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Russell Crowe im Interview

"Wir zeigen auch die andere Seite"

Die Schlacht von Gallipoli und die Folgen: In seinem Regiedebüt "Das Versprechen eines Lebens" (ab 7.5.2015 im Kino) erzählt Russell Crowe, wie ein Vater den Sohn sucht und ein Land sein Trauma bewältigt

Als biblischer Held Noah bekam er es mit der Sintflut zu tun, als gottesfürchtiger Joshua im historischen Melodram "Das Versprechen eines Lebens" hat Russell Crowe ein besonderes Gespür für Wasser. Der Oscar-Gewinner von 2001 ("Gladiator") macht die Gottesfurcht sogar zu einer Art Markenzeichen, seine eigene Filmproduktion heißt "Fear of God Films", seine aktuelle Band The Ordinary Fear of God.
In seinem Regie­debüt beschäftigt sich der 1964 in Neuseeland geborene Crowe mit einem Weltkriegsthema, das nicht nur in seiner Wahlheimat Australien jedem Kind ein Begriff ist. Im Interview verrät er, was die Schlacht bei Gallipoli für ihn selbst, für die Menschen Down Under, aber eben auch für die unterlegenen Türken bedeutet.

TV SPIELFILM Wie viel interessanter war es für Sie, diesen Film nicht nur zu spielen, sondern auch zu inszenieren?

RUSSELL CROWE
Da sprechen wir von einem regelrechten Quantensprung - obwohl es ja immer nur so interessant wird, wie man's selbst zulässt. (lacht) Nein, jeden einzelnen Tag, jeden Moment ist man voll dabei, engagiert und begeistert von dem, was man tut. Das ist als Schauspieler zwar auch oft so, aber hier war es noch mal anders. Das wirklich Interessante ist dabei, Teil einer Geschichte zu sein, nicht nur die Story voranzubringen. Da geht es ja zum Beispiel auch viel ums Visuelle. Insgesamt war es sehr erfreulich - ich weiß, eigentlich sollte ich Geschichten davon erzählen, wie unmöglich alles war... (lacht)
Wie gut ist der Hauptdarsteller Russell mit dem Regisseur Russell zurechtgekommen?

RUSSELL CROWE
Ach, das war nicht schwierig. Ich bin es ja durchaus gewöhnt, eine Figur herunterzubrechen, in diesem Fall eben nur in Einstellungen, die ich auch selbst kon­struiert habe. Eigentlich war es sogar einfacher.

Peter Weirs "Gallipoli" von 1981 hat die Zuschauer sehr berührt. Ihr Film scheint fast ein Ergänzungsstück zu diesem Film zu sein, könnte man das so bezeichnen?

RUSSELL CROWE
Gallipoli ist ein bedeutendes Stück kultureller Geschichte in Australien und Neuseeland. Wir sind damit aufgewachsen, es ist ähnlich wie die Schlacht von Alamo für US-Amerikaner. Ihr wird gedacht wegen der Opfer, es geht nicht um Sieg oder Niederlage, es gibt auch keine Feier. Gallipoli hat die beiden Nationen Australien und Neuseeland zusammengeschmiedet, hier haben sie das erste Mal unter eigener Flagge gekämpft, nicht unter britischer. Da geht es auch um so etwas wie Nationalstolz.
Ihr Film erinnert in gewisser Weise auch an Clint Eastwoods "Flags of Our Fathers" und "Letters from Iwo Jima", die beide Seiten ein und derselben Schlacht zeigen.

RUSSELL CROWE
Das stimmt. Wir in Australien gedenken der Schlacht von Gallipoli jedes Jahr am 25. April - das ist der Tag, an dem sie begann. Im Film aber wird der 20. Dezember genannt, das ist der Tag, an dem sie endete. Dieses Datum ist in Australien kaum bekannt. Schon das zeigt, dass wir auch den türkischen Standpunkt berücksichtigen. Wir zeigen auch die andere Seite.

Die selbst Ihnen vorher nicht wirklich bekannt war?

RUSSELL CROWE
Genau. Es war fast peinlich. Als ich zum ersten Mal das Drehbuch las, wurde mir erst klar, dass ich schon als Kind immer nur an die eine Seite gedacht hatte, nie an die andere. Wie es wohl war, von einer fremden Armee besetzt zu werden?

Der Film ist inspiriert von einer wahren Geschichte...

RUSSELL CROWE
Ja, um genau zu sein, vom Brief eines Vaters, der in die Türkei reiste, um nach seinen Söhnen zu suchen, die vor Gallipoli gestorben sind.

Konnten Sie vor Ort in der Türkei drehen?

RUSSELL CROWE
Ja. Wir haben in Sydney im Studio gedreht, in fünf verschiedenen Locations in Australien, dann in Istanbul und schließlich im Süden der Türkei, in einer alten Ruinenstadt auf einem Berg.

Könnte man überhaupt in Gallipoli selbst drehen?

RUSSELL CROWE
Das ist jetzt ein Nationalpark, die Schlachtfelder sind Grabstätten. Dieser Ort verbindet heute Australien und die Türkei, man hat den Australiern auch erlaubt, ihre Toten auf dem Hügel dort zu bestatten und die Gräber zu kennzeichnen.

Scott Orlin