Sie eckt an, und die Zuschauer lieben sie dafür: Wenn Kommissarin Heller am Samstagabend im ZDF ermittelt, erreichen die Quoten längst "Tatort"-Niveau. Mal sehen, wie es wird, wenn im neuen, achten Fall "Vorsehung" auch das letzte bisschen Normalität im Leben der Ermitt­lerin flöten geht. Der Film ist ein Highlight der Reihe, aber selbst für Heller-Maßstäbe ziemlich ­ungewöhnlich.

Das Schauspiel von Lisa Wagner (39) wurde bereits vielfach ausgezeichnet, man kennt sie aus "Weissensee", sie legte in "Letzte Ausfahrt Gera" eine sehr überzeugende Interpretation der mutmaßlichen Naziterroristin Beate Zschäpe vor. Kommissarin Heller ist für die gebürtige Pfälzerin trotzdem etwas ganz Besonderes, wie sie uns im Interview erklärt.

ZDF

Kommissarin Heller in Aktion

Kommissarin Winnie Heller ist oft schlecht gelaunt, widerspenstig und manchmal sogar gewalttätig. Wie haben Sie sich diese Figur erschlossen?
Lisa Wagner: Die Figur hat viel mit mir zu tun, das ging ganz gut. Sie ist nur ein bisschen anders gelagert, dunkler.

Das ist ungewöhnlich, meistens weisen Schauspieler auf den großen Unterschied zwischen sich selbst und ihrer Figur hin.
Die Abgründe kennen wir doch alle, wir geben uns denen nur nicht so hin. Die Wut, die Aggression, das Wilde, das nicht zu zähmen ist. Ich kenne Hellers Tendenzen, aber ich bin gesünder.

Das Publikum liebt die Figur, können Sie sich auch noch über Winnie Heller freuen?
Ja, die Figur überrascht mich selbst, was natürlich absurd ist, weil ich sie spiele. Aber sie führt ein Eigenleben, sie hat sich von mir losgelöst.

Wie meinen Sie das?
Ich sehe, dass ich das bin, aber das ist, als wäre ich betrunken gewesen und hätte jetzt so was wie Flashbacks. Dann fällt mir auf einmal wieder ein, wie wir das gemacht haben. Beim Dreh handle ich aus der Figur heraus, wenn ich mir das dann später ansehe, bin ich selbst geschockt, wie eruptiv das manchmal ist.

Haben Sie auch Hellers Wut?
Schon. Das ist eine Kraft. Wenn man die Wut kanalisieren kann, ist das eine der Antriebsfedern überhaupt. Schauspiel funktioniert gut dafür.

Heller wirkt in ihrem Zorn manchmal fast naiv, wie ein Kind.
Für mich ist sie eine verletzte, wütende Fünfjährige. Sie hat ihrem Kollegen den Geländewagen kaputt gefahren, weil er sie angelogen hat!

Durften Sie das wirklich? Hat das Spaß gemacht?
Ich habe mir das etwas aufregender vorgestellt. Diese Autos gehen automatisch vom Gas, wenn sie auf ein anderes Auto treffen. Ich dachte, ich kann ihm den Wagen richtig schön zu Schrott fahren, aber das ist mit diesen neuen Autos gar nicht möglich. Enttäuschend. Aber grundsätzlich war der Autocrash eine persönliche Wunscherfüllung.

Speziell der Crash eines SUV?
Ja. Ich hasse diese Autos. Die machen einfach überhaupt keinen Sinn. Brauchen viel zu viel Sprit, sind besonders gefährlich für Fußgänger und Radfahrer. Für Vespa-Fahrer wie mich ist es noch schlimmer.

Wollen Sie eigentlich authen­tische Polizeiarbeit abbilden?
Ich habe mich schon mit Profilern getroffen, aber grundsätzlich interessiert mich das für die Figur nicht. Dann müsste man die Hälfte der Zeit zeigen, wie Winnie irgendwelche Formulare ausfüllt. Das will kein Mensch sehen.

Lieber eine coole Ermittlerin, auch wenn sie im wahren Leben längst entlassen worden wäre.
Im letzten Fall hat Winnie einen Mann nackt durch den Wald getrieben, einfach weil sie ihn nicht mochte - das geht natürlich gar nicht. War als Situation aber toll.

Sie sind in der Rolle mal nackt in einen See gesprungen. Am nächsten Tag waren die ­Zeitungen voll mit Fotos der ­Szene. Nervt das nicht?
Ich lese keine Kritiken und bin auch nicht bei Facebook, insofern habe ich diese Welle nicht so mitbekommen. Aber ich war sauer, dass das ZDF diese Szene in den Trailer geschnitten hat. Das fand ich reißerisch. Für die Figur wäre es inkonsequent gewesen, mit Hemdchen und Höschen ­baden zu gehen. Das macht die einfach nicht.

Ihr Kollege Hans-Jochen Wagner ist jetzt "Tatort"-Kommissar und darf nicht zeitgleich ein Kom­missar beim ZDF sein. Er wurde ­ herausgeschrieben, Winnie Heller muss jetzt allein klarkommen.
Ja, das war ein harter Schlag. Aber wir haben einen guten Weg gefunden, dass er weg ist, ohne weg zu sein.