TV SPIELFILM: In "George", einem 115-minütigen Dokudrama, spielen Sie Ihren Vater Heinrich George. Sind Sie zufrieden mit dem Film?
GÖTZ GEORGE: Sehr. Es war für mich ein Mammutunternehmen, zumindest im Kopf. Es ist uns aber gelungen.
Regisseur Joachim Lang ist seit 10 Jahren mit dem Projekt beschäftigt. Sie auch schon so lange?
GÖTZ GEORGE: Nein. Ich habe über die Jahre immer wieder Angebote bekommen, von verschiedenen Produktionen und Regisseuren. Mit immer wieder neuen Ideen diesen Stoff umzusetzen. Ich habe aber stets abgelehnt, weil ich die Realisation nicht für möglich hielt. Joachim Lang kam vor fünf Jahren zu mir und hat umrissen, was er sich vorstellt. Ich habe auch abgelehnt. Aber Joachim Lang ist sehr hartnäckig. Sehr lieb und weich, aber auch ein Überzeugungstäter. Das hat sich dann als sehr positiv herausgestellt.
GÖTZ GEORGE: Sehr. Es war für mich ein Mammutunternehmen, zumindest im Kopf. Es ist uns aber gelungen.
Regisseur Joachim Lang ist seit 10 Jahren mit dem Projekt beschäftigt. Sie auch schon so lange?
GÖTZ GEORGE: Nein. Ich habe über die Jahre immer wieder Angebote bekommen, von verschiedenen Produktionen und Regisseuren. Mit immer wieder neuen Ideen diesen Stoff umzusetzen. Ich habe aber stets abgelehnt, weil ich die Realisation nicht für möglich hielt. Joachim Lang kam vor fünf Jahren zu mir und hat umrissen, was er sich vorstellt. Ich habe auch abgelehnt. Aber Joachim Lang ist sehr hartnäckig. Sehr lieb und weich, aber auch ein Überzeugungstäter. Das hat sich dann als sehr positiv herausgestellt.
Haben Sie einfach nachgegeben oder wollten Sie selbst auch etwas erreichen mit diesem Film?
GÖTZ GEORGE: Ich habe nachgegeben. Mir war das Ganze eigentlich auch ein bisschen zu anstrengend. Das Drehbuch war am Ende gut, das Konzept sagte mir zu, das hat sich alles langsam entwickelt. Mein Bruder war sehr für das Projekt. Das war ein bisschen in den Nebel gefahren von mir. Ich muss da jetzt reinspringen, habe ich mir gesagt. Aber ohne Sentimentalität. Das wäre sonst eine fürchterliche Soße geworden.
Neben Martin Wuttke, Samuel Finzi, Muriel Baumeister, Burghart Klaußner spielen auch in kleinen Rollen sehr gute Schauspieler wie Hanns Zischler und Thomas Thieme an Ihrer Seite.
GÖTZ GEORGE: Mein Vater hatte immer die Besten um sich herum. Also wollte ich das auch. Die haben sich auch nicht bitten lassen. Obwohl die Rollen nicht groß sind. Alle haben sich noch mal mit Heinrich George befasst.
Reißt so eine Filmarbeit nicht alte Wunden wieder auf?
GÖTZ GEORGE: Ich habe mir nicht noch einmal seine Filme angesehen. Ich habe meinen Vater immer in der Erinnerung gehabt. Wie entdecke ich ihn wieder neu? Das war die Herausforderung. Das hat mit Phantasie zu tun. Beim Spielen war schön, zu spüren, dass da sehr viel vom Vater in mir ist. Ich musste eine neue Figur spielen, eine erfinden. Aber ich merkte, dass ich die Gene habe. Ganze Töne, ganze Passagen, ganze Satzsituationen sind Vater-ähnlich.
Man wird Ihr Spiel wieder mit dem des Vaters vergleichen.
GÖTZ GEORGE: Das will ich nicht. Das interessiert mich auch nicht. Mein Vater ist der Größte, wird immer der Größte sein. Er war für mich immer Freund und Vorbild. Niemals das Damoklesschwert, das über mir hängt, wie man immer fälschlicherweise behauptet hat.
Er war immer Begleiter und Zielrichter, der gesagt hat, wenn du diesen Beruf ergreifst, dann mit Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit und Humor. Das sind die Dinge, die ich aufgetragen bekommen habe, auch durch die Mutter. Sie hat mir unendlich viel von Vater erzählt. Ich wollte alles von ihm wissen. Ganz viel habe ich auch von den großen Kollegen erfahren, die ich alle noch mitbekommen habe. Das hat mich geprägt.
Waren Ihnen die Schilderungen der Zeitzeugen neu, die Joachim Lang für den Film aufgespürt hat?
GÖTZ GEORGE: Nein. Ich kannte nicht alle Personen. Aber, was sie erzählten, war deckungsgleich mit dem, was ich schon von meiner Mutter wusste. Der Mann war eigentlich sehr vollständig in meinen Gedanken. Der war so, wie ich ihn versuche darzustellen.
Ist es nicht trotzdem schön von einem ehemaligen Mithäftling zu hören, wie Ihr Vater versucht hat, seine Leidensgefährten aufzumuntern?
GÖTZ GEORGE: Natürlich, das ist wunderbar. Das schreibt ja meine Mutter auch in ihrem Buch. Das hat sich rumgesprochen. Alles, was im Lager geschehen ist, wurde rausgeschmuggelt.
Ich bekomme heute noch Briefe, die genau das bestätigen, was wir in dem Film erzählen. Als bekannt wurde, dass ich den Vater spiele, kamen Briefe von Frauen und Männern, die mit ihm in Sachsenhausen waren.
Die sehr bescheiden sagten, sie seien Mithäftlinge gewesen. Wollten mir noch mal gratulieren, dass ich diesen Part jetzt spiele. Wie er die Leute stabilisiert hat. Wie er totgeweihte Häftlinge noch mal mobilisiert hat.
Sie mussten bei Dreharbeiten auch erheblichen körperlichen Einsatz zeigen. Das muss anstrengend gewesen sein.
GÖTZ GEORGE: Ja, wir hatten nur 21 Tage. Wir mussten sehr viel arbeiten. Der "Fatman", der künstliche Bauch, hat es auch sehr anstrengend gemacht. Dazu noch Mantel und Pelzmütze und Strahler. Das Wasser ist mir in die Schuhe gelaufen. Man ringt da mit dem Umfallen.
Dass der Film jetzt zu so einer Art Geburtstagsfilm geworden ist, ist gar nicht in ihrem Sinne.
GÖTZ GEORGE: Nein, Ich habe die Sender-Obersten angerufen. Das habe ich noch nie gemacht. Damit der Film im Herbst kommt, nicht im Sommer, wenn alle im Urlaub sind. Im Oktober hat mein Vater Geburtstag, das kann man ja als Anlass nehmen. War nichts zu machen. Hat man mir zwar versprochen. Aber nicht gehalten.
Wie gehen Sie damit um?
Dieser Film ist eine Arbeit unter vielen anderen. Man muss eine Arbeit irgendwann abhaken. Ich habe mich eingesetzt für Sendeplätze und Geld, aber irgendwann gibt man auch auf. Die Bürokraten bestimmen die Sendeplätze. Im Sommer wird es kein Mensch sehen wollen.
Hat sich Ihr Bild des Vaters noch einmal geändert? Im Film sind auch Zeitdokumente zu sehen, die sie nicht kannten. In denen Heinrich George Adolf Hitler lobt.
GÖTZ GEORGE: Ich wusste, dass er so verstrickt war in die Nazi-Zeit. Wir haben immer sehr offen darüber geredet, auch meine Mutter. Die war ja nun wirklich Zeitzeugin. Ich habe Sie auch immer danach gefragt.
Sie sagte, dein Vater ist ein Schauspieler. Der war kein politischer Mensch. Der hat sich einlullen lassen. Der mochte das Regime nicht. Das hat man gemerkt. Das sagt auch jeder Zeitzeuge.
Und weil er so ein großer Volksschauspieler war, traute sich natürlich niemand ran. Heinrich George war damals viel, viel populärer als zum Beispiel ich heute. Die damalige Zeit war konzentrierter. George war durch die vielen Tourneen in ganz Europa bekannt. Er war ein Volksheld.
Er hat sich sehr darauf zurückgezogen, dass er Schauspieler ist und seine besondere Verantwortung als exponierte Figur in der Gesellschaft nicht angenommen. Das war das Problem.
GÖTZ GEORGE: Nein. Er war ein solcher Vollblutschauspieler. Für ihn gab es einfach nichts anderes. Und er hat dafür gekämpft, in dem Land bleiben zu können, dessen Sprache er spricht und dessen Dichter er kennt und liebt. Keiner durfte etwas gegen seinen Kleist und seinen Schiller sagen.
Er hat Leute aus dem Theater geworfen für eine lapidare Bemerkung über die geliebten Dichter. Einen solchen Schauspieler habe ich in meiner ganzen Karriere nie wieder erlebt. Er war unpolitisch. Er hat Kompromisse gemacht, weil er gar nicht wusste, was er da tut.
Aber klar ist, dass das Volk sehr darauf schaut, wie sich ein beliebter Volksschauspieler dem Regime gegenüber verhält. Klar ist auch, dass das eine Wirkung hat.
GÖTZ GEORGE: Er hat es nicht ernst genommen. Er ist benutzt worden. Vielleicht hat er sich einfach überschätzt und die Wirkung unterschätzt.
Wie gehen Sie selbst mit der Vorbildfunktion um, die Ihnen zugeschrieben wird? Sie sind auch sehr, sehr populär.
GÖTZ GEORGE: Das wollte ich nie sein.
Sie sind es aber.
GÖTZ GEORGE: Aber deswegen ziehe ich mich ja zurück. Die Vereinnahmung ist fürchterlich. Ich wollte immer ein guter Schauspieler werden, aber nicht so bekannt. Ich gehe nicht in Talkshows, gebe ganz wenig Interviews.
Ich will eigentlich ganz anonym bleiben und deswegen interessiert es mich auch nicht, wenn man mir öffentlich auf die Schulter klopft. Da bin ich wirklich gebrandmarkt durch den Vater. Ich lasse mich von niemandem mehr vereinnahmen.
Sie sagen am Ende vom Film, dass Ihr Vater immer besessener gewesen sei als Sie. Sagen Sie das anerkennend oder mit Bedauern?
GÖTZ GEORGE: Natürlich mit großer Anerkennung. Er ist immer der Bessere gewesen, immer der Besessenere. Die Zeit war natürlich auch eine andere. Die Anerkennung, die er bekommen hat, bekommt man heute nicht.
Besessen bedeutet auch, dass er sich und seinen Körper kein bisschen geschont hat.
GÖTZ GEORGE: Besessen in allem! Er war ja auch ein unglaublicher Egoist. Besessen bedeutet auch, Leute zur Seite zu schieben, um der Kunst Willen. Um seiner Darstellung willen.
Man kann nicht ewig so leben. So ein Arbeitspensum abreißen, so viel trinken.
GÖTZ GEORGE: Er hat sich völlig verausgabt in der Freude am Leben. Der hat natürlich gesoffen und Feste gefeiert. Die Erzählungen der Feste fand ich immer faszinierend. Der war der großzügigste und spontanste Mensch.
Ich habe 30 Jahre lang permanent über den Vater geredet. Das war der Inhaltsstoff meiner Mutter. Deswegen hat sie Kaffeekränzchen gemacht, um diesen Menschen nochmals nach seinem Tod um sich zu haben.
Wären Sie gern besessener?
GÖTZ GEORGE: Na, ich bin ja bis zu einem gewissen Grad besessen. Aber der Rahmen ist in der heutigen Zeit ein anderer. Damals war der Raum viel größer, besessen zu sein. Heute ist man überall eingeengt. Von der ganzen Bürokratie um einen herum. Und natürlich im Bewusstsein dieser deutschen Geschichte.
Mit einem so ausschweifenden Lebensstil wie ihn ihr Vater pflegte, wird man nicht alt. Sie leben noch.
GÖTZ GEORGE: (lacht) Nicht mehr lange. Im Ernst. Heute kann man auch eine so große Phantasie, wie mein Vater sie gehabt hat, nicht ausleben.
Ist der Film eine Art Abschluss für Sie? Kommen Sie in Sachen Heinrich George zur Ruhe?
GÖTZ GEORGE: Ich gehe mit meinem Vater in die Grube. Der ist ja ein Teil von mir. Der war immer präsent. Durch diesen Beruf.
Aber man steht nicht jeden Tag an exakt dem Ort, an dem der Vater gestorben ist, so wie sie und ihr Bruder im Film. Das ist mehr als seinen Vater in Erinnerungen mit sich tragen. Das ist doch auch immer wieder ein Aufreißen, das tut auch weh.
GÖTZ GEORGE: Ja, das tut weh. Aber das weiß ich ja. Ich lasse Sentimentalität nicht zu. Ich lasse ihn als sehr positiven künstlerischen Menschen immer um mich sein. Der begleitet mich und hat mir viel Stärke gegeben. Es ist schwierig genug, sein Leben zu leben und durchzukommen. Ich war immer ein Einzelgänger und hatte in dem Vater immer einen sehr guten Begleiter.
Haben Sie mit dem Film etwas erreicht?
GÖTZ GEORGE: Ich habe einfach meine Pflicht erfüllt. Der Film war nicht meine Idee. Wenn die Leute sich für Heinrich George interessieren, können Sie damit etwas über ihn erfahren. Mein größter Einwand war immer: Interessieren sich die Leute überhaupt noch für ihn? Die Jungen kennen ja mich kaum noch. Vorgestern im Hotel fragten die sehr freundlich nach meinem Namen. George. Und der Vorname...? Das ist so.
Der Film ist nichts Besonderes für Sie?
GÖTZ GEORGE: Ich habe den Film gesehen wie ich andere Filme auch sehe. Der ist ganz gut gelungen. Das ist aber trotzdem nur eine Produktion wie alle anderen auch. Die mich vielleicht ein bisschen mehr bewegt als sonst, aber das auch nur wegen der rührenden Zusammenarbeit mit den Kollegen. Das hatte ich nicht erwartet.
Aber Sie haben doch immer darum gekämpft, dass ihr Vater ein bisschen differenzierter gesehen wird, nicht als Nazi.
GÖTZ GEORGE: Natürlich! Wenn ein Mensch stirbt, so früh wie mein Vater, dann hauen doch alle drauf. Albers, Rühmann und die anderen Schauspieler, die sehr in das Dritte Reich verwobenen waren.
Die lebten noch und wurden gefeiert. Rühmann war immer noch der beliebteste Schauspieler Deutschlands. Die hatten die Chance sich zu rehabilitieren durch ihre Kunst. Wäre mein Vater am Leben geblieben, wäre er der König gewesen.
Interview: F. Aures
GÖTZ GEORGE: Ich habe nachgegeben. Mir war das Ganze eigentlich auch ein bisschen zu anstrengend. Das Drehbuch war am Ende gut, das Konzept sagte mir zu, das hat sich alles langsam entwickelt. Mein Bruder war sehr für das Projekt. Das war ein bisschen in den Nebel gefahren von mir. Ich muss da jetzt reinspringen, habe ich mir gesagt. Aber ohne Sentimentalität. Das wäre sonst eine fürchterliche Soße geworden.
Neben Martin Wuttke, Samuel Finzi, Muriel Baumeister, Burghart Klaußner spielen auch in kleinen Rollen sehr gute Schauspieler wie Hanns Zischler und Thomas Thieme an Ihrer Seite.
GÖTZ GEORGE: Mein Vater hatte immer die Besten um sich herum. Also wollte ich das auch. Die haben sich auch nicht bitten lassen. Obwohl die Rollen nicht groß sind. Alle haben sich noch mal mit Heinrich George befasst.
Reißt so eine Filmarbeit nicht alte Wunden wieder auf?
GÖTZ GEORGE: Ich habe mir nicht noch einmal seine Filme angesehen. Ich habe meinen Vater immer in der Erinnerung gehabt. Wie entdecke ich ihn wieder neu? Das war die Herausforderung. Das hat mit Phantasie zu tun. Beim Spielen war schön, zu spüren, dass da sehr viel vom Vater in mir ist. Ich musste eine neue Figur spielen, eine erfinden. Aber ich merkte, dass ich die Gene habe. Ganze Töne, ganze Passagen, ganze Satzsituationen sind Vater-ähnlich.
Man wird Ihr Spiel wieder mit dem des Vaters vergleichen.
GÖTZ GEORGE: Das will ich nicht. Das interessiert mich auch nicht. Mein Vater ist der Größte, wird immer der Größte sein. Er war für mich immer Freund und Vorbild. Niemals das Damoklesschwert, das über mir hängt, wie man immer fälschlicherweise behauptet hat.
Er war immer Begleiter und Zielrichter, der gesagt hat, wenn du diesen Beruf ergreifst, dann mit Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit und Humor. Das sind die Dinge, die ich aufgetragen bekommen habe, auch durch die Mutter. Sie hat mir unendlich viel von Vater erzählt. Ich wollte alles von ihm wissen. Ganz viel habe ich auch von den großen Kollegen erfahren, die ich alle noch mitbekommen habe. Das hat mich geprägt.
Waren Ihnen die Schilderungen der Zeitzeugen neu, die Joachim Lang für den Film aufgespürt hat?
GÖTZ GEORGE: Nein. Ich kannte nicht alle Personen. Aber, was sie erzählten, war deckungsgleich mit dem, was ich schon von meiner Mutter wusste. Der Mann war eigentlich sehr vollständig in meinen Gedanken. Der war so, wie ich ihn versuche darzustellen.
Ist es nicht trotzdem schön von einem ehemaligen Mithäftling zu hören, wie Ihr Vater versucht hat, seine Leidensgefährten aufzumuntern?
GÖTZ GEORGE: Natürlich, das ist wunderbar. Das schreibt ja meine Mutter auch in ihrem Buch. Das hat sich rumgesprochen. Alles, was im Lager geschehen ist, wurde rausgeschmuggelt.
Ich bekomme heute noch Briefe, die genau das bestätigen, was wir in dem Film erzählen. Als bekannt wurde, dass ich den Vater spiele, kamen Briefe von Frauen und Männern, die mit ihm in Sachsenhausen waren.
Die sehr bescheiden sagten, sie seien Mithäftlinge gewesen. Wollten mir noch mal gratulieren, dass ich diesen Part jetzt spiele. Wie er die Leute stabilisiert hat. Wie er totgeweihte Häftlinge noch mal mobilisiert hat.
Sie mussten bei Dreharbeiten auch erheblichen körperlichen Einsatz zeigen. Das muss anstrengend gewesen sein.
GÖTZ GEORGE: Ja, wir hatten nur 21 Tage. Wir mussten sehr viel arbeiten. Der "Fatman", der künstliche Bauch, hat es auch sehr anstrengend gemacht. Dazu noch Mantel und Pelzmütze und Strahler. Das Wasser ist mir in die Schuhe gelaufen. Man ringt da mit dem Umfallen.
Dass der Film jetzt zu so einer Art Geburtstagsfilm geworden ist, ist gar nicht in ihrem Sinne.
GÖTZ GEORGE: Nein, Ich habe die Sender-Obersten angerufen. Das habe ich noch nie gemacht. Damit der Film im Herbst kommt, nicht im Sommer, wenn alle im Urlaub sind. Im Oktober hat mein Vater Geburtstag, das kann man ja als Anlass nehmen. War nichts zu machen. Hat man mir zwar versprochen. Aber nicht gehalten.
Wie gehen Sie damit um?
Dieser Film ist eine Arbeit unter vielen anderen. Man muss eine Arbeit irgendwann abhaken. Ich habe mich eingesetzt für Sendeplätze und Geld, aber irgendwann gibt man auch auf. Die Bürokraten bestimmen die Sendeplätze. Im Sommer wird es kein Mensch sehen wollen.
Hat sich Ihr Bild des Vaters noch einmal geändert? Im Film sind auch Zeitdokumente zu sehen, die sie nicht kannten. In denen Heinrich George Adolf Hitler lobt.
GÖTZ GEORGE: Ich wusste, dass er so verstrickt war in die Nazi-Zeit. Wir haben immer sehr offen darüber geredet, auch meine Mutter. Die war ja nun wirklich Zeitzeugin. Ich habe Sie auch immer danach gefragt.
Sie sagte, dein Vater ist ein Schauspieler. Der war kein politischer Mensch. Der hat sich einlullen lassen. Der mochte das Regime nicht. Das hat man gemerkt. Das sagt auch jeder Zeitzeuge.
Und weil er so ein großer Volksschauspieler war, traute sich natürlich niemand ran. Heinrich George war damals viel, viel populärer als zum Beispiel ich heute. Die damalige Zeit war konzentrierter. George war durch die vielen Tourneen in ganz Europa bekannt. Er war ein Volksheld.
Er hat sich sehr darauf zurückgezogen, dass er Schauspieler ist und seine besondere Verantwortung als exponierte Figur in der Gesellschaft nicht angenommen. Das war das Problem.
GÖTZ GEORGE: Nein. Er war ein solcher Vollblutschauspieler. Für ihn gab es einfach nichts anderes. Und er hat dafür gekämpft, in dem Land bleiben zu können, dessen Sprache er spricht und dessen Dichter er kennt und liebt. Keiner durfte etwas gegen seinen Kleist und seinen Schiller sagen.
Er hat Leute aus dem Theater geworfen für eine lapidare Bemerkung über die geliebten Dichter. Einen solchen Schauspieler habe ich in meiner ganzen Karriere nie wieder erlebt. Er war unpolitisch. Er hat Kompromisse gemacht, weil er gar nicht wusste, was er da tut.
Aber klar ist, dass das Volk sehr darauf schaut, wie sich ein beliebter Volksschauspieler dem Regime gegenüber verhält. Klar ist auch, dass das eine Wirkung hat.
GÖTZ GEORGE: Er hat es nicht ernst genommen. Er ist benutzt worden. Vielleicht hat er sich einfach überschätzt und die Wirkung unterschätzt.
Wie gehen Sie selbst mit der Vorbildfunktion um, die Ihnen zugeschrieben wird? Sie sind auch sehr, sehr populär.
GÖTZ GEORGE: Das wollte ich nie sein.
Sie sind es aber.
GÖTZ GEORGE: Aber deswegen ziehe ich mich ja zurück. Die Vereinnahmung ist fürchterlich. Ich wollte immer ein guter Schauspieler werden, aber nicht so bekannt. Ich gehe nicht in Talkshows, gebe ganz wenig Interviews.
Ich will eigentlich ganz anonym bleiben und deswegen interessiert es mich auch nicht, wenn man mir öffentlich auf die Schulter klopft. Da bin ich wirklich gebrandmarkt durch den Vater. Ich lasse mich von niemandem mehr vereinnahmen.
Sie sagen am Ende vom Film, dass Ihr Vater immer besessener gewesen sei als Sie. Sagen Sie das anerkennend oder mit Bedauern?
GÖTZ GEORGE: Natürlich mit großer Anerkennung. Er ist immer der Bessere gewesen, immer der Besessenere. Die Zeit war natürlich auch eine andere. Die Anerkennung, die er bekommen hat, bekommt man heute nicht.
Besessen bedeutet auch, dass er sich und seinen Körper kein bisschen geschont hat.
GÖTZ GEORGE: Besessen in allem! Er war ja auch ein unglaublicher Egoist. Besessen bedeutet auch, Leute zur Seite zu schieben, um der Kunst Willen. Um seiner Darstellung willen.
Man kann nicht ewig so leben. So ein Arbeitspensum abreißen, so viel trinken.
GÖTZ GEORGE: Er hat sich völlig verausgabt in der Freude am Leben. Der hat natürlich gesoffen und Feste gefeiert. Die Erzählungen der Feste fand ich immer faszinierend. Der war der großzügigste und spontanste Mensch.
Ich habe 30 Jahre lang permanent über den Vater geredet. Das war der Inhaltsstoff meiner Mutter. Deswegen hat sie Kaffeekränzchen gemacht, um diesen Menschen nochmals nach seinem Tod um sich zu haben.
Wären Sie gern besessener?
GÖTZ GEORGE: Na, ich bin ja bis zu einem gewissen Grad besessen. Aber der Rahmen ist in der heutigen Zeit ein anderer. Damals war der Raum viel größer, besessen zu sein. Heute ist man überall eingeengt. Von der ganzen Bürokratie um einen herum. Und natürlich im Bewusstsein dieser deutschen Geschichte.
Mit einem so ausschweifenden Lebensstil wie ihn ihr Vater pflegte, wird man nicht alt. Sie leben noch.
GÖTZ GEORGE: (lacht) Nicht mehr lange. Im Ernst. Heute kann man auch eine so große Phantasie, wie mein Vater sie gehabt hat, nicht ausleben.
Ist der Film eine Art Abschluss für Sie? Kommen Sie in Sachen Heinrich George zur Ruhe?
GÖTZ GEORGE: Ich gehe mit meinem Vater in die Grube. Der ist ja ein Teil von mir. Der war immer präsent. Durch diesen Beruf.
Aber man steht nicht jeden Tag an exakt dem Ort, an dem der Vater gestorben ist, so wie sie und ihr Bruder im Film. Das ist mehr als seinen Vater in Erinnerungen mit sich tragen. Das ist doch auch immer wieder ein Aufreißen, das tut auch weh.
GÖTZ GEORGE: Ja, das tut weh. Aber das weiß ich ja. Ich lasse Sentimentalität nicht zu. Ich lasse ihn als sehr positiven künstlerischen Menschen immer um mich sein. Der begleitet mich und hat mir viel Stärke gegeben. Es ist schwierig genug, sein Leben zu leben und durchzukommen. Ich war immer ein Einzelgänger und hatte in dem Vater immer einen sehr guten Begleiter.
Haben Sie mit dem Film etwas erreicht?
GÖTZ GEORGE: Ich habe einfach meine Pflicht erfüllt. Der Film war nicht meine Idee. Wenn die Leute sich für Heinrich George interessieren, können Sie damit etwas über ihn erfahren. Mein größter Einwand war immer: Interessieren sich die Leute überhaupt noch für ihn? Die Jungen kennen ja mich kaum noch. Vorgestern im Hotel fragten die sehr freundlich nach meinem Namen. George. Und der Vorname...? Das ist so.
Der Film ist nichts Besonderes für Sie?
GÖTZ GEORGE: Ich habe den Film gesehen wie ich andere Filme auch sehe. Der ist ganz gut gelungen. Das ist aber trotzdem nur eine Produktion wie alle anderen auch. Die mich vielleicht ein bisschen mehr bewegt als sonst, aber das auch nur wegen der rührenden Zusammenarbeit mit den Kollegen. Das hatte ich nicht erwartet.
Aber Sie haben doch immer darum gekämpft, dass ihr Vater ein bisschen differenzierter gesehen wird, nicht als Nazi.
GÖTZ GEORGE: Natürlich! Wenn ein Mensch stirbt, so früh wie mein Vater, dann hauen doch alle drauf. Albers, Rühmann und die anderen Schauspieler, die sehr in das Dritte Reich verwobenen waren.
Die lebten noch und wurden gefeiert. Rühmann war immer noch der beliebteste Schauspieler Deutschlands. Die hatten die Chance sich zu rehabilitieren durch ihre Kunst. Wäre mein Vater am Leben geblieben, wäre er der König gewesen.
Interview: F. Aures