Wenn Marcel Reich-Ranicki mit erhobenem Zeigefinger zu einem seiner vernichtenden Verrisse ansetzte, war das Publikum gleichermaßen erschrocken wie entzückt. Die Eitelkeit und Theatralik des 2013 verstorbenen Literaturpapstes blieben unerreicht, da verblasste selbst ein ergebener Hellmuth Karasek († 29.9.2015).

Dass Sigrid Löffler, die Dritte im Bunde der festen Quartett-Mitglieder, 2000 die Sendung nach einer Machoattacke Reich-Ranickis verließ, passte da ins Bild. Es waren seine unduldsame Autorität und die schlüssigen, aus tiefster Kenntnis der Materie formulierten Kritiken, die "Das Literarische Quartett" von 1988 bis 2001 in 77 Sendungen zur Institution werden ließen.

Zwei Schwärmer und einer, der dazwischengrätscht

In seine gewaltigen Fußstapfen als Gastgeber tritt nun Volker Weidermann, neuer Feuilletonchef des "Spiegel". Der 45-Jährige ist nicht als Lautsprecher bekannt, zeigt in seinen Kritiken meist Begeisterung und Empathie und ignorierte aus seiner Sicht schlechte Literatur bisher weitgehend. Er ähnelt insofern Christine Westermann, die sich selbst nicht als Kritikerin sieht, sondern als Buchschwärmerin und -empfehlerin.

Die 66-Jährige, die seit Jahren im WDR Bücher rezensiert, muss sich umgewöhnen. Bisher legte sie Werke, die sie nicht berührten, nach 20 Seiten weg. Nun wird sie sich durchbeißen müssen. Dafür, dass allzu viel Harmonie gar nicht erst entsteht, ist Maxim Biller zuständig. Der 55-Jährige soll, dieses Kalkül ist offensichtlich, ein wenig die Rolle Reich-Ranickis übernehmen.

In Sachen Provokation und Polemik macht ihm keiner etwas vor, auch neigt er zu Pauschalisierungen, die stets schnell Widerspruch hervorrufen. Deutsche Gegenwartsliteratur findet er langweilig, sie sei wie der "todkranke Patient, der aufgehört hat, zum Arzt zu gehen, aber allen erzählt, dass es ihm gut geht", schrieb er in der "Zeit". Biller wird seine Mitdiskutanten reizen. Man darf gespannt sein, ob sie sich aus der Reserve locken lassen.

Peter Roether

Das Literarische Quartett
FR, 2.10., ZDF, 23:00 Uhr