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Kinopoker: "Molly's Game"

Kinopoker: Mollys Game
Jessica Chastian und Co-Star Idris Elba Verleih

Jessica Chastain und Stardrehbuchautor Aaron Sorkin sprechen über ihren gemeinsamen Film "Molly's Game" um illegale Pokerrunden.

Pokerface. Für eine Schauspielerin wie Jessica Chastain ja kein Problem. In "Molly's Game" spielt sie Molly Bloom, Ex-Olym­piaskirennfahrerin und Gastgeberin einer der exklusivsten Pokerrunden, mit Hollywood-Stars wie Tobey Maguire, dem FBI und der russischen Mafia im Spiel. Einmal mehr eine Geschichte, die zu unglaublich klingt, um wahr zu sein.

Theater- und Drehbuchautoren-Virtuose Aaron Sorkin gibt mit "Molly's Game" sein Regiedebüt, der Mann, der sich mit Ränkespielen in Politik, Militär, Sport und Wirtschaft bestens auskennt.
Foto: Getty Images
Mr. Sorkin, Sie gehören zu den ­arriviertesten Drehbuchautoren ­Hollywoods. War es schon immer Ihr Wunsch, auch Regie zu führen?
Aaron Sorkin: Ich wollte gar nicht unbedingt Regie führen, nur diesen Film machen. Als ich anfing, das Drehbuch zu schreiben, war es eigentlich wie immer, nur dass ich mit noch mehr Enthusiasmus an die Sache heranging. Und ich wusste von Anfang an: Das ist etwas Besonderes.

Warum?
Sorkin: Für die meisten Leute ist dies nur eine Story voller Glamour und Dekadenz, doch hier geht es nicht nur um Geld, Sex und Hollywood-Stars. Ich sehe da eine ganz andere Geschichte. Sie handelt von einer grundehr­lichen, lebensechten Filmheldin, einer Frau mit Integrität und Charakter. Und gefunden habe ich sie an einem der unwahrscheinlichsten Orte, dem Pokertisch. Ich glaube, selbst Molly war das nicht in diesem Maß bewusst. Ihr Buch ist wirklich ein wilder Ritt und eine wundervolle Lese­erfahrung, aber nur die Spitze des Eisbergs.
Jessica Chastain: Deshalb war es für mich so wichtig, in der Vorbereitung auf diese Rolle die echte Molly zu treffen. Man hat so viele Bilder im Kopf - wenn man Molly Bloom googelt, bekommt man Bilder, die einen an die Karda­shians denken lassen, sehr Los Angeles, sehr Instagram-mäßig. Ich wollte diese Frau unbedingt treffen, um ihren Hintergrund zu verstehen. Aber nicht nur das.

Was noch?
Chastain: Ich habe sehr viel Zeit damit verbracht, den Look dieser Figur zu erschaffen, mit Aufspraybräune, falschen Wimpern und Nägeln - etwas, das ich normalerweise nicht tue. Dann habe ich mit ihr gearbeitet, aber fast noch wichtiger war mir, Menschen zu treffen, die sie kennen. Ich habe einige der Spieler getroffen, die bei ihr mitgespielt haben. Sie ­haben mich sogar mitgenommen zu einem Spiel in New York, vier Stunden lang, da waren sie alle, auch Mollys Exfreund.
Sorkin: (lacht) Jessica hat diese Geschichte schon öfter erzählt, ich finde sie urkomisch: Als Jessica vor Ort war, wusste niemand, wer sie war, sie dachten wohl, sie wäre die Freundin von jemandem. Und sie sprachen auch noch darüber, dass zwar jemand die Rechte an Molly Blooms Buch gekauft habe, aber dass sie es nie hinkriegen würden, daraus einen Film zu machen. Dann sagte der Spieler, der Jessica mitgebracht hatte: Doch, sie drehen den Film bereits, und sie spielt Molly. Erst da wurde einigen wohl bewusst, wer sie war. Und jetzt kommt der ­komische Teil: Einer fragte sie, in welchen Filmen sie mitgespielt hätte, und Jessica sagte, "Zero Dark Thirty". Und der Typ darauf: "Ich liebe diesen Film, welche Rolle hast du gespielt?" Und Jessica ganz cool: "Bin Laden." (lacht)
Chastain: Ich glaube ja, dass unser Film eine heilende Erfahrung für Molly war. Ich bin sehr glücklich, mitteilen zu dürfen, dass sie wieder zur Schule geht und Jura studiert. Es gibt vier Staaten, in denen sie wegen ihrer Verurteilung nicht praktizieren darf, aber da bleiben ja immer noch genug.

Haben Sie Ihre Meinung über sie geändert, je mehr Sie Molly kennenlernten?
Chastain: Das habe ich tatsächlich, ja. Am Anfang hatte ich schon Vor­urteile, das gebe ich ganz offen zu. Ich sah einige Bilder, Videos, Interviews mit Journalisten, die nicht wirklich nett zu ihr waren. Als ich sie dann traf, erlebte ich jemanden, der eher ruhig und zurückgezogen wirkte und gar nicht darauf aus, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Das hat mich anfangs fast verwirrt, denn so, wie sie sich präsentierte, ihr ­Auftreten, auch ihre Kleidung, das war so ganz anders als ihre Persönlichkeit.
Sorkin: In ihrem Buch hat Molly nur das Minimum dessen ver­raten, was möglich war. Denn sie hat das Buch nicht geschrieben, um andere reinzureiten und auf deren Kosten berühmt zu werden. Molly hatte - und hat - Millionenschulden beim US-­Finanzamt. Und das ist kein Witz, es gibt harsche Strafen. Man kann dafür in den Knast kommen, sie kann immer noch in den Knast kommen.

Stichwort: berühmt. Sie haben mit einigen der Stars, die bei den echten Pokerspielen dabei waren, vorher Kontakt aufgenommen, ­Tobey Maguire etwa.
Sorkin: Ja, ich habe alle realen Personen im Vorfeld informiert, damit sie wissen, dass ich nicht darauf aus bin, schmutzige Wäsche zu waschen. Wenn schon die Heldin deines Films das nicht tut, darf auch der Film selbst das nicht tun. Ich habe auch gehört, dass Tobey gewitzelt hat, er wolle selbst mitspielen, aber das war nicht ernst gemeint. Und die von Michael Cera gespielte Figur
soll kein bestimmter Filmstar sein, deshalb heißt sie auch Player X.

Wie schwierig war es, Aaron Sorkins Worte rüberzubringen, von denen man weiß, es sind viele?
Chastain: Mir kommt es so vor, als habe mich all meine Arbeit bis jetzt nur darauf vorbereiten sollen, ein Drehbuch von Aaron Sorkin zu meistern. (lacht) Er ist der beste ­Autor, den wir in der Branche haben, man spürt seine Signatur, seinen Rhythmus, seinen Stil in jedem Satz. In der ersten Woche haben wir 47 Seiten Dialog gedreht, einer Sechstagewoche. Das war das Härteste, was ich bislang gemacht habe. Aber es war wie im Theater, wir ­hatten eine großartige Zeit.

Waren Sie von Jessica Chastain ­genauso beeindruckt?
Sorkin: Bei unserem ersten Treffen wollte ich herausfinden, ob die für zwei Oscars nominierte Jessica Chastain, die schon von Ridley Scott, Christopher Nolan, ­Kathryn Bigelow und Terrence Malick dirigiert wurde, mit einem Regieneuling wie mir überhaupt arbeiten würde. Nach ­einer Weile schaute sie mich an und meinte: "Dieses Treffen ist lächerlich, gib mir einfach die Rolle." Im Grunde war sie es, die mich geleitet hat.
Molly Bloom
Foto: Imago
Sie war die Nummer drei der US-Skirennläuferinnen. Dann zwangen Verletzungen den Teenager aus Colorado Mitte der Neunziger zur Aufgabe des Sports. 15 Jahre danach ist Molly Bloom die Nummer eins - als Pokerrunden-Veranstalterin. An ihrem Tisch in den Suiten nobler Hotels (und geschützt durch ­deren Security) versammelten sich Hollywood-Stars wie Tobey Maguire und Leonardo Di­Caprio, Showgrößen und Milliardäre und pokerten um riesige Summen. Höchster Verlust eines Spielers an einem Abend: 100 Millionen Dollar. Molly war die Bank, stellte Schecks aus, gewährte Kredite. Bis sie eine prozentuale Gebühr verlangte (das darf nur Las ­Vegas) und damit schließlich aufflog. Über ihre Karriere schrieb sie das Buch "Molly's Game" (2014), das nicht auf Deutsch erschien.