Er ist kaum wiederzuerkennen. Als Götz George vor der alten Militärbaracke vorgefahren wird, sieht er abgerissen und ungepflegt aus. Er, der in Interviews stets agil, konzentriert und genau wirkt, ist nun weich, suchend, leidend. George ist in seiner Rolle. Heute wird er seinen Vater Heinrich George darstellen. Wird spielen, wie dieser Puschkins "Postmeister" aufführte, 1946 im sowjetischen Kriegsgefangenenlager, kurz bevor er starb.
Götz George spielt Heinrich George - diesen Film wollten schon viele drehen. "Ich habe immer abgelehnt", sagt Götz George. "Weil ich die Realisation nicht für möglich hielt." Überzeugen konnte ihn schließlich Dokuprofi Joachim Lang, der sich mit "Jud Süß. Ein Film als Verbrechen" bereits intensiv mit Schauspielkunst im Dritten Reich beschäftigt hat.
Das ist auch hier das große Thema. Der Jahrhundertschauspieler Heinrich George, der Theatergigant der Zwanzigerjahre, die Urgewalt, der mit seinem außergewöhnlichen Talent auch infame Propagandafilme wie "Hitlerjunge Quex", "Jud Süß" oder "Kolberg" in ihrer Wirkung potenzierte.
Mit einer geschickt verwobenen Mischung aus Spielszenen, Dokumentarmaterial und Zeitzeugeninterviews versucht Lang 115 Minuten lang ein möglichst differenziertes Bild des legendären, des als Nazi verrufenen Künstlers zu zeichnen. Ein Anliegen, das Götz George und sein Bruder Jan seit vielen Jahren verfolgen. Sie erreichten, dass Heinrich George 1998 offiziell von der Russischen Föderation rehabilitiert wurde. Zusammen mit ehemaligen Mithäftlingen gelang es ihnen zuvor, die Gebeine des Vaters aufzuspüren und ihn 1994 in Berlin beizusetzen.
Mit einer geschickt verwobenen Mischung aus Spielszenen, Dokumentarmaterial und Zeitzeugeninterviews versucht Lang 115 Minuten lang ein möglichst differenziertes Bild des legendären, des als Nazi verrufenen Künstlers zu zeichnen. Ein Anliegen, das Götz George und sein Bruder Jan seit vielen Jahren verfolgen. Sie erreichten, dass Heinrich George 1998 offiziell von der Russischen Föderation rehabilitiert wurde. Zusammen mit ehemaligen Mithäftlingen gelang es ihnen zuvor, die Gebeine des Vaters aufzuspüren und ihn 1994 in Berlin beizusetzen.
"Mein Vater war ein Vollblutschauspieler, wie ich ihn in meiner ganzen Karriere nie wieder erlebt habe", sagt Götz George. "Für den gab es nichts anderes. Er war kein politischer Mensch. Und er hat dafür gekämpft, in dem Land bleiben zu können, dessen Sprache er sprach und dessen Dichter er liebte."
>>> GÖTZ GEORGE IM TV
Die Militärbaracke ist mittlerweile mit fast hundert Statisten in sowjetischen Militäruniformen gefüllt. Auch gefangen im ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen war Heinrich George noch Schauspieler. Seine Mithäftlinge erinnern sich in Langs Film mit großer Anerkennung daran, wie George sie durch Theateraufführungen für die sowjetischen Offiziere aufbaute. Bis er an den Folgen nie geklärter Unterleibsschmerzen - Blinddarmentzündung? Hungerödem? Entkräftung? - verstarb.
"Heinrich George ist mit dem Regime große Kompromisse eingegangen und hat sich instrumentalisieren lassen", sagt Joachim Lang. "Es gibt Reden, in denen er Hitler lobt. Aber er war auf keinen Fall ein Antisemit. Er hat jüdischen Kollegen und Freunden geholfen, er hat seine Leute geschützt." Auch das wird von diversen Zeitzeugen bestätigt.
Auch wenn der Ausstrahlungstermin, einen Tag nach Götz Georges 75. Geburtstag, das Dokudrama wie eine Art Geschenk wirken lässt, ein gefälliges Porträt hat Lang nicht gemacht. Er schönt nichts, stellt eher Material zur Verfügung, als zu interpretieren. Material, das der Zuschauer selbst gewichten muss. Er muss selbst entscheiden, wie groß die Schuld ist, die Heinrich George auf sich geladen hat, wie viel Anteil die Zeit hatte, in die er geboren wurde - und wie viel dessen sehr besondere Persönlichkeit.
Zeit seines Lebens wurde Götz George mit dem überlebensgroßen Vater verglichen. Wenn der in seinem Fach der Beste ist, kann der Sohn im selben Fach nur scheitern, oder? Tatsächlich reicht eine Minute vom Spielfilm "Der Postmeister" (1940), um hängenzubleiben, sich vom völlig selbstverständlichen Spiel Heinrich Georges mitreißen zu lassen.
>>> GÖTZ GEORGE IM TV
Die Militärbaracke ist mittlerweile mit fast hundert Statisten in sowjetischen Militäruniformen gefüllt. Auch gefangen im ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen war Heinrich George noch Schauspieler. Seine Mithäftlinge erinnern sich in Langs Film mit großer Anerkennung daran, wie George sie durch Theateraufführungen für die sowjetischen Offiziere aufbaute. Bis er an den Folgen nie geklärter Unterleibsschmerzen - Blinddarmentzündung? Hungerödem? Entkräftung? - verstarb.
"Heinrich George ist mit dem Regime große Kompromisse eingegangen und hat sich instrumentalisieren lassen", sagt Joachim Lang. "Es gibt Reden, in denen er Hitler lobt. Aber er war auf keinen Fall ein Antisemit. Er hat jüdischen Kollegen und Freunden geholfen, er hat seine Leute geschützt." Auch das wird von diversen Zeitzeugen bestätigt.
Auch wenn der Ausstrahlungstermin, einen Tag nach Götz Georges 75. Geburtstag, das Dokudrama wie eine Art Geschenk wirken lässt, ein gefälliges Porträt hat Lang nicht gemacht. Er schönt nichts, stellt eher Material zur Verfügung, als zu interpretieren. Material, das der Zuschauer selbst gewichten muss. Er muss selbst entscheiden, wie groß die Schuld ist, die Heinrich George auf sich geladen hat, wie viel Anteil die Zeit hatte, in die er geboren wurde - und wie viel dessen sehr besondere Persönlichkeit.
Zeit seines Lebens wurde Götz George mit dem überlebensgroßen Vater verglichen. Wenn der in seinem Fach der Beste ist, kann der Sohn im selben Fach nur scheitern, oder? Tatsächlich reicht eine Minute vom Spielfilm "Der Postmeister" (1940), um hängenzubleiben, sich vom völlig selbstverständlichen Spiel Heinrich Georges mitreißen zu lassen.
"Er ist immer der Bessere gewesen, immer der Besessenere", räumt George freimütig ein. "Aber er war nie das Damoklesschwert, das über mir hängt, wie immer wieder behauptet wurde. Er war immer Freund und Vorbild und Begleiter. Er ist immer um mich. Mit ihm gehe ich in die Grube."
Spielt der Vergleich überhaupt noch eine Rolle? Heinrich George ist eine Legende. Seine Filme aber sind heute - zumindest den jüngeren Generationen - weitestgehend unbekannt. "Das war mein größter Einwand gegen den Film: ,Interessieren sich die Leute überhaupt noch für Heinrich George?‘", fragt sein Sohn. "Die Jungen kennen mich ja kaum. Neulich im Hotel fragte mich die Angestellte sehr freundlich nach meinem Namen. ,George.‘ ,Und der Vorname?‘ Das ist eben so."
Kamera läuft. Götz George ist der Postmeister, kniet auf der Bühne, starrt seiner geliebten Tochter in die Augen - sie wird heiraten. Keinen guten Mann. Er atmet schwer. Ein Klagelaut steigt aus der Mitte seines massigen Körpers auf. Fast gewalttätig zwingt er seine Glieder aber in eine irre Fröhlichkeit, klatscht in die Hände und tanzt wie ein Derwisch. Nur ein einziges Mal würde er das spielen können, hatte Götz George vorher gesagt. Sechsmal wird er es am Ende gespielt haben. Jedes Mal hält der ganze Raum den Atem an.
Wer ist der größere Schauspieler? Wen interessiert das? Götz George ist auf jeden Fall verdammt beeindruckend. Und das Tollste: Er lebt und dreht Filme! Happy Birthday!
Frank I. Aures
George
MI 24.7. Das Erste 21.45 Uhr
MI 24.7. Das Erste 21.45 Uhr
Weitere Filme mit Götz George im Programm:
Werkschau im WDR: