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Youtube-Interview mit Angela Merkel

LeFlopp schenkt Merkel PR-Termin

LeFloidMerkel
Die Haltung war klar: LeFloid versucht einigen Themen näher zu kommen, Merkel manövriert sich geschickt drum herum.

Warum bekam Socialmedia-Rotznase LeFloid ein 30-minütiges erstaunlich dröges Youtube-Exklusiv-Interview mit Bundeskanzlerin "Angi", das gemeinhin öffentlich-rechtlichen Politprofis vorbehalten ist?

LeFlopp schenkt Merkel PR-Termin

Unter dem Hashtag "#NetzfragtMerkel" rief der Youtuber Florian Mundt aka LeFloid in der vergangenen Woche die Netzgemeinschaft dazu auf, der Bundeskanzlerin fleißig Fragen zu stellen. Tausende Tweets, Posts und Memes landeten auf den Social Media Kanälen - mal mehr, mal weniger ernst gemeint! Dabei herausgekommen ist ein rund 30-minütiges Video-Interview, in dem Angela Merkel weitgehend ungestört ihre Botschaft in einfachen Worten unter die Youtube-Gemeinde bringen konnte und sich der coole Youtuber als Stichwortgeber mit Hipsterkappe betätigte.

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Bereits vor der gestrigen Veröffentlichung um kurz nach 19 Uhr gab es zwei klar positionierte Lager - die Abonnenten freuten sich auf ihren Youtube-Star und die etablierten Medienakteure warteten mit skeptisch in die Höhe gezogenen Augenbrauen auf den um eine Stunde verschobenen (- man stelle sich vor, der Junge arbeite fürs Fernsehen) Upload des Kanzlerin-Interviews. Nachdem sich alle die halbe Stunde angeschaut hatten, blieb die Positionierung bestehen: Während die Einen ihren Social-Media-Helden feierten, lästerten die Anderen über die Kritiklosigkeit des 27-Jährigen Berliners.

Aber warum eigentlich dieser Hype? Warum bekam Socialmedia-Rotznase LeFloid ein 30-minütiges Exklusiv-Interview, das gemeinhin öffentlich-rechtlichen Politprofis wie Bettina Schausten im alljährlichen ZDF-Sommerinterview vorbehalten ist?

Die Antwort aus dieser Frage kommt natürlich aus dem angelsächsischen Raum:
Nachdem sich nämlich Barack Obama und David Cameron von dem Internetportal "Buzzfeed" (diese Seite, wo du Listen findest wie: "Fünf Dinge, die Du über Deine Brüste wissen musst") interviewen ließen, war es plötzlich en vogue, über Netz-Kanäle sein Image zu pflegen und sich vor allem für die eigene Jugend-Wahrnehmung zu engagieren. Und in Deutschland gibt es dafür eine sehr lebendige Youtube-Szene - kaum ein anderer Netz-Bereich wird so stark von jungen Usern frequentiert und erfährt eine derart aktive Resonanz. Bei der zwei Mal wöchentlich erscheinenden LeFloid-Show klicken sich durchschnittlich über eine Million Zuschauer in das Video, weitere 2, 6 Millionen sind feste Abonennten des Kanals und Tausende Kommentare sammeln sich allein unter den Videos des Youtubers (von den Twitter-Fluten mal ganz abgesehen). Bei solchen ausgezeichneten Werten in einer schwierig zu erreichenden Zielgruppe musste "Mutti" höchstselbst ran!

Das Interview selbst war enttäuschend. Die Fragen waren unspektakulär wie voraussehbar: Angefangen bei der Einstiegsfrage "Was heißt gut leben eigentlich für sie?" über Die Homo-Ehe "Wie fühlen sie sich persönlich, wenn sie dann konfrontiert werden mit beispielsweise so einem offenen Brief der CDU, die die gleichgeschlechtliche Ehe so vehement ablehnt?" bis hin zu dem naiven Ansatz "Wie sehr gehen ihre Meinungen (...) auseinander mit dem, was sie in der Öffentlichkeit sagen müssen?".

Bundeskanzlerin Angela Merkel, von ihren Beratern spürbar auf einfache Sprache getrimmt, kann widerspruchslos ihre Botschaften an die Youtube-Zuschauer bringen. LeFloid wagt sich nicht aus der Deckung und wenn er ein kontroverses Thema zumindest mal anschneidet, reagiert er egal auf welche Antwort Merkels mit gutmütig nickenden Aussagen wie "Ja klar", "Absolut" oder "Okay". Als zur Homo-Ehe übergegangen wird, beendet Merkel das Thema mit der Antwort: "Man muss auch akzeptieren, dass es zu dieser Frage unterschiedliche Meinungen gibt." Dass LeFloid dies mit einem wohlwollenden "Absolut." quittiert und nicht stärker in die Diskussion geht, ist schon tragisch unkritisch. Was hat der Junge sich bloß davon erhofft? Hat er sich überhaupt etwas erhofft? Oder war der junge Wilde aus dem "Neuland" Internet nur reine PR-Kraft für die konservative Kanzlerin?

Als die Komikerin und Videobloggerin GloZell Green den US-Präsidenten im Weißen Haus interviewte, stieg sie mit der kessen Bemerkung ein: Ich hab jetzt meinem Mann die Kapuze vom Hoodie geschnitten, damit er nicht aus Versehen erschossen wird. Ein provokanter Einstieg mit Bezug auf den 17-jährigen Schwarzen Trayvon Martin, der von einer "freiwilligen Bürgerwehr" erschossen wurde. Das war eine pointierte Interviewführung, die man bei LeFloid mehr las vermisst hat. Und wenn er sich von Politik-Profis wie den etablierten Medien abheben will, bedarf es deutlich mehr Mut. So ist das Interview nicht mehr als schlechter Standard mit Tattoos und Snapback statt frischer Wind mit Angriffslust und Innovation.


Eine Zusammenfassung der wesentlichen Aussagen findet ihr hier:



Das komplette Original hier:

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