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Ulrich Tukur spielt "Rommel" in einem neuen ARD-Spielfilm

Zwischen Hitler und dem Widerstand

In Frankreich muss sich Rommel 1944 entscheiden, ob er weiter zu Hitler hält oder sich den Verschwörern vom 20. Juli anschließt. Ulrich Tukur spielt den General als einen aufrechten Soldaten, der nicht länger an den Diktator glaubt, aber sich auch nicht zur Beteiligung am Attentat durchringen kann (DO, 1.11.)

Das Dritte Reich war nicht nur Schwarz und Weiß, mit finsteren Figuren wie Heinrich Himmler auf der einen Seite des Spektrums und der Lichtgestalt Sophie Scholl auf der anderen. Viele Menschen, auch prominente, standen irgendwo dazwischen: im Zwielicht, wo man im NS-Staat Karriere machte, ohne sich direkt an dessen Verbrechen zu beteiligen.

Der Schauspieler Gustaf Gründgens, von Klaus Maria Brandauer in István Szabós "Mephisto" kongenial verkörpert, war so ein Fall. Generalfeldmarschall Erwin Rommel, von der NS-Propaganda zum Urbild des arischen Kriegers stilisiert, war ein anderer. Ulrich Tukur verkörpert ihn in einem neuen ARD-Spielfilm, der sich auf die letzten Monate im Leben des Generals konzentriert, als aufrechten und fairen Soldaten. Der schrecklich nette Herr Rommel?

"Das Drehbuch hat diese Richtung vorgegeben", sagt Ulrich Turkur. "Es zeigt eine zerrissene, am Ende tragische Figur." Für den Ausnahmeschauspieler ist es nicht das erste Mal, dass er sich mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzt. In dem ARD-Dokudrama "Eichmanns Ende - Liebe, Verrat, Tod" (2010) verkörperte er einen ehemaligen SS-Offizier. Aber Rommel ist da schon von einem anderen Kaliber. Seine Rolle im Dritten Reich ist bis heute umstritten.
In der Bundesrepublik galt er lange als ein Mann des Widerstands, der enge Kontakte zu den Verschwörern des 20. Juli gehalten hatte und der deshalb von Hitler in den Selbstmord getrieben wurde: ein (Wunsch-)Bild, das gut zur neuen, 1955 gegründeten Bundeswehr passte, die nach politisch unbelasteten Vorbildern suchte.

Rommels früherer Stabschef Hans Speidel (im Film von Benjamin Sadler dargestellt), der eine wichtige Rolle bei der Wiederbewaffnung Deutschlands spielte, strickte mit seinem Buch "Invasion 1944" ebenso an der Legende mit wie Winston Churchill, der Rommel als Mann des Widerstands würdigte. Heute sieht man klarer die Schattenseiten im Charakter des Kriegshelden aus Schwaben, wozu auch neuere Publikationen wie Ralf Georg Reuths Studie "Rommel. Das Ende einer Legende" (2004) beigetragen haben.

Für die ARD ist Rommel keine unbekannte Figur. 2005 lief im Ersten die dreiteilige TV-Doku "Mythos Rommel". Deren Autor, Maurice Philip Remy, schrieb auch das erste Drehbuch zu dem Spielfilm mit Ulrich Tukur. Es wurde jedoch abgelehnt. Für die Finanzierung eines am Ende sechs Millionen Euro teuren Fernsehfilms sind Fördergelder nötig, doch Remys Buch fand bei den zuständigen Gremien in Baden-Württemberg und Bayern keine Gnade. Eine offizielle Begründung gibt es nicht. Angeblich waren nicht inhaltliche Fragen entscheidend, sondern dramaturgische Probleme. Remy ist eher Dokumacher als Spezialist für Spielfilme, hat aber mit dem Drehbuch zu "Mogadischu" gezeigt, dass er auch für fiktionale Filme schreiben kann.

Als die Familie Rommel das neue, vom "Tatort"- erprobten Autor und Regisseur Niki Stein verfasste Skript zu lesen bekam, beschwerte sich Erwin Rommels Sohn Manfred (83) beim SWR- Intendanten Peter Boudgoust. Der CDU-Politiker und ehemalige Oberbürgermeister von Stuttgart klagte laut "Bild am Sonntag", dass der Wandel seines Vaters vom Hitler-Verehrer zum Widerstandskämpfer nicht deutlich werde.

Manfred Rommel beharrt darauf, dass sein Vater schon nach der zweiten Schlacht von El Alamein, die am 4.11.1942 mit einer deutschen Niederlage endete, zum Hitler-Gegner wurde, als er den Befehl des Diktators ignorierte, die Stellung um jeden Preis zu halten. Regisseur Stein sagt dagegen: "Er ist lange ein Wegseher gewesen, wie so viele Deutsche, gefangen in der Faszination, die Hitler auf ihn ausübte. Der Wandel, den er in seinen letzten sechs Monaten vollzieht, ist umso radikaler. Das macht diese Zeit so erzählenswert."

Der befürchtete oder erwartete kritische Film ist "Rommel" nicht geworden. Niki Stein geht mit dem Feldherrn nicht schärfer ins Gericht als Remy, aber er hat anders als dieser keinen persönlichen Draht zur Familie, was womöglich deren heftige Reaktion auf das neue Drehbuch erklärt. Eine Einladung der Produktionsfirma teamWorx und der ARD, sich den Film vorab anzusehen, lehnte Manfred Rommel jedenfalls ab.

"Ich glaube, dass Erwin Rommel zutiefst darunter litt, nicht den Mut und die geistige Unabhängigkeit zu besitzen, die ihn dazu befähigt hätten, in den Lauf der Geschichte einzugreifen", sagt Ulrich Tukur. Äußerlich ließ sich der General von seinen Zweifeln nichts anmerken. Und so gibt ihn Tukur als einen Soldaten, der sich liebevoll um seine Familie kümmert: "Es ist ein alter Trick, Figuren, die negativ besetzt sind, etwas Positives zu geben, damit sie stärker wirken."

Anders als die meisten Spielfilme über Rommel, die den "Wüstenfuchs" als genialen General in Nordafrika zeigen, beschränkt sich der neue TV-Film auf den Kriegsschauplatz in Frankreich 1944. Das entlastet das Budget, hat aber auch den Vorteil, dass wie schon in "Stauffenberg" (ARD, 2004) der Schlachtenlärm nicht die Stimme des Gewissens übertönt.

Im Unterschied zum Grafen brach Rommel nicht seinen auf Hitler geschworenen Eid. Er wusste von den Attentatsplänen, beschränkte sich aber aufs Beobachten. Genützt hat es ihm nicht. Hitler zwang Rommel am 14.10.1944 zum Selbstmord. Eine Doku im Anschluss und das Online-Angebot www.DasErste.de/Rommel (ab 15.10.) liefern weitere Informationen.

Rommel
DI, 1.11., DAS ERSTE 20.15 Uhr