Jung und energisch ist die Neue. Den Sektempfang, den die Kollegen Kommissarin Olga Lenski bereiten, schlägt sie aus: "Ganz lieb. Holen wir nach. Versprochen." Ermittlungen gehen vor. Mit dieser Konzentration auf die Kriminalarbeit hebt sich "Die verlorene Tochter" erfrischend von dem beim "Tatort" weit verbreiteten Ansatz ab, das Privatleben der Ermittler in den Mittelpunkt zu stellen. Mit ihren agilen Figuren beweist der gelungene erste Fall mit Maria Simon außerdem, wie frisch der "Polizeiruf" auch nach 40 Jahren noch ist.
Die Reihe wurde ab 1971 in der DDR als Alternative zum westdeutschen "Tatort" positioniert. Von Verbrechen zu erzählen, war für die Autoren aber oft schwierig. "Am liebsten wäre den Verantwortlichen Kaninchendiebstahl in der Kleingartenanlage gewesen", erinnert sich Rosemarie Wintgen, die damals beim DDR-Fernsehen arbeitete und heute Fernsehspielleiterin beim RBB ist. "Die Diskussion war immer: Kann ein Arbeiter ein Mörder sein? Lieber hat man als Täter jemanden gewählt, der nicht die Arbeiterklasse vertrat, etwa einen selbstständigen Friseur."
Deutschland vereint, die Krimireihen nicht
Nach dem Mauerfall und der Entscheidung, dass es den "Polizeiruf" auch im vereinigten Deutschland geben sollte, setzte sich eine Kommission aus Ost- und West-Redakteuren zusammen, um zu bestimmen, worin sich "Tatort" und "Polizeiruf" unterschieden. Letzterer sei weniger stark ermittlerorientiert und spiele eher auf dem Land, wurde 1990 festgestellt. Bis dahin waren auch deutliche dramaturgische Unterschiede zu bemerken. In der "Skandal"-Folge von 1974 (siehe unten) ist nach 23 Minuten von einem Mord die Rede. Tat und Opfer sind nicht zu sehen. Action auch nicht.
Offizielle Begründung für das Verbot der Episode war trotzdem: "Häufung von Gewaltdelikten". Zum Vergleich: Der Hansjörg-Felmy-"Tatort: Acht Jahre später" aus demselben Jahr beginnt mit einer
wilden Schießerei, die bereits nach drei Minuten ein Opfer fordert. Der Bruder des Toten droht, Kommissar Haferkamp dafür zu töten.
Viele Folgen sind preiswürdig
Die Betulichkeit hat der "Polizeiruf" lange abgelegt. Das Angleichen auf westliche Sehgewohnheiten ging mit einer Experimentierlust einher, die die Reihe sogar besonders innovativ machte - und ihr immer wieder Auszeichnungen bescherte. Besonders Dominik Graf machte sie mit den Folgen "Der scharlachrote Engel" und "Er sollte tot" (beide bekamen den Deutschen Fernsehpreis und Grimme-Preis) zum Festivalthema. Er führt mit "Cassandras Warnung" am 21.8. auch das neue Münchner Team ein.
Ganz ohne Privatleben wird übrigens auch Olga Lenski in Zukunft nicht auskommen. Der stramme Schwangerenbauch von Maria Simon lässt sich beim Drehen nicht kaschieren und wird unvermeidlich auch Olga zur Mutter machen.
Frank Aures
Die Reihe wurde ab 1971 in der DDR als Alternative zum westdeutschen "Tatort" positioniert. Von Verbrechen zu erzählen, war für die Autoren aber oft schwierig. "Am liebsten wäre den Verantwortlichen Kaninchendiebstahl in der Kleingartenanlage gewesen", erinnert sich Rosemarie Wintgen, die damals beim DDR-Fernsehen arbeitete und heute Fernsehspielleiterin beim RBB ist. "Die Diskussion war immer: Kann ein Arbeiter ein Mörder sein? Lieber hat man als Täter jemanden gewählt, der nicht die Arbeiterklasse vertrat, etwa einen selbstständigen Friseur."
Deutschland vereint, die Krimireihen nicht
Nach dem Mauerfall und der Entscheidung, dass es den "Polizeiruf" auch im vereinigten Deutschland geben sollte, setzte sich eine Kommission aus Ost- und West-Redakteuren zusammen, um zu bestimmen, worin sich "Tatort" und "Polizeiruf" unterschieden. Letzterer sei weniger stark ermittlerorientiert und spiele eher auf dem Land, wurde 1990 festgestellt. Bis dahin waren auch deutliche dramaturgische Unterschiede zu bemerken. In der "Skandal"-Folge von 1974 (siehe unten) ist nach 23 Minuten von einem Mord die Rede. Tat und Opfer sind nicht zu sehen. Action auch nicht.
Offizielle Begründung für das Verbot der Episode war trotzdem: "Häufung von Gewaltdelikten". Zum Vergleich: Der Hansjörg-Felmy-"Tatort: Acht Jahre später" aus demselben Jahr beginnt mit einer
wilden Schießerei, die bereits nach drei Minuten ein Opfer fordert. Der Bruder des Toten droht, Kommissar Haferkamp dafür zu töten.
Viele Folgen sind preiswürdig
Die Betulichkeit hat der "Polizeiruf" lange abgelegt. Das Angleichen auf westliche Sehgewohnheiten ging mit einer Experimentierlust einher, die die Reihe sogar besonders innovativ machte - und ihr immer wieder Auszeichnungen bescherte. Besonders Dominik Graf machte sie mit den Folgen "Der scharlachrote Engel" und "Er sollte tot" (beide bekamen den Deutschen Fernsehpreis und Grimme-Preis) zum Festivalthema. Er führt mit "Cassandras Warnung" am 21.8. auch das neue Münchner Team ein.
Ganz ohne Privatleben wird übrigens auch Olga Lenski in Zukunft nicht auskommen. Der stramme Schwangerenbauch von Maria Simon lässt sich beim Drehen nicht kaschieren und wird unvermeidlich auch Olga zur Mutter machen.
Frank Aures