(20.1.2012) Sie konnte alles außer Hochdeutsch. Ja, sogar im fehlerfreien Englisch ein Lady-Gaga-Song mit einer eigenen Note und einem bluesigen Timbre interpretieren. Die Kritiken der "Unser Star für Baku"-Jury für Vera Reissmüller waren überschwänglich, eigentlich war das Weiterkommen nur eine Formsache. Hätte es nicht die Sendungsinnovation "Blitztabelle" gegeben, die sie mit dem Anrufschluss aus den Top 5 katapultiert hat, so dass ausgerechnet eine der wenigen herausragenden Teilnehmerinnen rausflog.

Immerhin fluchte auch der Jurypräsident und Schwabenrapper Thomas D. selbst über das Ergebnis und Blitztabellen-Erfinder Stefan Raab fand plötzlich, dass er dort einen Fehler begangen habe. Nach zwei Sendungen des Eurovision-Castings erweist sich diese Sendungsinnovation als äußerst untauglich dafür, ein objektives Abstimmungsergebnis zu erzielen. Deshalb wird sich die Blitztabelle wohl nicht durchsetzen.

Auch von den insgesamt 20 Kandidaten, die Jurypräsident Thomas D. für die ersten zwei Shows ausgewählt hat, braucht man sich nicht viele merken müssen. Vor zwei Jahren glänzten bei der Vorgängersendung "Unser Star für Oslo" die Teilnehmer noch mit teilweise höchst originellen Interpretationen oder durch eine ungewöhnliche Songauswahl. Gestern wurde Claptons "Tears in Heaven" geknödelt, eine junge Frau mit dem originellen Künstlernamen Polly Zeiler und Baku-tauglicher Blondierung schmetterte den Bruno-Mars-Hit "Grenade", bevor ein Altenpfleger durchaus gekonnt "This Love" von Maroon 5 performte. Immerhin sang Umut Anil eine recht eigene Version von Paula Abduls Dancefloorhit "Straight up" und auch Tina Sanders adaptierte Aura Diones "Geronimo" für sich.

Zumindest präsentierte die Sendung auch zwei musikalische Hoffnungsträger: Die Offenburgerin Ornella de Santis präsentierte sich mit "Slow Motion" von Karina Pasian als ideale Interpretin für die große Grandprix-Ballade. Yana Gercke (Schwester von Topmodel Lena Gercke) chargierte bei ihrer Interpretation von "Price Tag" (Original: Jessie J.) zwischen Rockröhre und Rapperin im Stile von Neneh Cherry. Würde sie noch die Stadtteilfestattitüde beim Anfeuern des Publikums unterlassen, dann hätte sie das Zeug zu einer zweiten Jennifer Braun, die schaffte bei "Unser Star für Oslo" immerhin den zweiten Platz.

Kai Rehländer