"Aller Unfug ist schwer." Der legendäre Entertainer Peter Frankenfeld prägte diesen Satz, und Olli Dittrich würde ihn sicher unterschreiben. Denn nichts ist schwieriger als die Reduzierung einer Figur auf eine Essenz, die dem Betrachter in Sekunden ihren ganzen Charakter offenbart.
Vicco von Bülow alias Loriot war der Großmeister dieser Kunst. Als legitimen Nachfolger sah der weise Humorist im weiten Rund der deutschen Comedyszene, die von Krawallkomikern wie Mario Barth, Bülent Ceylan oder der schrillpinken Cindy aus Marzahn dominiert wird, nur einen: Olli Dittrich.

An dessen "Dittsche" und allen anderen Parodien, die Dittrich seit den legendären "RTL Samstag Nacht"-Zeiten hingelegt hat (von Boris Becker über Michael Schumacher bis zum Fußball­kaiser), hatte der Grandseigneur seine helle Freude: "Olli Dittrich ist als Beckenbauer noch genauer als Beckenbauers Beckenbauer."

Sicher hätte Loriot mit Vergnügen gesehen, was der 56-Jährige jetzt in liebevoller Detailarbeit für Das Erste produziert hat. "Frühstücksfernsehen" heißt es, wird aber nicht frühmorgens, sondern zur besten Late-Night-Zeit gesendet.

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Die 30 Minuten haben alles, was auch die schlaftrunkenen Zuschauer des "Morgenmagazins" von ARD und ZDF montags bis freitags zwischen 5.30 Uhr und 9.00 Uhr geboten bekommen: Zwei mit uns Zuschauern bestens befreundete Moderatoren kündigen auf einem knallbunten Sofa launige oder launig gemeinte Beiträge an und begrüßen Studiogäste, denen die Uhrzeit trotz Schminke oft ins Gesicht geschrieben steht.

Erfunden, aber wahr

"Unsere Version des ‚Frühstücks­fernsehens‘ ist frei erfunden", sagt Dittrich, "aber von der Wahrheit kaum zu unterscheiden. Man könnte die Studiomoderatoren Sören Lorenz und Claudia Akgün (gespielt von der wunderbaren Cordula Stratmann) auch morgens auf Sendung schicken - die Zuschauer würden keinen Unterschied merken."

Das mag unter anderem daran liegen, dass die Originalkulisse des "Morgenmagazins" samt der "kleinsten Bühne der Welt" die Kulisse fürs "Frühstücksfernsehen" bildet. Auch die vier Themenblöcke sind so gefasst wie frühmorgens üblich: Aktuelles aus Politik, Kultur, Sport und dem Boulevard und zum Schluss ein musikalischer Gast. Im "Morgenmagazin" sind das meist heimische Barden, im "Frühstücksfernsehen" wird ein internationales Rockidol auftreten und der Co-Moderatorin zuvor eines seiner raren Interviews gewähren.

Höchst vergnüglich wird die Sache dadurch, dass Dittrich alle Rollen selbst spielt: Da wäre die CSU-Bürgermeisterin Ingrid Höffelhuber, die mit heiligem Zorn gegen Lärmverursacher zu Felde zieht, der argentinische Fußballstar Edson Santiago Pi­porente de la Paz, kurz Pipo, der nach einem Sensationstransfer als neuer Star des HSV reüssieren soll, oder Außenreporter Sandro Zahlemann, der vom Wetter schwer zerzaust auch Sinnfreies mit großem Eifer berichtet. Neben diesen Eigenkreationen hat sich Dittrich diesmal prominente Unterstützung für Cameo-Auftritte geholt. Es treten auf: Ben Becker, HSV-Trainer Thorsten Fink, Sportmoderator Reinhold Beckmann und Literaturkritiker Hellmuth Karasek - obwohl Dittrich sie sicher auch grandios hätte parodieren können.

In 20 Jahren als Humorist hat der dreifache Grimme-Preisträger die Kunst der Anverwandlung perfektioniert. Ab 2000 tauchte er mit der kongenialen Anke Engelke als Partnerin in der sechsteiligen ZDF-Impro­reihe "Blind Date" tief in die jeweiligen Charaktere ein. Als Werbegesicht für Media Markt spielte er die unterschiedlichsten Kundentypen; mit dem Regisseur der Clips, Otto Alexander Jahrreiss, und Katja Riemann drehte er 2011 den Kinofilm "Die Relativitätstheorie der Liebe", in dem er fünf Figuren spielte. Sein Credo: "Eine gute Parodie ist daran zu erkennen, dass das Original zu erkennen ist. Deshalb muss man sich zuerst einmal fragen, ob das Original von sich aus Komik anbietet."

Dittrichs Meisterstück

Kaum jemand eignet sich dafür besser als "Kaiser" Franz, der stets wie ein Elder Statesman daherkommt, obwohl das, was er zum Besten gibt, oft arg verschwurbelt ist. Und so war Dittrichs bishe­ri­ges Meisterstück die TV-Sendung "Was tun, Herr Beckenbauer?", in der Harald Schmidt im Dezember 2006 das lebende Fußballdenkmal interviewte. Bis in die Haarspitzen genau hatte Dittrich die Figur ausgearbeitet und als "Kaiser" jovial Anekdoten wie die von einer Papstaudienz erzählt: "Er hat gesagt, Sie sind eine Licht­ge­stalt, ich hab gesagt: Sie aber auch. Da ham wir beide gelacht."

Kleinere, aber genau so sorgfältig ziselierte Charakterstudien zeigt er jetzt im "Frühstücksfernsehen". Wenn die Quote stimmt und sich der Sender traut, mög­licherweise demnächst auch häufiger. Damit nähert er sich ein Stück mehr seinem Traum, "Filme mit fiktiven Figuren zu drehen, die so echt sind, dass sie auch im realen Leben bestehen könnten, wie es etwa Woody Allen mit 'Zelig' gemacht hat".

Mit "Dittsche" hat er schon eine solche Figur geschaffen. Seien wir gespannt, wen er ihm noch zur Seite stellen wird.

Susanne Sturm

Frühstücksfernsehen
MO, 6.5., Das Erste, 23:30 Uhr