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Beim Dreh von "Hannibal"

Lafer! Lichter! Lecter!

Hannibal
Mads Mikkelsen bringt "Hannibal" in Serienform

Am Set der neuen Serie "Hannibal" (donnerstags) braucht es viel Mut und vor allem einen stabilen Magen, wie unser TV SPIELFILM-Korrespondent Scott Orlin erfahren durfte

Mit dem Roman "Roter Drache" entfesselte Thomas Harris 1981 eine der faszinierendsten Serienkillerkarrieren: die des Kan­ni­balen Hannibal Lecter. Zwei weitere Male widmete er sich der Figur, die Anthony Hopkins mit seinem Oscar-gekrönten Auftritt in "Das Schweigen der Lämmer" unsterblich machte. Doch seit 14 Jahren hat Harris für den populären Bösewicht keine neue Geschichte mehr erfunden - das bedeutet jedoch nicht, dass Hannibal Lecter nicht weiterlebt.

In einem ehemaligen Warenhaus im kanadischen Mississauga bittet der Kannibale wieder zu Tisch - dieses Mal in einer Fernsehserie. "Hannibal" transportiert den Zuschauer zurück zu den Anfängen der Figur. Serienboss Bryan Fuller ("Pushing Dai­sies") verpasst dafür zwei Seiten aus "Roter Drache" seinen ganz eigenen Dreh. Im Roman beschreibt Harris, wie FBI-Agent Will Graham (Hugh Dancy) durch seine Treffen mit Lecter einen Nervenzusammenbruch erleidet. Fuller entwickelt aus dem kurzen Abschnitt eine eigene Welt, in der Hannibal und Will eine weitaus intensivere Beziehung verbindet: die eines Psychiaters und seines Patienten.
"Als ich das Buch las, hat mich Will Graham fasziniert", sagt Fuller. "Im Film bekam seine Figur nicht genug Aufmerksamkeit. Ich hatte das Gefühl, eine Serie mit ihm als zentralem Charakter könne in die Tiefe gehen und seine Neurosen herausarbeiten."
Hannibal isst nur unanständige Menschen

Fuller entwickelte ein großes Was-wäre-wenn-Szenario. Was wäre, wenn Thomas Harris vor "Roter Drache" drei weitere Bücher geschrieben hätte, die nur noch niemand gelesen hat? Und was wäre, wenn David Lynch die Figuren in seine Hände bekommen hätte? Aus diesen Annahmen entstanden die Geschichten für die ersten Episoden.

"Alle denken bei Lecter immer nur an den Kannibalen, aber er hat diesen scharfen Verstand", fügt der Showrunner hinzu. "Sein Motto ist es, nur unanständige Menschen zu essen. Wenn du ihn mit dem Auto schneidest, lässt er dich in Ruhe. Aber wenn du als Mensch ein Schwein bist, stell dich darauf ein, irgendwann sein Schinken zu werden."

Neben Dancy agieren Laurence Fishburne als FBIAgent Jack Crawford, Gillian Anderson als Lecters Therapeutin, Eddie Izzard als geistesgestörter Häftling und schließlich Mads Mikkelsen in der zentralen Rolle des Lecter - eine Entscheidung, die sich die Macher lange durch den Kopf gehen ließen.

"Mads hat ein fantastisches Gesicht, aber wir hatten Angst, amerikanische Zuschauer würden seinen dänischen Akzent nicht akzeptieren. Schließlich haben wir die Bedenken in den Wind geschlagen und ihn einfach besetzt. Er ist so elegant und kultiviert, er verschmilzt mit der Rolle."

Kurz darauf treffen wir den Mann persönlich. Der Ex-Bond-Schurke sitzt in Lecters elegant dekoriertem Wohnzimmer, aber anders als in seiner Rolle trägt er keinen Dreiteiler, sondern Jeans.

Mikkelsen weiß, dass die Vergleiche mit Anthony Hopkins unvermeidlich sind, und spricht dies offen an: "Ich versuche nicht, Anthony zu kopieren. Wir starten an verschiedenen Punkten. Mein Hannibal ist auf freiem Fuß. In den Büchern geht sein Puls nie über 60. Aber in unserer Version schlägt sein Herz bei den Morden manchmal etwas schneller."

Wirklich widerlich wird es in der Küche

Das wird auch dem Zuschauer nicht anders gehen, denn die Serie ist nah am Horror. Eine Episode bringt es auf 39 Leichen, während in einer anderen die Körper junger Frauen zu einer Pilzfarm umfunktioniert werden. Selbst auf einer Tour durch die Kulissen erlebt man das Grauen. So warten in der "Leichenhalle" jede Menge Filmtote, manche verstümmelt, andere verbrannt, nur riechen tun sie wenigstens nicht. Aber wirklich widerlich wird es erst in der Küche.

Hier kreiert eine Spitzenköchin aus Kuh-Lungen oder Schweineschnauzen Lecters Mahlzeiten und serviert sie Mikkelsen: "Man sagte mir, es sei Schweinesülze aus Kopf, Fuß, Zunge, Herz. Ich habe trotzdem probiert. Und es war köstlich."

Auch Hugh Dancy entdeckt Kunst im Umgang mit Organen: "Unsere Serie hat eine ästhetische Schicht über Gewalt und Tod gelegt. Wenn wir die Opfer finden, ist dies nicht nicht nur bizarr und brutal, sondern von einer gewissen optischen Schönheit."

Der Brite sagte sofort zu, als er das Angebot bekam. "Das erste Drehbuch war verlockend. Der Zuschauer erhält neue Einblick in seine seltsame Welt. Die Beziehung zwischen Hannibal und Will ist der Motor der Serie." Darauf baut auch Bryan Fuller. "In meinem Kopf habe ich Geschichten für fünf Staffeln. Hoffentlich darf ich sie erzählen", fleht der 44-Jährige. Zwei sind "Hannibal" sicher. Wir können uns also länger an Lecter laben.

Scott Orlin

Hannibal
DO, 10.10., Sat.1, 20:15 Uhr