Ganze 9 Minuten ist Kate Winslet in der Verfilmung von Bernhard Schlinks Roman "Der Vorleser" (2008) so zu sehen, wie Gott sie schuf - mal abgesehen von einem Schamhaartoupet. Alles für den Film, versteht sich. "Nacktszenen sind schrecklich", gestand die schöne Britin. "Doch es ist ein Teil meiner Arbeit." Und die erledigt sie gewissenhaft freizügig. In etwa der Hälfte ihrer Filme zeigt sie nackte Haut, vom dekorativ angerichteten Busen in "Titanic" bis zum kräuselnden Busch in "Holy Smoke". Den Mut teilt sie mit vielen Kollegen.

Früher ein Skandal, lassen heutzutage immer mehr Stars großzügig ihre Hüllen fallen. Und keineswegs nur die Frauen. Das neue Jahrtausend erweist sich auch für männliche Reize als erstaunlich offen unterhalb der Gürtellinie. Nach einer Theorie des US-Filmprofessors Charles Keil betrifft dies hauptsächlich Charaktere, die homo- oder bisexuell sind: 2005 ziehen Jake Gyllenhaal und Heath Ledger als Cowboys in "Brokeback Mountain" blank, Kevin Zegers strebt in "Transamerica" eine Schwulenpornokarriere an, und Colin Firth zeigte dieses Jahr in "A Single Man" als schwuler Professor mehr als nur großes Schauspieltalent. Der Grund: Bei Homosexuellen läge der Fokus stärker auf der Sexualität, das Schwulsein an sich wird zum Thema. Zudem wirken Schwule in Hollywood-Filmen, so analysiert Experte Keil, insgesamt weiblicher und würden entsprechend gezeigt, wie Frauen gezeigt würden: nackt von Kopf bis Fuß.

Nacktszenen können die Karriere pushen

Bei den Sittenwächter im prüden Amerika bleibt das nicht ohne Reaktion. Eine Szene aus dem Film "Ein Zuhause am Ende der Welt" aus dem Jahr 2003, in der Colin Farrell sein bestes Stück präsentiert, wurde herausgeschnitten, nachdem das Testpublikum verstört reagierte. Im selben Jahr musste "The Cooler" auf einen Hauch von Maria Bellos Schamhaar verzichten, um eine niedrigere Alterseinstufung zu erreichen.
Nichtsdestotrotz sind für die Stars Nacktszenen immer auch ein Karrieresprungbrett. Man denke nur an den berühmten Beinüberschlag von Sharon Stone 1992 in "Basic Instinct". Ein Jahr darauf erregte Julianne Moore mit ihrem roten Busch in "Short Cuts" Aufsehen. Was folgte, war die Rolle eines Pornostars in "Boogie Nights", für die sie eine Oscar-Nominierung erhielt.

Stripperrollen sind ebenfalls gern eine Nominierung wert, wie man an Natalie Portman in "Hautnah" und Marisa Tomei in "The Wrestler" sehen kann. Und Kate Winslet wurde für "Der Vorleser" sogar mit der begehrten Trophäe belohnt - für ihr Spiel, versteht sich.

Den Spaß des Nacktseins lassen sich einige Stars gut entlohnen. Angeblich bekam Halle Berry 2001 für einen kurzen Blick auf ihre Brüste in "Passwort: Swordfish" und für die Sexszene in "Monster's Ball" jeweils 500 000 Dollar.

Ein Bodydouble für den Hintern

Nacktszenen werden vor Drehbeginn vertraglich geregelt, und viele Stars behalten sich das Recht vor, den fertigen Film anschließend noch einmal zu prüfen. Ein weiterer Schutz sind Bodydoubles. So zeigt Keira Knightley zwar bereitwillig ihre Brüste, wenn es aber um ihren Hintern geht, muss ihr Double ran.

Wer es sich leisten kann, besteht auf eine No-Nudity-Klausel: So trägt Sarah Jessica Parker als Einzige der vier "Sex and the City"-Frauen immer einen BH im Bett, und für Julia Roberts sind Nacktszenen ein No-go. Auch Kevin Bacon hat die Klausel in seinem Vertrag. In "Wild Things" zeigt er trotzdem alles. Als Produzent des Films hätte er sich somit theoretisch selbst verklagen können.

Nach "Der Vorleser" kündigte nun auch Kate Winslet an, sich nie wieder vor der Kamera auszuziehen. Wie bereits 2005 nach "Das Spiel der Macht". Der Grund: Sie möchte nicht als exhibitionistisch gelten. Der nächste Film wird es zeigen.

Stefanie Kimler