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Interview mit Wes Anderson

"Alles dauert viel länger"

Alles dauert viel länger
Stück für Stück: Wes Anderson am Set von "Der fantastische Mr. Fox" Filmverleih

Independent-Regisseur Wes Anderson ("Die Royal Tenenbaums"), der seinen ersten Animationsfilm drehte ("Der fantastische Mr. Fox", Kinostart: 13.5.2010), über seine Liebe zu Roald Dahl, die Motorboote bei Clooney am Comer See und das Regie führen mit dem iPhone

TV SPIELFILM: Sie haben einiges an Roal Dahls Originalroman verändert. Warum?

WES ANDERSON
Das Buch ist sehr kurz. Es war einfach zuwenig Stoff, um einen ganzen Spielfilm draus zu machen. Also dachten Noel Baumbach und ich uns einen neuen Anfang aus, der die Familie Fox ein bißchen näher beleuchtet. Und wir haben einige neue Charaktere mit hineingebracht, zum Beispiel den Cousin Kristoffersen. Es waren alles sehr organische Veränderungen, die sich aus dem Buch ergaben.

Warum ein Kinderfilm?

WES ANDERSON
Ich wollte unbedingt mal einen Trickfilm machen, Und da es eines meiner Lieblingsbücher ist, bot es sich an, diese beiden Dinge zusammenzubringen. Ich mag Roald Dahls Humor, denn er ist meinem sehr ähnlich. Ich beschäftigte mich seit mehr als 10 Jahren mit dem Projekt.

Wieso dauerte es so lange?

WES ANDERSON
Das Studio ging bankrott, kurz bevor wir mit den Dreharbeiten begannen. Also mussten wir nach einem neuen Studio suchen, das das Projekt finanzieren würde - und nach einem ganz neuen Drehort. Das dauerte. Noel und ich schrieben zwischenzeitlich das Drehbuch noch ein paar Mal um - und drehten natürlich einige andere Filme.
Foto: Filmverleih, Die ganze Gang aus "Der fantastische Mr. Fox"
Ihre bisherigen Filmen sind alle etwas melancholisch, es geht oft um die Sinnfragen Ihrer eigenen Generation. Wie kamen Sie darauf, einen lustigen Kinderfilm zu drehen?

WES ANDERSON
Bei uns zuhause wurde immer viel gelesen. Überall standen Bücher herum, die der ganzen Familie gehörten. Aber Mr Fox war mein erstes eigenes Buch. Meine Mutter schenkte es mir, als ich sieben oder acht Jahre alt war und es stand einige Zeit lang alleine im Bücherregal in meinem Zimmer.

Seither ist Roald Dahl mein Lieblingsautor und da ich unbedingt mal einen Stop Motion-Film machen wollte, lag die Entscheidung auf der Hand. Unsere Art von Humor ist sehr ähnlich, ich bewundere ihn sehr.

So sehr, dass Sie sogar in sein Haus einzogen ...

WES ANDERSON
Roald Dahls Witwe erlaubte uns, ein paar Wochen im Gypsy House zu leben, um das Drehbuch fertigzustellen. Es machte den Film einfach authentischer. Wir haben viele Dinge aus Dahls Haus und seinem Leben kopiert. Der Baum, in dem Mr Fox wohnt, stand zum Beispiel haargenauso in Dahls Garten.

Mittlerweile ist er leider bei einem Sturm umgefallen. Wir haben hunderte von kleinen Details kopiert, angefangen von einer Teetasse Dahls über seinen Schreibtisch bis hin zu einem Ball aus Aluminiumfolie, den er sich beim Schreiben aus alten KitKat-Verpackungen rollte. Bei einem Animationsfilm muss ja alles von Grund auf hergestellt werden, man kann die Requisiten nicht einfach irgendwo kaufen. Meine Küche in Frankreich zum Beispiel fungiert im Film als Küche der Foxes.

Warum haben Sie sich für die Stop-Motion-Technik entschieden, bei der Puppen mit der Hand bewegt und fotografiert werden? Das sieht in Zeiten moderner Computertechnik (CGI) etwas altmodisch aus.

WES ANDERSON
Es hat einen ganz besonderen Charme. Es wirkt irgendwie lebendig. Natürlich sieht das Publikum, dass es Puppen sind. Aber der Rauch ist offensichtlich aus Watte geformt, die Haare bewegen sich wirklich und dem Wasserfall sieht man an, dass er aus Klarsichtfolie besteht.

Viele neue CGI-Filme versuchen, diesen Charme zu kopieren. Das haben wir besser und vor allem viel billiger hingekriegt. Ich glaube nicht, dass ich noch mal einen ganzen Spielfilm mit dieser Methode drehe. Aber ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es integraler Teil meines Stils werden könnte.
Foto: Filmverleih, Regisseur Anderson und seine "Schauspieler"
Stört es Sie, wenn man von einem "Wes-Anderson-Stil" spricht?

WES ANDERSON
Nicht, solange es nicht böse gemeint ist. Denn besonders in Amerika ist Auteur-Kino als arrogant verpönt. Der Regisseur soll sich nicht in den Vordergrund drängen. Fragen Sie mich jetzt nicht, meinen eigenen Stil zu beschreiben, denn das kann ich nicht. Aber ich mag es, wenn ich innerhalb weniger Sekunden bestimmen kann, welcher Regisseur diesen oder jenen Film gedreht hat.

Sie machten manches anders als in herkömmlichen Trickfilmen.

WES ANDERSON
Wir dachten, es wäre lustig, die Stimmen nicht im Studio aufzunehmen, sondern draußen, damit es sich möglichst realistisch anhört. Die meisten Szenen nahmen wir auf einem Bauernhof in Connecticut auf und man kann viele echte Tiere im Hintergrund hören.

Die Schauspieler konnten sich frei bewegen und ein Ton-Assistent folgte ihnen mit einem Mikrofon. Als wir in Italien am Comer See in der Nähe von George Clooneys Haus drehten, fuhr allerdings die ganze Zeit ein Motorboot an uns vorbei. Das mussten wir im Film zum Flugzeug umfunktioneren - achten Sie mal drauf!

Was ist der größte Unterschied zu einem normalen Spielfilm?

WES ANDERSON
Alles dauert viel länger. Wir drehten mehr als zwei Jahre lang, fast immer sieben Tage die Woche. Am längsten dauert natürlich die Arbeit mit den Puppen. Welche verschiedenen Gesichtsausdrücke sollen sie haben? Welche Kleidung tragen? Wie sieht das Set aus?

Wie in einem normalen Film malten wir natürlich Storyboards, auf denen all diese Details zu sehen waren. Doch zusätzlich dazu drehte ich kleine Filme für jede Szene. Meistens nahm ich mich einfach selbst auf. Dann waren die Animatoren dran. Sie teilten meine Filme in Einzelbilder auf und konnten so kopieren, wie sich der Mund von Mr. Fox bewegt, wenn er z.B. "Hilfe" ruft. Oder wie lange es dauert, bis Mrs. Fox einen Arm hochhebt. Das ist aber eine ganz normale Technik für Trickfilme.

Das hört sich sehr technisch an. Bleibt da noch Raum für Spontanität?

WES ANDERSON
Die Nuancen einer Szene waren den Animatoren überlassen. Jeder hat seinen eigenen Stil. Manche zum Beispiel arbeiteten sehr detailliert an den Gesichtsausdrücken, während andere sich lieber auf die Bewegungen der Körper konzentrierten. Die Animatoren sind Schauspielern sehr ähnlich. Sie bringen ihre eigene Persönlichkeit mit ins Projekt.