Prächtige Bauten, namhafte Schauspieler, historische Persönlichkeit - das ist der Stoff, aus dem im TV "Event"-Filme sind. Produzent Oliver Berben folgt dem Rezept, legt seine Wagner-Familiengeschichte zum 200. Geburtstag des Komponisten aber nicht genreüblich als braves Biopic an, sondern als rauschhafte, opernhaft überhöhte Familienfehde an. Die Hauptfigur fehlt, ist in der Handlung aber allgegenwärtig.

Der Wagner-Clan. Eine Familiengeschichte
SO 23.2. ZDF 20.15 Uhr
Im TV SPIELFILM-Interview erklären Berben und seine Mutter Iris Berben, die als Wagners Frau Cosima die zentrale Rolle spielt, wo sie Wagner und sein Werk im Spannungsfeld von Wahnsinn, Hochkultur und Antisemitismus verorten.

TV SPIELFILM: In Ihrem Wagner-Film kommt Richard Wagner als handelnde Figur kaum vor. Ungewöhnlich.
OLIVER BERBEN Das ZDF fragte mich, ob ich einen Film über Richard Wagner machen wollte, im Rahmen seines 200. Geburtstages. Das hat mich zunächst überhaupt nicht gereizt.

Und warum haben Sie ihn dann doch gemacht?
OLIVER BERBEN Ich habe das Buch "Der Wagner Clan" gelesen. Es erzählt unter anderem, wie die Wagner-Familie nach dem Tod des Patriarchen mit sich umgegangen ist. Das fand ich interessant. Ich habe gesagt: Ich mache es - aber Wagner stirbt im ersten Bild.

Nach dem Tod Richard Wagners führte seine Frau Cosima die Familie mit eiserner Hand. Was war sie für eine Frau?
IRIS BERBEN Sie war vor allem eine gute Strategin. Eine Französin, die mit aller Kraft versucht, als Deutsche wahrgenommen zu werden. Sie hat ihr eigenes Leben aufgegeben und wie eine PR-Maschine für ihren Mann gearbeitet. Sie hat ihn kultisch überhöht, schon als er noch lebte.

OLIVER BERBEN An Cosima finde ich nichts Positives. Sie hat nie eine Wandlung durchgemacht. Für den Film ist das aber toll. Gott sei Dank sind die Zeiten vorbei, in denen man immer nur "gute" Figuren erzählen durfte. Die schlechten sind interessanter.

War Cosima eine gute Mutter oder nur eine gute Ehefrau?
IRIS BERBEN Sie selbst nahm sich wahrscheinlich als gute Mutter wahr. Meine Sicht ist eine andere. Eine gute Mutter stellt sich nicht gegen die Lebensentwürfe und Talente ihrer Kinder. Es fängt damit an, dass die Kinder nach dem Tod des Vaters diesen Schwur machen müssen: Es gibt kein Leben ohne Richard Wagner. Das Leben der Kinder ist vorherbestimmt.

Was ist "Wagner"? Eine Person? Eine bestimmte Musik? Ein Kult?
OLIVER BERBEN Eines der größten deutschen Kulturgüter. Wagner war als Komponist ein Genie. Und ein Revolutionär. Derartige Musik gab es vor ihm nicht.

Wagner ist auch Inbegriff des manischen Künstlers. Wird er auch deshalb so verehrt?
IRIS BERBEN Es hat etwas damit zu tun. Die "Wagnerianer" werden nicht umsonst "Jünger" genannt. Die verehren ihn mit einem gewissen Ausschließlichkeitsanspruch. Es geht weit über das Musikalische hinaus. Das ist eher eine Form von Religion.

Er war auch überzeugter Antisemit. Auch wenn sich die beiden nie begegnet sind - Adolf Hitler liebte und benutzte seine Musik.
OLIVER BERBEN Ja, darüber haben wir natürlich viel diskutiert. Man muss aber wissen: Der Antisemitismus zu Wagners Zeiten war anders als der der Nazis. Es war ein gesellschaftlich akzeptierter - und hatte nichts mit deren Tötungsmaschinerie zu tun. Das macht Wagner weder besser noch sympathischer. Aber ich habe darüber einen Zugang zu meiner Rolle gefunden.

Sollte man Person und Werk Wagners voneinander trennen?
OLIVER BERBEN Ich finde schon. Der Dirigent Daniel Barenboim sieht das ähnlich. Er ist Jude und hat Wagner 2001 in Israel aufgeführt.

Es war das erste Mal seit 1938. Und es gab heftige Proteste.
IRIS BERBEN ...die ich gut verstehen kann. Es gibt noch eine Generation, die mit dieser Musik nur Schmerz verbindet. Sie können sie nicht ertragen - und das muss man akzeptieren.

Sie arbeiten als Mutter und Sohn und regelmäßig zusammen. Stimmen Sie geschmacklich überein?
IRIS BERBEN Der filmische Geschmack ist schon unterschiedlich. Für unsere Projekte ist aber der Austausch zu einem frühen Zeitpunkt viel erheblicher. Damit man eine gemeinsame Haltung zum Stoff entwickeln kann.

OLIVER BERBEN Wie soll der Film aussehen? Wer führt Regie? Darüber zu sprechen ist ein ganz normaler Prozess - auch wenn man nicht verwandt ist.

Hat Wagner für die breite Masse eigentlich noch eine Bedeutung?
IRIS BERBEN Er ist eine Ikone. Jeder weiß, wer Wagner war, und kann auch seine Musik einigermaßen einordnen.

OLIVER BERBEN Aber im Alltag der meisten Leute spielt er keine Rolle. Wagner war schon immer eine elitäre Veranstaltung. Der hat für Könige geschrieben, nicht für das Volk wie etwa Mozart.

Denken Sie dann, dass der Film ein großes Publikum findet?
OLIVER BERBEN Mir ist klar, dass die Leute nicht sofort auf den Namen Wagner anspringen. Aber was sie hier bekommen, werden sie sehen wollen. Die Musik spielt im Film keine große Rolle. Aber was in dieser Familie los ist, ist so unglaublich, so dramatisch, so sinnlich...

Keine klassische Familiengeschichte - die werden aber viele erwarten, die einschalten.
OLIVER BERBEN Klar. Und die werden zum Teil geschockt sein, sie werden streiten, aber sie werden sich auch freuen. Und das ist gut so. Ich will die Kontroverse.

Frank I. Aures

Der Wagner-Clan. Eine Familiengeschichte
SO 23.2. ZDF 20.15 Uhr

RICHARD WAGNER (1813-1883)

Neue Klänge

DAS GENIE Richard Wagner gilt als einflussreicher Reformator der klassischen Musik. Seine Opern, etwa der Zyklus Der Ring des Nibelungen, fasste er als Gesamtkunstwerk auf, für das er Musik, Texte und Regieanweisungen schrieb. Musiktheoretisch gilt er wegen Einfällen wie dem Tristan-Akkord als Wegbereiter der Moderne. Inhaltlich befassen sich seine Musikdramen oft mit germanischer Mythologie.

DER ANTISEMIT In dem 1850 (zunächst anonym) veröffentlichten Aufsatz Das Juden-thum in der Musik spricht Richard Wagner den Juden jede eigenständige Kreativität ab. Sie könnten nur "nachkünsteln". Bei der Neuauflage 1869 ist bereits von "jüdischer Agitation" die Rede. Wagners Schwiegersohn Houston Chamberlain führt die antisemitischen Gedanken weiter. Wegen seiner rassetheoretischen Bücher wird er von Hitler verehrt.

BAYREUTH Teil des Gesamtkunstwerk-Gedankens war auch der Bau eines eigenen Festspielhauses in Bayreuth. Seit 1876 werden hier alljährlich (mit Unterbrechungen) im Sommer zehn Wagner-Opern aufgeführt. Die 30 Vorstellungen sind lange im Voraus ausverkauft. Um an eine Karte zu gelangen, müssen hohe Schwarzmarktpreise oder Wartezeiten von zehn Jahren in Kauf genommen werden. Um die Leitung des Festivals gibt es immer wieder Streit unter den Mitgliedern der weitverzweigten Wagner-Familie.