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Interview: Ulrich Tukur/Benjamin Sadler

Der schrecklich nette Herr Rommel

Wie sympathisch darf ein Wehrmachtsgeneral sein? Ulrich Tukur und Benjamin Sadler haben ihre Meinung ("Rommel" - DO, 1.11.)

Er war lange Hitlers Lieblingsgeneral und wurde von Propagandaminister Joseph Goebbels zum Mythos stilisiert. Und doch wird Generalfeldmarschall Erwin Rommel in der öffentlichen Wahrnehmung nicht dem Schreckenskabinett des Hitler-Regimes zugerechnet. Wer war der Mann wirklich?

Ein top besetzter Spielfilm zeigt jetzt die letzten sieben Monate im Leben des einstigen Vorzeigekriegers, der im Frühjahr 1944 an der französischen Atlantikküste die Landung der Alliierten verhindern sollte.

Ulrich Tukur spielt Rommel, Benjamin Sadler seinen Stabschef Hans Speidel, der Rommel zur Unterstützung des Attentats auf Hitler überreden soll.

TV SPIELFILM: Ulrich, Sie spielen Rommel als aufrechten, menschlichen General. Hatten Sie beim Anschauen des Films mal das Gefühl: Der ist mir ein bisschen zu nett geraten?

ULRICH TUKUR Das Drehbuch hat diese Richtung vorgegeben. Es demontiert ihn nicht, sondern zeigt eine zerrissene, am Ende tragische Figur. Und so etwas berührt die Menschen. Natürlich hätte man ihn schmaler, humorloser, brutaler spielen können, aber das hätte weder der Sache genutzt noch unbedingt seinem Charakter entsprochen.
BENJAMIN SADLER Das war seine ganz bewusste Entscheidung, vor der ich größten Respekt habe, weil sie sicher kontrovers diskutiert werden wird. Wie Uli es schafft, diesen Film vom Anfang bis zum Schluss zu tragen. Als sein Partner und Kollege habe ich enorm davon profitiert.

ULRICH TUKUR Zudem gibt es etwas an Rommel, was mich tief berührt.

Und das ist?

ULRICH TUKUR Der ungeheure Konflikt, in dem er steckt. Der Erste Weltkrieg, den er als junger Offizier mitgemacht hatte, ging verloren. Nun muss er erleben, dass der Zweite Weltkrieg nicht nur nicht mehr zu gewinnen ist, sondern sein Vaterland der völligen Vernichtung zuführt. Er erkennt, dass er einem wahnsinnigen Hasardeur dient, und sucht eine Lösung im Rahmen seiner Möglichkeiten und soldatischen Moralvorstellungen.

Die Historiker streiten darüber, ob er Stauffenbergs Attentatspläne gedeckt oder nur auf eine Kapitulation Hitlers gesetzt hat.

ULRICH TUKUR Ich glaube, dass er zutiefst darunter litt, nicht den Mut und die geistige Unabhängigkeit zu besitzen, die ihn dazu befähigt hätten, in den Lauf der Geschichte einzugreifen. Äußerlich beherrscht und diszipliniert, fällt er im Inneren auseinander.
Der Film zeigt ihn als beinahe väterlich im Umgang mit seinen Soldaten. Was ist mit der anderen, der brutalen und karriereversessenen Seite dieses Mannes?

ULRICH TUKUR Rommel war ein ambivalenter Charakter, das macht es ja für einen Schauspieler so spannend, sich ihm zu nähern. Er war mit Leib und Seele Soldat und ein anerkannt fairer Heerführer, was ihm die Achtung seiner Gegner einbrachte. Er hat die Mühsal der Front mit seinen Truppen geteilt, aber seinem militärischen Ehrgeiz auch Soldaten geopfert, die nicht hätten geopfert werden dürfen. Der propagandistisch ausgeschlachtete Sieg von Tobruk 1941 war ein solches Beispiel militärischer Sinnlosigkeit.

BENJAMIN SADLER In Deutschland glauben wir immer, wir müssten uns nach allen Seiten absichern. Das finde ich anstrengend und unnötig. Sich politisch korrekt verhalten, was immer das auch heißen mag. Wenn man einen solchen Mann spielt, muss man beim Zuschauer Interesse für diese Figur wecken, und das geht natürlich am besten, indem man auch seine sympathischen Eigenschaften zeigt. Jemandem, der daherkommt wie eine Abrissbirne, wird man nicht zuschauen wollen.

Aber deshalb muss man ja nicht gleich einen Mr. Nice Guy aus ihm machen.

BENJAMIN SADLER Es gibt Leute, die stinksauer waren, weil Uli ihnen den Rommel menschlich so nahebringt. Ich finde solche Emotionen super. Denn diese Leute werden sich jetzt mit Rommel auseinandersetzen und sich ein eigenes Bild machen. Mehr kann fiktionales Fernsehen nicht erreichen. Die reinen Fakten abzubilden - das kann jeder Dokumentarfilmer besser als wir.

ULRICH TUKUR Es ist ein alter Trick aus dem Theater, Figuren, die negativ besetzt sind, etwas Positives zu geben, damit sie stärker und nachhaltiger wirken.

BENJAMIN SADLER Es wäre nicht nur billig, sondern auch völlig falsch, Hitlers Generäle als eindimensionale Monster zu zeigen. Sicher, sie waren seine willfährigen Vollstrecker und haben viel zu spät eingesehen, dass sie seinen realitätsfernen Führungsbefehlen etwas entgegensetzen müssten. Dadurch haben sie eine Schuld auf sich geladen, die für Generationen reicht. Aber sie waren eben auch nur Menschen.

Wirft der Film nicht einen verklärten Blick auf Hitlers Wehrmacht?

ULRICH TUKUR Der Film verklärt nicht, er zeigt die andere Seite, den inneren Konflikt eines Menschen. Aber egal aus welcher Perspektive er erzählt ist, ein Blick auf den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg ist immer auch ein Blick in den Abgrund der menschlichen Seele. Warum ein ganzes Volk, das kulturell sehr hoch stand, einem Rattenfänger und seiner unmenschlichen Ideologie gefolgt ist, gehört zu den Geheimnissen, die wir nie wirklich verstehen werden.

Haben Sie beide gedient?

BENJAMIN SADLER Ich habe ein freiwilliges soziales Jahr gemacht.

ULRICH TUKUR Ich bin wohl der einzige deutsche Schauspieler, der beim Bund war. Bei der Luftwaffe.

Der Traum vom Fliegen?

ULRICH TUKUR Ich war Fallschirmjäger. (lacht) Quatsch, ganz normaler Wehrdienst. Ich hatte gerade meine Grundausbildung in der Hamburger Lettow-Vorbeck-Kaserne begonnen, da herrschte uns ein Feldwebel beim Morgenappell an: Wer von euch langhaarigen Affen hat hier eine Eins im Abitur in Englisch? Die hatte ich und trat vor. Wollen Sie Sprachlehrer werden? Ja. Man schickte mich nach Köln-Hürth, dort habe ich einen pädagogischen Kurzlehrgang im Bundessprachenamt absolviert und bin dann aufs deutsche Militär losgelassen worden, um denen Englisch beizubringen.

Hat die Zeit beim Bund geholfen, einen General zu spielen?

ULRICH TUKUR Dieses rabiat Militärische, das in der deutschen Wehrmacht vorherrschte, war zu meiner Zeit bei der Bundeswehr nicht mehr vorhanden. Das war ein sehr lockerer Haufen, mit dem man nicht mal einen Krieg gegen Dänemark gewonnen hätte. Ich habe mich beim Salutieren immer in die Büsche geschlagen, weil es mir einfach zu peinlich war, mich hinzustellen, die Hacken zusammenzuknallen und zackig die Hand an die Mütze zu führen.

Was macht es mit Ihnen, einen Mann zu spielen, der über Leben und Tod entscheidet?

ULRICH TUKUR Mich hat es nie fasziniert und auch in keiner Weise berauscht. Es war Spiel und hat mich immer etwas beschämt. Es macht mir keine Freude, mich über andere zu erheben.

Gab es beim Drehen emotional anstrengende Szenen?

BENJAMIN SADLER Einige. (lacht) Dagegen haben wir tapfer mit gutem Essen und gutem Rotwein angekämpft.

ULRICH TUKUR Benjamin hat sich das durch seine morgendliche Lauferei wegtrainiert. Bei mir sieht man sehr deutlich, dass wir gut gegessen und edel getrunken haben. Das wäre dann auch endlich mal eine echte Kritik an unserem Film: Sie zeigen einen Rommel, der nie und nimmer so fett gewesen ist! Aber es gab wirklich eine Situation, die mich sehr ergriffen hat, das ist die letzte Stunde seines Lebens. Zwei Generäle der SS besuchen Rommel, der mit allem rechnet, nur nicht mit der Mitteilung, er sei Mitwisser des Attentats auf Hitler und hätte somit sein Leben verwirkt. Sie geben ihm fünfzehn Minuten, um sich von seiner Familie zu verabschieden und sich zu entscheiden für a) "Selbstmord", ein Begräbnis mit allen militärischen Ehren und Schonung der Familie, oder b) einen Prozess, Hinrichtung und Sippenhaft. Der äußerst korrekte Abschied von seinem Sohn Manfred, dem er den Hausschlüssel und seine Geldbörse übergibt, hat mich geschmissen. Da geht ein Mensch zugrunde, und man sieht es ihm äußerlich nicht an.

Susanne Sturm