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Postkartenidylle: das Wagner-Festspielhaus auf dem Grünen Hügel in Bayreuth

Mehr als Musik, die Bayreuther Festspiele sind ein Medienereignis ersten Ranges. Alles, was man über den Grünen Hügel wissen muss

Die "Scheune"
...wird das eher unscheinbare Festspielhaus aufgrund seines volkstümlichen Charakters ­genannt. Häufiger spricht man allerdings vom Grünen Hügel, was sich auf die Lage des Hauses außerhalb Bayreuths bezieht. ­Richard Wagner wünschte sich ein Theater abseits der großen Metropolen, wo man sich ohne Ablenkung und Kompromisse der Kunst widmen kann.

Der Sound im Festspielhaus ist einzigartig. Ein Schalldeckel schirmt den Orchester­graben zum Publikum hin ab, lenkt die Musik auf die Bühne, wo sie sich mit den Stimmen mischt, bevor sie sich im Raum ausbreitet. Ein toller Gesamtklang, den man überall gleich gut hört.

Applaus
37 Minuten lang klatschten die Zuschauer 2006 am Schluss der "Walküre". Der Beifall galt der Sopranistin Adrianne Pieczonka, die die Sieglinde gesungen hatte.

Die Chefin
Wenn ihre Halbschwester Eva Wagner-Pasquier im September ausscheidet, ist Urenkelin Katharina Wagner alleinige Herrscherin auf dem Grünen Hügel. Die Blonde mit den schrillen Nagelstudio-Fingern hat Bayreuth moderner gemacht - und trashiger.

Promi-Alarm
Sehen und gesehen werden - nirgendwo ist die Prominentendichte höher als in Bayreuth. Heute zählen unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel, Schlagersänger Roberto Blanco, Schauspielerin Uschi Glas und Fürstin Gloria von Thurn und Taxis zu den Stammgästen. Bei der Eröffnung der ersten Richard-Wagner-Festspiele 1876 waren ­König Ludwig II. von Bayern, die Komponisten Franz Liszt und Anton Bruckner, der russische Schriftsteller Leo Tolstoi, der Philosoph Friedrich Nietzsche sowie der Architekt Gottfried Semper zugegen.

Skandal und Chaos
Seit Katharina Wagner sind Provokateure willkommen: Nach Christoph Schlingensief und Regie-Enfant-terrible Frank Castorf, dessen "Ring"-Inszenierung (Foto) bereits im dritten Jahr läuft, sollte Krawallkünstler Jonathan Meese (r.) 2016 mit "Parsifal" für Aufsehen sorgen. Obwohl Meese versprach, keine Anspielungen auf das Dritte Reich zu machen, wurde ihm jetzt wieder gekündigt. Begründung: zu teuer.

Tickets Lange Zeit musste man aufgrund der großen Nachfrage und einer undurchsichtigen Vergabepraxis beim Kartenkauf viel Geduld mitbringen. Nach einer schriftlichen Anfrage betrug die Wartezeit oft sieben Jahre und länger. Mittlerweile wird ein Teil der Tickets online verkauft (nach vier Stunden waren sämtliche Karten weg). Die Preise sind für ein Festival dieser Kategorie nicht überzogen. Es gibt mehr als 20 Preiskategorien, wobei die günstigste Karte 10 Euro (Hörplatz) und die ­teuerste 320 Euro kostet. Anstelle eines Public Viewing auf dem Bayreuther Volksfestplatz gibt es seit 2012 "Wagner im Kino": In ausgewählten Lichtspielhäusern wird am 7.8. eine Aufführung der Neuinszenierung von "Tristan und Isolde" live gezeigt.

Nazi-Grusel
1930 übernahm Wagner-Schwiegertochter ­Winifred, eine glühende Verehrerin und enge Freundin Adolf Hitlers, die Leitung und brachte die Festspiele in der Kunstwelt in Verruf. ­Regisseur Hans-Jürgen Syberberg filmte 1975 ein fünfstündiges Interview, das die Ex-Prinzipalin als ungebrochene Nationalsozialistin zeigte.

Wassertreten
...im Wagnerfieber. Während der Pausen kühlen Besucher in festlicher ­Kleidung ihre Waden und Gemüter in der nahe gelegenen Kneippanlage. Danach geht es zurück in das oft mehr als 40 Grad heiße Festspielhaus.

Kissen Das unbequeme Gestühl im 1974 Plätze fassenden Zuschauerraum ist legendär. ­Erfahrene Bayreuth-Besucher haben deshalb ein Sitzkissen dabei, schließlich dauert "Der Ring des Nibelungen" rund 16 Stunden. Der Zyklus wird allerdings auf vier Abende auf­geteilt. Man sitzt maximal fünf Stunden, unterbrochen von zwei Pausen.

Das Programm
Sieben Bühnenwerke stehen diesmal auf dem Spielplan. Los ging es am 25. Juli mit einer Neuinszenierung von "Tristan und Isolde", die die Festspielleiterin höchstselbst verantwortet. Katharina Wagner verspricht eine Mischung aus modernem Mittelalter und einer sadistischen Versuchsanordnung wie im Fantasy-Blockbuster "Die Tribute von Panem". 3sat zeigt am 8. August die knapp fünfstündige Aufführung vom Vortag. Die vorweg ausgestrahlte Doku "Bayreuth zur Festspielzeit" (ab 18.30 Uhr) ist eher kalter Kaffee, nämlich von 2007. Die Wagnerianer schauen währenddessen bereits in die Zukunft, wenn Klassik-Diva Anna Netrebko (r.) 2018 die Elsa im "Lohengrin" singen soll - in den Bühnenbildern von Neo Rauch. Mehr Wagner geht nicht.

Tristan und Isolde
SA 8.8. 3sat 20.15 Uhr