TV Spielfilm: Clemens, du arbeitest als Schauspieler häufig an internationalen Produktionen mit. So auch in diesem Jahr...

Clemens Schick: Ja, die Dreharbeiten zur Serie "Arctic Circle", einer deutsch-finnisch-englischen Koproduktion, habe ich gerade vor zwei Wochen abgeschlossen. Von deutscher Seite war neben mir auch Maximilian Brückner mit dabei.

TV S: Du schätzt an deiner Arbeit das Reisen und die Möglichkeit neue Länder und Kulturen kennenzulernen. Wie war das in Skandinavien?

Schick: An einem Punkt während des Drehs waren wir an dem Drei-Länder-Dreieck Norwegen, Russland und Finnland. Kurz vor dem Nordkap,. Das war landschaftlich unfassbar beeindruckend. Es war dort sehr einsam, sehr kalt und windig. Wir haben teilweise bei minus 30 Grad draußen gedreht.

TV S: Aber du stehst doch auf Abenteuer?

Schick: (lacht) Ja, auf jeden Fall.

TV S: Und was steht jetzt danach an?

Schick: Momentan bereite ich mich auf mein nächstes Projekt vor, über das darf ich aber leider noch nichts sagen.

TV S: Ist es wieder eine internationale Produktion?

Schick: Ja, Amerika ist diesmal sozusagen federführend. Aber lass uns über "Overdrive" reden.

TV S: Gerne.

Schick: "Overdrive" habe ich 2017 in Frankreich gedreht. Mit Ana de Armas aus Kuba, Scott Eastwood aus den USA, Gaia Weiss aus Frankreich.

TV S: Hast du den Eindruck, dass solche Big Budget-Produktionen immer internationaler werden?

Schick: Ja absolut., vor allem bei Drehs in Frankreich fiel mir das auf. Demnächst kommt der Film "Renegades" mit J.K. Simmons in die Kinos. Da habe ich auch mitgespielt und der hat ein ähnliches Modell wie "Overdrive". Das ganze Filmgeschäft verändert sich gerade radikal. Auf der einen Seite werden Besetzungen immer Inernationaler, auf der anderen Seite bekommen nationale Formate viel eher eine internationale Plattform.

TV S: Da gibt es ja schon einige Beispiele...

Schick: Babylon Berlin oder Dark!

TV S: Helfen Plattformen wie Netflix und Amazon Prime deutschen Schauspielern dann auch, schneller international Aufmerksamkeit zu bekommen?

Schick: Absolut. Ich war gerade in Amerika und da hört man von allen Anbietern, sei es Netflix, sei es Apple oder Facebook, die jetzt auch mitmischen wollen: "We need content!" Die brauchen alle Inhalte und kommen gar nicht mehr hinterher mit dem produzieren.

TV S: Spürst du das auch ganz persönlich bei deiner Rollenauswahl?

Schick: Ich habe schon vor Jahren angefangen im Ausland zu arbeiten. Für mich persönlich ist das also gar nicht so neu. Aber ich merke in der deutschen TV-Landschaft, dass man nicht mehr nur für den deutschen Raum produziert, sondern globaler denkt.

TV S: Was bedeutet das konkret?

Schick: Bei den Projekten, die in Deutschland gerade produziert werden, spielt jetzt auch immer die internationale Verwertbarkeit eine Rolle. Man misst sich plötzlich mit ganz anderen Formaten.. Eine deutsche Serie, die auf Netflix Bestand haben soll, muss sich mit so etwas wie "Narcos" messen können.
TV S: Bedeutet das auch ein Ende des Klischees, dass deutsche Schauspieler immer nur als Bösewichte besetzt werden? In "Overdrive" spielst du den Antagonisten Max Klemp.

Schick: Dieses Bild erzeugte sich ja vor allem dadurch, dass Deutsche häufig als Nazis besetzt wurden und werden. Ich habe mich damit nie beschäftigt Das ist eher eine Betrachtung von außen, die ich nicht teile. Ich persönlich versuche erst mal, meine Rollen nie auf gut oder böse zu reduzieren, sondern die Hintergründe einer Figur aufzudecken. Das macht mir, unabhängig von der Art der Rolle, großen Spaß. Zu diesem Bösewicht-Klischee: Ich glaube schon, dass sich was ändert. Daniel Brühl oder Thomas Kretschmann spielen ja aber zb schon sehr lange unterschiedlichste Rollen.

TV S: Aber waren das nicht Ausnahmen und jetzt wird der Spielraum auch für unbekanntere Darsteller größer?

Schick: Da sind wir wohl gerade in einer Art Testphase. Das wird man beobachten müssen. Alle Streamingdienste probieren viel in diese Richtung und schauen wie sich das entwickelt und beim Zuschauer ankommt.

TV S: Wie bist du damals an deine Rolle in "Overdrive" gekommen?

Schick: Ich habe eine Agentur in Paris, über die es zu dem Kontakt kam. Dann habe ich ein E-Casting, also Video-Casting gemacht, was mittlerweile ja sehr üblich ist. Danach kam es relativ schnell zu einem Gespräch mit dem Regisseur und ich bekam die Rolle.

TV S: Wenn man dann dort am Set steht, kann man so eine Produktion mit thematisch ähnlichen Werken wie "Alarm für Cobra 11" in Deutschland überhaupt vergleichen?

Schick: Ich würde das nicht direkt vergleichen. Overdrive ähnelt bezüglich Aufwand, Größe und Geld eher anderen internationalen Action-Produktionen wie Point Break.


TV S: Hat man mehr Respekt vor solch großen Produktionen?

Schick: Nö, ich habe das ja nicht zum ersten Mal gemacht und Respekt empfinde ich vor allem gegenüber meinem Beruf und nicht gegenüber der Ausstattung einer Produktion. Oder anders gesagt: Ich gehe an eine Debütproduktion mit der gleichen Menge Respekt heran, wie ich es bei größeren Produktionen auch machen würde. Da gibt's bei mir nix. Ganz ehrlich: Ich habe in meinem Leben viele internationale Filme gemacht, die weit hohler waren als deutsche Debütproduktionen.

TV S: Was geben dir diese kleineren Indie- und Arthouse-Filme?

Schick: Die Filmemacher haben wirklich noch eine eigene Handschrift. Mit "4 Könige" und "Es war einmal Indianerland" gab es zwei Projekte in den letzten Jahren, die für mich als Schauspieler wegen der Regie, den wunderbaren Kollegen und meinen Rollen zu den schönsten Momenten in meinem Berufsleben gehörten. Das möchte ich nicht missen.

TV S: Bei diesen Filmen hast du mit vielen jungen Schauspielern wie Jella Haase oder Jannis Niewöhner zusammengearbeitet. Gibt es in dieser Generation ein anderes Selbstverständnis oder einen anderen Anspruch an die Arbeit im Ausland. Gerade weil jetzt mehr möglich zu sein scheint?

Schick: Das kann ich mir gut vorstellen, aber da musst Du sie selber fragen. Als ich ein junger Schauspieler war, da musste man nach London gehen, um internationale Caster zu treffen. Heute macht man eine deutsche Serie bei Amazon , Sky oder Netflix und wird international wahrgenommen. Das ist schon ein fundamentaler Unterschied.

TV S: Du hast mal gesagt, dass nach der langjährigen Arbeit am Theater irgendwann der Punkt kam, an dem du zum Film wolltest und auch international arbeiten wolltest. Kannst du dich an diesen Moment noch erinnern?

Schick: Ich kam damals vom Theater und eine meiner ersten Filme war "Casino Royale" und mein nächster Film danach war direkt ein Debütfilm "Aufrecht Stehen". Das heißt, ich habe sofort das gemacht, auf was ich Lust habe. Für mich war es immer wichtig, unabhängig zu sein - sowohl im Leben als auch bei meinen Projekten. Mir war da immer eine Balance zwischen internationalen Werken, Indiefilmen, Arthouse-Streifen oder auch TV wichtig. Ich habe einfach irgendwann gemerkt, dass es noch mehr gibt als den deutschen Markt. Und ich hatte Lust im Ausland zu drehen. "Praia do Futuro" "Stille Reserven" sind Filme die mich sehr geprägt haben. Genauso wie die Begegnungen wie zb mit Wagner Moura...

TV S: ... und Anthony Hopkins in dem Film "Collide".

Schick: Das war zwar nur eine sehr kurze Begegnung, aber trotzdem. Man nimmt da so viel mit, vor allem die Haltung, eine gewisse Demut dem Beruf gegenüber.

TV S: Hat dir diese Haltung auch bei Overdrive geholfen?

Schick: In Overdrive gibt es einen Moment, da lande ich gerade mit einem Helikopter, falte daraufhin einen meiner Spielpartner kurz zusammen nach dem Motto "was denkst du eigentlich...". Das war mein erster Drehtag und ich komme an ein Set, an dem ich weder Scott Eastwood noch Ana de Armas kenne. Ich kenne nicht das Team, ich kenne niemanden. Das ist sozusagen eine One-Shot-Situation. Ich steige aus dem Heli und muss sofort so selbstverständlich arrogant wie nur möglich auftreten. Da darf man keine Zweifel haben und muss einfach abliefern.