, aber die Dicke ist eh wichtiger." Ah ja!

"Vögeln ist das neue Backen"

Sex und Fernsehen, das war zuletzt eine ermüdete Beziehung. In den Neunzigern, den Sturm-und-Drang-Jahren des Privatfernsehens, gehörten Softpornos und Erotikmagazine noch fest ins Programm. Anfang der Nullerjahre verschwanden sie nach und nach. Das Internet lieferte nackte Tatsachen grenzenlos und unzensiert frei Bildschirm. Das durch Jugendschutz und Pornografieverbot korsettierte Fernsehen konnte da nicht mithalten.

Paula Lambert erinnert sich mit leichtem Befremden an Sendungen wie "Peep!": "Häufig ging es um abseitige Spielarten oder neue Vibratoren. Das ist inzwischen aber nicht mehr zeitgemäß. Ich will wissen, was wirklich passiert zwischen zwei Menschen und was sie dabei fühlen." Für Sixx ist die Sendung auch der Versuch, ein zweites Sendergesicht zu etablieren. "Vögeln ist das neue Backen", sagt Paula Lambert mit Blick auf Enie van de Meiklokjes' Backshow "Sweet & Easy".

Kein Weichzeichner, kein Abblenden

Auch Ann-Marlene Henning erinnert sich mit Grausen an Magazine wie "Wa(h)re Liebe". Inspiration zu ihrer Sendung fand sie woanders: "Beim Sender Channel 4 habe ich eine Reihe über Aufklärung entdeckt und gedacht: ‚Toll, so was würde ich auch gern machen!‘" Zusammen mit der Filmproduktion der Gebrüder Beetz entwickelte sie ein Konzept und ging Klinken putzen. "Wir mussten viel Überzeugungsarbeit leisten. Wenn es um Sex geht, bekommen es viele Senderverantwortliche mit der Angst zu tun", erzählt die gebürtige Dänin, die in Hamburg eine sexualtherapeutische Praxis betreibt. Am Ende traute sich der MDR, der die Reihe als Chance sieht, sein trutschiges Image loszuwerden.

Das könnte glingen: In jeder Folge bespricht Henning mit echten Paaren und Singles weitverbreitete sexuelle Probleme. Wie es im Bett besser funktioniert, führt dann ein Modellpaar vor - ohne Weichzeichner und verschämtes Abblenden, dafür mit auf die Körper projizierten Schemazeichnungen, die die inneren Vorgänge beim Sex vor Augen führen. Keine Frage: So Explizites sah man hierzulande noch nie im Free TV. In einer Zeit, in der der nächste Porno einen Mausklick entfernt ist, haben alte Schamgrenzen offenbar auch im Fernsehen ausgedient.

Trotzdem atmeten die Macher erleichtert auf, als die Jugendschutzbeauftragten der Sender ihr Plazet gaben. Als unerwartet heikel erwies sich dagegen das Problem, Paare zu finden, die vor der Kamera über ihr Intimleben sprechen. Bewerber gab es genug, doch viele wurden abgewiesen, weil MDR und SWR darauf bestanden, dass die Protagonisten aus den Sendegebieten der beiden ARD-Anstalten stammen. Orgasmusschwierigkeiten lassen sich beheben, föderaler Irrsinn scheint dagegen unheilbar.

Christian Holst

>>> Make Love im TV
sonntags, MDR, 22:20 Uhr

>>> Paula kommt .. im TV
freitags, Sixx, 22:30 Uhr