Die Hauptrolle in einer erfolgreichen Serie zu spielen kann Fluch und Segen zugleich sein. Einerseits hat man finanziell ausgesorgt - wie Hugh Laurie, der für jede Folge von "Dr. House" 700 000 Dollar kassiert. Auf der anderen Seite kann es passieren, dass die Zuschauer und vor allem die Produzenten den Star nur noch in dieser einen Rolle akzeptieren - ein Schicksal, das alle männlichen Stars von "Friends" teilen.

Auch für Kiefer Sutherland besteht diese Gefahr. Acht Jahre lang rettete er in "24" die Welt und wurde dafür mit 13 Millionen Dollar pro Staffel fürstlich entlohnt. Doch wenn er mittlerweile über die Straße läuft, rufen ihm die Menschen nicht mehr Kiefer, sondern Jack hinterher - so sehr ist die Identität von Suther­land mit der seines Serienhelden Jack Bauer verschmolzen.

Jetzt, nur zwei Jahre später, versucht sich der 45-Jährige aus dem Schatten des Terroristenjägers zu lösen - ausgerechnet mit einer neuen Serie. Ob es Kiefer Sutherland in seiner neuen Rolle akzeptiert wird, müssen die nächsten Jahre zeigen.

Im Interview mit TV SPIELFILM gab sich der Serienheld für seine neue Rolle als sensibler Vater eines autistischen Sohns zumindest optimistisch. Dabei hat ihm "Touch" eigentlich überhaupt nicht in seine Karriereplanung gepasst.

Vor 22 Monaten waren Sie noch als Jack Bauer zu sehen, jetzt sind Sie wieder Star einer Serie. War das so geplant?

KIEFER SUTHERLAND Überhaupt nicht. Ich habe das Drehbuch nur aus Respekt vor unserem Autor Tim Kring gelesen. Und als ich auf Seite 30 war, dachte ich nur (spricht deutsch): "Scheiße", weil ich wusste, dass ich diese Serie nicht im TV sehen will, ohne dass ich dabei bin.

Warum gerade "Touch"?

KIEFER SUTHERLAND Es hat mir das Herz zerrissen. Ich habe zwei Töchter und zwei Enkelkinder und konnte mir gut vorstellen, wie hart es sein muss, wenn einem die normalen Kommunikationswege mit seinem Kind nicht offenstehen.

Wie schwierig war es, das richtige Kind für diese Rolle zu finden?

KIEFER SUTHERLAND Ich dachte, es sei unmöglich. Darum suchten wir überall, drei der vierzig Finalisten waren sogar aus England. David war als Erster dran, und als er fertig war, dachte ich: "Wow, das war gut. Wenn die alle so sind, finden wir ein sensationelles Kind." Aber keines der anderen Kinder kam an ihn ran. David ist ein so ruhiger, nachdenklicher, intensiver junger Mensch. Er erinnert mich ein wenig an Yoda aus "Star Wars".

David ist erst elf Jahre alt. Hätten Sie sich in seinem Alter so eine Rolle auch zugetraut?

KIEFER SUTHERLAND Ich habe mit elf mein erstes Thea­terstück gespielt. Ich hätte sicher auch eine Serie drehen können, allerdings glaube ich nicht, dass mir das gutgetan hätte. Es ist für Kinder allgemein nicht die beste Idee. Wenn David nicht so einen fantastischen Familienrückhalt hätte, würde ich ihm zuflüstern, dass er sich das nicht antun soll.

Warum tun Sie es sich denn an? Oder hat sich Ihr Arbeitspensum im Vergleich zu "24" verringert?

KIEFER SUTHERLAND Nein, es ist sogar schlimmer. Ich hatte ganz vergessen, wie schwer es ist, eine erste Staffel zu drehen. Jetzt treffen wir alle wichtigen Entscheidungen. Also drehen wir, schneiden es, stellen fest, dass wir es nicht mögen, drehen es noch mal und so weiter - bis wir irgendwann den Punkt erreichen, an dem es funktioniert.

Und wie funktioniert es?

KIEFER SUTHERLAND Offensichtlich ganz gut. Wir haben eine Firma, die Facebook und Twitter nach Reaktionen durchforstet. 89 Prozent waren positiv. Ich, der nichts übers Internet weiß, bin erst mal wütend geworden. Das ist ja furchtbar. Wer zum Teufel sind die anderen 11 Prozent? Da mussten sie mich erst mal beruhigen: "Du verstehst das nicht. Wir haben zweimal gezählt, weil wir noch nie eine so gute Zahl gesehen haben."

Hat man dennoch Angst, dass die Serie eingestellt wird?

KIEFER SUTHERLAND Ja, aber das muss man verdrängen. Bei "24" ging das ganz einfach, weil ich so naiv war. Ich hatte nie Fernsehen gemacht und keine Ahnung, dass die Hälfte der Crew sich Sorgen machte, ob sie in drei Monaten noch Arbeit hat. Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass wir nicht so lange drehen dürfen, wie wir wollen.

Kann es mit "Touch" auch so lange gehen wie bei "24"?

KIEFER SUTHERLAND Ich glaube daran. Klar, sonst würde ich die Serie ja nicht machen. Bei "24" haben alle gesagt: "Das halten wir nie durch" - und am Ende hatten wir 200 Folgen. Der Vorteil bei "Touch" ist, dass wir - anders als bei "24" - nicht mit heißer Nadel stricken müssen. Tim Kring hat schon Pläne für weitere Staffeln und eine übergreifende Idee. Kurz gesagt: Ich glaube, es ist möglich, aber fragen Sie mich bitte in ein paar Jahren noch mal.

"24" war sehr zynisch, "Touch" ist optimistischer. Wollen Sie Jack Bauer hinter sich lassen?

KIEFER SUTHERLAND Überhaupt nicht. Ich wollte in die­sem Jahr ursprünglich sogar den lang geplanten "24"-Kino­film drehen. Ich liebe Jack Bauer - selbst wenn die politische Aus­sa­ge der Serie nicht meine Meinung widerspiegelt. Natürlich kann auch ich zynisch sein, aber das ist auch einfach. Hoffnung ma­chen ist dagegen viel schwieriger. Ich bin stolz, dass sich "Touch" auf die Gemeinsamkeiten der Menschheit fokussiert: Ja, wir haben kulturelle, religiöse und sprachliche Differenzen, aber darunter liegen Gemeinsamkeiten, die all dies überbrücken können. Das ist eine unglaublich hoffnungsvolle Idee. 

Rüdiger Meyer