Die letzten Tage der Fifa

Vielleicht könnte ja Urs Meier den Laden übernehmen. Der Ex-Fifa-Referee und ZDF-Experte hat neulich im Zweiten seine Bewerbung für ein hohes Amt im Weltfußball abgegeben. Begleitet von einem Kamerateam besuchte der Schweizer einen Slum in Rio, wo er Gutes tat. Der Filmbeitrag war ein Schlag ins Gesicht der mächtigen Fifa.

Meier ist Botschafter einer Organisation, die Kindern hilft. In der Favela hatte er sich "beim Bürgermeister" für die Sanierung des örtlichen Bolzplatzes stark gemacht. Wo es früher wegen des steinigen Untergrunds viele Verletzte gegeben habe, spielen die Kinder heute "auf einem schönen Betonplatz", erzählt Meier. So hätten es sich die Kinder gewünscht, um auch Basketball spielen zu können.

Das ZDF-Team sieht sich in der Favela ein bisschen um. Schlimme Zustände. Eine Stimme aus dem Off sagt, die Kinder wachsen in einem "Umfeld von Armut und Perspektivlosigkeit" auf. Eine Mutter bedankt sich "für das Beste, was hier seit Langem passiert ist". Meier kickt mit den Kindern, überreicht ihnen einen Pokal und macht ihnen Hoffnung: Die großen Clubs würden sie vielleicht zu einem Probetraining einladen.

Fußball rettet die Welt. Auch die Funktionäre des Weltverbandes Fifa geben sich als Wohltäter aus. Sie stellen Ländern, die eine WM ausrichten, Reichtum und Ansehen in Aussicht. Dabei weiß in den Favelas inzwischen jedes Kind, dass nur die Fifa und ihre Sponsoren an dem Turnier verdienen. In Brasilien nimmt der Verband vier Milliarden Euro ein, steuerfrei.

Die Fifa operiert wie eine Heuschrecke. Als erstes wählt sie ein Land aus, in dem sie ein "Fußballfest" veranstalten will. Sie verlangt die Übernahme aller Kosten, etwa für den Bau von Stadien, beansprucht alle Gewinne aus TV-Geldern und Sponsorenverträgen für sich, setzt sich wie ein Besatzer über die Gesetze des ausrichtendes Landes hinweg (das Verbot, in den Stadien Alkohol zu verkaufen, ist in Brasilien ausgesetzt, weil Budweiser zu den Hauptsponsoren zählt) und legt am Ende die Gästeliste und Ticketpreise fest. Die meisten Brasilianer sind arm, sie zahlen die Zeche (8,5 Milliarden Euro) und sind nicht eingeladen.

Ekelhaft auch diese ewigen Korruptionsvorwürfe. Funktionäre stehen im Verdacht, bei der Wahl der WM-Ausrichter Russland 2018 und Katar 2022 ihre Stimme verkauft zu haben. Unser Kaiser Franz Beckenbauer, damals eines von 25 Mitgliedern des Fifa-Exekutivkomitees, muss sich Fragen gefallen lassen, wie er zu dem Job des Botschafters der russischen Gasindustrie gekommen ist. Beweise, dass das eine mit dem anderen zu tun hat, sind generell schwer zu erbringen. Hundertschaften von Journalisten beißen sich seit Jahrzehnten an Fifa-Chef Sepp Blatter die Zähne aus. Der kämpft um seinen Thron. Glaubt er tatsächlich, unter einem neuen Herrscher würde alles nur noch viel schlimmer werden?

Vielleicht war Katar der letzte großer Fehler seines Verbandes. Welches Unternehmen will sich mit der WM in der Wüste schmücken? Auf den arabischen Baustellen sterben Hunderte Arbeiter, die wie Sklaven gehalten werden. Wollen Coca Cola, Budweiser und die anderen offiziellen Sponsoren dafür ihren Namen hergeben? Dieses Turnier darf nicht stattfinden. Und sollte es doch angepfiffen werden, zeigt es nicht, ARD und ZDF.

Welches Land will noch die WM ausrichten? Die Schweiz? Nordkorea? Das alte Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr. Vielleicht tun sich für die Fifa außerhalb des Fußballs ungeahnte Möglichkeiten auf. Es gibt in der Wirtschaft viele Beispiele dafür, wie sich ein Konzern völlig neu aufgestellt hat. Aus dem Bergbaukonzern Preussag wurde der Reiseanbieter TUI. Die ehemalige Mannesmann AG wurde zum Mobilfunkunternehmen Vodafone. Was könnte man aus der Fifa machen? Vielleicht eine Kinderhilfsorganisation.

Helmut Monkenbusch