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Welche Sportarten liken die Deutschen?

Sport im Fernsehen

Robben statt Schwimmen
Robben statt Schwimmen - die Deutschen sehen am liebsten Fußball im Fernsehen Imago

Die Deutschen lieben ihren Fußball - zu anderen Sportarten führen die meisten Fernsehzuschauer dagegen eine On-Off-Beziehung. Warum eigentlich?

Foto: Imago, Schlacht von Hartford, 24.7.1987 Davis-Cup-Relegation USA - Deutschland 1987. John McEnroe gegen Boris Becker. 6 Stunden, 21 Minuten Kampf und Emotion. Ich hasse Tim Mayotte! Selten zuvor war ein Spieler unsportlicher. Und er saß nur im Publikum. "Da draußen war Krieg", sagte Boris Becker nach seinem epischen 4 : 6, 15 : 13, 8 : 10, 6 : 2, 6 : 2. Und für einen Elfjährigen, der sich bis 5.17 Uhr vor dem Fernseher die Nacht um die Ohren schlug, fühlte es sich auch so an. rm
Vor genau 30 Jahren brachte Boris Becker die Hierarchie der beliebtesten TV-Sportarten mächtig ins Wanken. Nach seinem Sensationssieg 1985 in Wimbledon avancierte Tennis in Deutschland urplötzlich zum populärsten Sport nach Fußball - und kam der Nummer eins zeitweise sogar bedrohlich nah.

Sport1-Geschäftsführer Olaf Schröder fallen sofort ein paar weitere Stars ein, die für ihren jeweiligen Sport Gold wert waren. Michael Schumacher natürlich, die Skispringer Martin Schmitt und Sven Hannawald, Henry Maske. Aber so unerschütterlich wie die Liebe der Deutschen zum Fußball waren all diese Beziehungen nicht: Blieben die überragenden Erfolge aus, sank das Interesse deutlich.

Verbände müssen umdenken


Auch der Schwimmsport leidet unter dem Liebesentzug des Publikums: Anders als zu Zeiten von "Goldfisch" Franziska van Almsick widmen ARD und ZDF der bevorstehenden Schwimm-WM im russischen Kasan (24.7. bis 9.8.) mangels deutscher Hoffnungs- und Sympathieträger nicht einmal zehn Live-Stunden.

>>> Schwimmen: WM im TV
"Deutschland ist eine Fußballnation, aber das TV-Publikum ist durchaus bereit, auch andere Sportarten zu schauen", erklärt Schröder. "Die müssen dann allerdings erfolgreich sein - und überzeugend gestaltet." Die Zeiten, in denen ein einziger Auftritt (und sei er auch noch so bemerkenswert) für eine Initialzündung à la Becker sorgen kann, sind vorbei.

Heutige Protagonisten sind ganz anders gefordert. Schröder: "Sie müssen im Prinzip die Öffentlichkeit über alle digitalen Kanäle mit Informationen versorgen." Auch dürfe die Verantwortung für den Erfolg einer Sportart nie auf den Sender abgeschoben werden. "Man kann nicht mehr einfach Lizenzen abgeben und dann sagen: Schau mal, was du draus machst."

Vielmehr müssten Akteure, Vereine und Verbände wissen, für welche Marke sie stünden und wie sie diese gestalten können. "Viele Verbände haben in diesem Punkt Nachholbedarf."
Manchmal kann aber auch simples Stehvermögen zu Quotenhits führen: Vor rund zehn Jahren begann Sport1 damit, Darts zu übertragen. Seit etwa vier Jahren zahlt sich die Entscheidung aus. Das Finale der letzten WM sahen 1,36 Millionen Zuschauer. Ein Traumwert, den der Spartensender aus Unterföhring mit Spielen der Handball- oder Basketballbundesliga in absehbarer Zeit nicht erzielen wird.

Risikobereitschaft sinkt


Geduld ist zudem eine Tugend, die sich das kommerzielle Fernsehen immer seltener leistet. Auch Sport1 begreift sich in erster Linie als Fußballsender, zeigt allein am 25. Juli fünf Testspiele (Borussia Dortmund - Juventus Turin) in Folge. "Die Sender werden generell immer vorsichtiger, weil niemand einen teuren Flop verantworten will", sagt Volker Weicker, der neben Shows wie "Wetten, dass...?" im Lauf seiner Karriere schon etliche sportliche Großereignisse (die Vierschanzentournee und das Finale der Fußball-WM 2002) als Live-Regisseur betreut hat.

"Überall wird abgespeckt. Und das führt dazu, dass die Entscheidung, sich etwas Neues zu leisten - egal ob in der Unterhaltung oder eine neue Sportart -, nur noch zögerlicher oder gar nicht mehr gefällt wird." Dass noch mal jemand an der Dominanz des Fußballs im deutschen Fernsehen rütteln kann wie einst Boris Becker, glaubt Weicker nicht: "Der einzige Sport, bei dem wir Niederlagen akzeptieren, ohne gleich das Trikot zu zerschneiden, ist Fußball."

Frank Steinberg

Dortmund - Juventus Turin
SA 25.7. Sport1 19.00 Uhr

Wolfsburg - Bayern
SA 1.8. ZDF 20.15 Uhr


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